„Wir müssen sichtbar und hörbar machen, wofür wir stehen“

Hessen
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Ukraine-Krieg und Corona-Pandemie, Klimawandel, Digitalisierung und Säkularisierung: Die neue Landessynode der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) startet unter besonderen Herausforderungen.



„Wir leben in Zeiten, in denen vieles, was uns selbstverständlich schien, plötzlich hinterfragt wird“, sagte Bischöfin Dr. Beate Hofmann in ihrem Bericht anlässlich der ersten Tagung des neuen ‚Kirchenparlaments‘ der EKKW. Noch bis einschließlich Samstag, 7. Mai, tagen die Synodalen in der Evangelischen Tagungsstätte in Hofgeismar.

„Kirche in Transformation inmitten von Transformationen“ ist der Bericht der Bischöfin überschrieben. Die Bibel erzähle von solchen Erfahrungen des Aufbrechens und des Übergangs: „Immer wieder mussten Menschen sich in veränderten Lebensbedingungen einrichten und ihren Glauben angesichts großer Herausforderungen neu buchstabieren lernen“, erläuterte Bischöfin Hofmann. Der Blick auf ihre Erfahrungen könne Mut und Orientierung geben.

Wie geht Friedenstiften in Putins Angriffskrieg?

Der seit zehn Wochen tobende Krieg in der Ukraine habe „unsere Vorstellung von gerechtem Frieden, von einer gemeinsamen, von der Achtung der allgemeinen Menschenrechte getragenen Rechtsordnung, von einem gemeinsamen europäischen Haus erschüttert“, so die Bischöfin. „Wie geht Friedenstiften in Putins Angriffskrieg?“ Dass es auf diese Frage keine einfachen Antworten gebe, habe die Diskussion um Waffenlieferungen gezeigt. Sie persönlich halte Waffenlieferungen für legitim und ihre besonnene Begrenzung für notwendig, ergänzte die Bischöfin. Friedensethische Diskussionen seien geboten und hilfreich: „Als evangelische Kirche haben wir in diesem Diskurs die Aufgabe, Unrecht beim Namen zu nennen, die ethischen Dilemmata, auch unsere bisherigen blinden Flecken, gründlich zu reflektieren, und auch das anzusprechen, was aus dem Blick zu geraten droht.“ Als Beispiel nannte Hofmann die Folgen für die globale Ernährungssituation: „Dieser Krieg wird bald auch in anderen Ländern töten, weil Menschen verhungern.“

Zur Friedensarbeit zählten Friedensgebete, eine Haltung der Entfeindung und im Gespräch zu bleiben mit jenen, die den Ukraine-Krieg anders beurteilten. Viele praktische Aufgaben forderten die Landeskirche und die Gemeinden derzeit, etwa, den Geflüchteten unbürokratisch zu helfen: „Dazu haben wir Wohnraum und Unterkünfte zur Verfügung gestellt, Begleitung organisiert und Spenden gesammelt, um hier bei uns, aber auch in unseren osteuropäischen Partnerkirchen die Hilfe für Geflüchtete wirksam zu unterstützen“, listete die Bischöfin auf und dankte allen Engagierten. Zu den diakonischen Herausforderungen gehöre, die Geflüchteten aus anderen Ländern und die globalen Folgen des Krieges nicht aus den Augen zu verlieren. Auch in der Seelsorge gebe es große Aufgaben, nämlich Traumatisierte, Helfende sowie Soldatinnen und Soldaten zu begleiten. 

Herausforderungen durch die Corona-Pandemie

Der Ukraine-Krieg habe begonnen in einer Zeit, in der viele noch mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie beschäftigt seien. „Auch hier haben wir als Kirche gelernt, wie herausfordernd es ist, im ethischen Diskurs eine klare Haltung einzunehmen, z.B. als Synode zum Impfen aufzufordern, um sich und andere zu schützen“, sagte die Bischöfin und verwies auf den Balanceakt, einerseits „klare Orientierung“ zu geben und andererseits „ein Ort der Begegnung unterschiedlicher Ansichten“ zu sein. Die Pandemie habe vieles andere mit sich gebracht, etwa die Frage nach dem Stellenwert von Sorgearbeit in Pflege und Erziehung, das Ringen um Bildungsgerechtigkeit und Gerechtigkeit bei der globalen Verteilung von Impfstoff.

„Kirche ist nicht mehr selbstverständlicher Teil des Lebens“

Durch die Pandemie seien unbequeme Wahrheiten deutlicher geworden: „Ich denke, dass wir gerade das Ende einer bestimmten Form von Volkskirche erleben. Kirche ist nicht mehr selbstverständlicher Teil des Lebens, nicht mehr selbstverständliche Ratgeberin in ethischen Konflikten und geistlichen Nöten“, so die Bischöfin. Bei ethischer oder spiritueller Orientierung – ob beim Heiraten, beim Abschiednehmen oder in Krisen – könnten Menschen aus verschiedenen Angeboten wählen. „Das fordert uns als Kirche heraus: Wir müssen sichtbar und hörbar machen, wofür wir stehen, warum und wie wir einen relevanten Beitrag zum persönlichen Leben und zum Zusammenleben in unserer Gesellschaft, im Dorf, im Stadtviertel leisten.“ Wichtig sei, kirchliches Leben in Vielfalt zu gestalten, um verschiedenen Lebensstilen gerecht zu werden, sagte Hofmann. „Und es wird immer wichtiger, über das, was wir glauben und tun, auch zu kommunizieren, und zwar in unterschiedlichen Kommunikationsmedien und Öffentlichkeiten.“

Als Leitplanken auf dem Weg in die Zukunft dienten die jüngst im Verständigungsprozess entwickelten Grundaufgaben und strategischen Kriterien. Deutliche Veränderungen stünden bevor: „Unsere Finanzmittel werden schrumpfen, die Zahl unserer hauptamtlichen Mitarbeitenden wird schrumpfen, ehrenamtliche Mitarbeitende werden anders als bisher gewonnen und begleitet werden wollen und müssen. Wir werden unseren Gebäudebestand überprüfen und reduzieren müssen, um finanziell, ökologisch und sozial nachhaltig zu arbeiten. Wir werden über Kirchenmitgliedschaftsformen nachdenken und sie neu ordnen müssen“, zählte die Bischöfin auf. Kirche sein wie vor Corona – „das geht nicht“, machte sie deutlich.

Synode wird Klimaschutz in den Blick nehmen

Umdenken und Umlernen sei auch das Gebot der Stunde mit Blick auf Digitalisierung und Klimaschutz: „Die 14. Landessynode wird über ein Klimaschutzkonzept beraten, das Klimaneutralität möglichst schnell erreichen soll und uns etliche Veränderungen abverlangen wird“, kündigte die Bischöfin an. Was Klimawandel konkret, auch vor Ort, bedeute, soll der aktuelle Themenschwerpunkt Wald anschaulich machen.

Angesichts der rasanten Veränderungen sei ein klares Bild von der Kirche der Zukunft schier unmöglich, resümierte Bischöfin Hofmann: „Wir können aber beschreiben, wofür wir als Kirche da sind, was unser Auftrag ist, mit dem uns Gott auf den Weg ins Offene geschickt hat.“ Sie ergänzt: „Wir sollen von unserem Glauben erzählen, Räume suchen, eröffnen und gestalten, Menschen im Leben begleiten, helfen, wo Not drückt, Gemeinschaft ermöglichen und unsere Stimme erheben für die, die nicht gesehen und gehört werden.“


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