Diese Bohranlage ist nun verschwunden, denn die Arbeiten sind beendet. 323 Meter ist eine Bohrmannschaft im Auftrag des Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) in den Untergrund vorgedrungen und hat dabei Gesteine ans Tageslicht gefördert. Ziel des HLNUG ist es, zusammen mit Partnern die geologischen und klimatischen Entwicklungen der letzten Millionen Jahre im hessischen Ried zu erforschen (PM vom 25.06.2020). Zwar konnte das Projekt die geplante Endtiefe von 500 Metern nicht erreichen, doch die Qualität des erbohrten Materials lässt einen Blick bis in etwa fünf Millionen Jahre Erdgeschichte zu.
Die Gesteinsschichten, auf die das Bohr-Team während der Arbeiten stieß, änderten sich immer wieder: Bis in 104 Metern hatte es mit Sanden, Kiesen, Torfen und Tonen zu tun. Sie repräsentieren die Quartärzeit und dokumentieren somit die geologische Entwicklung der letzten 2,6 Millionen Jahre. Die Sande und Kiese stehen dabei für kältere Klimaabschnitte, wohingegen Tone, Schluffe und Torfe meist wärmeres Klima belegen. Bei den gesamten Arbeiten hat die Mannschaft Bohrkerne gewonnen, die einen Meter lang sind und einen Durchmesser von zehn Zentimetern haben. Zusammen mit den hessischen Universitäten in Darmstadt und Gießen startet das HLNUG in Kürze mit ersten Untersuchungen an den Kernen der Quartärzeit, die bereits halbiert und beprobt im HLNUG-Lager in Villmar-Aumenau bereitliegen.
Der weitere Abschnitt der Bohrung – von 104 bis 323 Meter – setzte sich aus einer Wechselfolge von Tonen und Sanden zusammen. Diese Ablagerungen stammen aus der Pliozän-Zeit, einem jüngeren Zeitabschnitt des Tertiärs und dürften eine Altersspanne von 2,6 bis rund fünf Millionen Jahren vor heute abdecken. Spannend sind hier zwei Holzfunde aus Tiefen von 176 und 253 Metern: Dabei handelt es sich vermutlich um Nadelhölzer. Um diese Funde genauer zu bestimmen, untersuchen Experten des Senckenberg Forschungsinstituts in Frankfurt die Proben derzeit genauer.
Die Sande, die die Bohrmannschaft in größeren Tiefen antraf, stellten sich als sehr instabil heraus. Sie verzögerten die Bohrung und führten im Sommer 2021 schließlich zum vorzeitigen Ende. Nach dem Abschluss machten sich das HLNUG und das Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik in Hannover wie geplant an die Arbeit, um das Bohrloch geophysikalisch zu vermessen. Damit kann das Projekt noch weitere Daten zum Beispiel zum Verständnis von Erdbebenaktivitäten im nördlichen Oberrheingraben liefern. Da die Forschenden ihre Messungen beendet haben, verschließt das Bohrteam das Loch nun dauerhaft. So wird nicht mehr zu sehen sein, dass auf einem städtischen Grundstück in Riedstadt ein über 300 Meter tiefes Loch entstanden war.
Wenn Mitarbeiter des HLNUG die erste Bearbeitung der Kerne abgeschlossen haben, werden interessierte Expertinnen und Experten in das Bohrkernlager eingeladen. Sie können weitere Untersuchungen an dem wertvollen Kernmaterial planen. Das Projekt ermöglicht nicht nur einen Blick in die geologische Vergangenheit in Riedstadt, sondern kann auch helfen, Aussagen über die Zukunft zu treffen – zum Beispiel zum Klima.
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