Bischöfin: „Wir wollen zur Überwindung von Rassismus beitragen“

Hessen
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Hingehen. Hinsehen. Hinhören: Unter diesem Motto stand der Adventsempfang der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) in diesem Jahr.



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Hingehen – das konnten die vielen geladenen Gäste aus Kirche, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien aufgrund der Corona-Pandemie nicht. Aber auch das digitale Format mit rund 120 Teilnehmenden bot Gelegenheit, „hinzusehen und hinzuhören auf Erfahrungen, die Wunden gerissen und unser Land und unser Zusammenleben verändert haben“, sagte Bischöfin Dr. Beate Hofmann. Gemeint waren der rechtsextremistische Anschlag von Hanau am 19. Februar 2020 und die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke am 2. Juni 2019. Die EKKW brachte Angehörige der Mordopfer rechtsextremer Gewalt am Freitagabend (3. Dezember) erstmals zusammen.

Erstmals im Austausch: Christoph Lübcke und Betroffene des Anschlags von Hanau
Über ihre Erfahrungen mit Hass und Gewalt, aber auch über das, was hilft, in Vielfalt friedlich zusammenzuleben, berichteten Armin Kurtović und Etris Hashemi, Betroffene des rassistischen Anschlags von Hanau, Christoph Lübcke, Sohn des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten, und Antje Heigl, seit 30 Jahren Sozialarbeiterin im Jugendzentrum in Hanau-Kesselstadt. Dort, wo viele der Opfer des Attentats ein und aus gingen, hätte der Adventsempfang der Landeskirche eigentlich stattfinden und damit in diesem Jahr auf Reisen gehen sollen.

Coronabedingt waren indes nur die Podiumsgäste vor Ort; ihr Gespräch wurde per Livestream übertragen. Im Anschluss konnten sich die Zuhörenden per Videokonferenz austauschen. „Das, was wir heute Abend hier hören und miteinander diskutieren werden, ist zu wichtig, um es von der Pandemie ersticken zu lassen. Deswegen war Absagen keine Option“, machte Bischöfin Hofmann gleich zu Beginn deutlich. Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky hatte sich mit einer Videobotschaft an die Gäste des Adventsempfangs gewendet und betont: „Dass eine solche Diskussion in Hanau stattfinden kann, ist ein starkes Zeichen weit über die Grenzen Hanaus und Kassels hinaus, ein Zeichen in die Republik.“
Sehr eindrücklich waren sodann die Schilderungen der Podiumsgäste, die „durch ihren Einsatz gegen Rechtsextremismus, gegen Diskriminierung und für eine freie, demokratische Gesellschaft verbunden sind“, wie Moderatorin Dagmar Krauße (Sprecherin der Initiative Offen für Vielfalt) bemerkte.

„Was hier passiert ist, darf sich nicht wiederholen“

„Unser Jugendzentrum stabilisiert den Stadtteil und sorgt für sozialen Frieden. Für die Jugendlichen ist es wie ein zweites Zuhause. Hier ist jeder willkommen, so wie er ist – und diesen Ort gilt es zu erhalten“, sagte Antje Heigl. Sie kannte die meisten der Anschlagsopfer vom 19. Februar, viele von klein auf. Darunter auch Hamza Kurtović. „Was hier passiert ist, darf sich nicht wiederholen“, sagte dessen Vater Armin Kurtović. Er beklagte eine mangelnde Aufarbeitung und forderte: „Aus den Fehlern müssen Konsequenzen gezogen werden, das bleibt Bringschuld des Staates.“

„Ich möchte den Leuten sagen, dass es trotzdem weitergeht“, blickte Etris Hashemi nach vorn. Der Hanauer hatte am 19. Februar seinen jüngeren Bruder Nesar verloren. Er selbst wurde bei dem Anschlag lebensgefährlich verletzt, seine Freunde und Familie bangten wochenlang um sein Leben. Wie Kurtovic schmerzen auch ihn die diskriminierenden Erfahrungen nach der Tat: „Wie wurden nicht behandelt wie deutsche Bürger“, beklagte Hashemi. „Wir dürfen die Augen vor Extremismus und Hass jeglicher Art nicht verschließen“, warb Christoph Lübcke. Es gelte, gesamtgesellschaftlich Flagge zu zeigen und sich klar zu positionieren. „Unser Vater kann in uns weiterleben, wenn wir weitertragen, wofür er gestorben ist.“

„Ein Leben in Vielfalt einüben und stärken“

„Wir haben zugehört und hingehört, auf das, was Sie uns sagen und auch mitgeben für unser Leben und Arbeiten in Kirche und Zivilgesellschaft“, resümierte Bischöfin Hofmann und dankte den Podiumsgästen für ihre Offenheit. Zuvor hatte sie erläutert, warum sich der Empfang einem Thema widmete, das manche als störend in einer auf Besinnlichkeit und Harmonie ausgerichteten Adventszeit empfinden mögen. „Rassistische Gewalt und Hass stören unser Zusammenleben, sie stören Frieden und Harmonie. Und genau darum gehört der Blick auf solche Erfahrungen in die Adventszeit“, betonte die Bischöfin. Den Advent kennzeichne die Sehnsucht nach Frieden, das Warten auf Jesus Christus, den Friedensstifter. „Darum können wir als Evangelische Kirche nicht wegsehen, wenn Menschen Gewalt widerfährt oder Hass und Menschenverachtung sich unter uns breit machen, Menschenleben zerstören und das friedliche Zusammenleben gefährden. Darum sind wir als Landeskirche der Initiative ‚Offen für Vielfalt – Geschlossen gegen Ausgrenzung‘ beigetreten“, erinnerte Bischöfin Hofmann und ergänzte: „Wir wollen aktiv zur Überwindung von Gewalt und Rassismus beitragen. Dazu gehört, dass wir verstehen, wo wir in rassistisches Verhalten verstrickt sind und das ändern. Und dazu gehört, dass wir ein Leben in Vielfalt einüben und stärken.“

Foto (von links): Armin Kurtović, Dagmar Krauße, Etris Hashemi, Christoph Lübcke, Antje Heigl und Bischöfin Dr. Beate Hofmann. Foto: medio.tv/schauderna


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