Wilhelm-Leuschner-Medaille posthum für Fritz Bauer

Hessen
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Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) hat den früheren hessischen Generalstaatsanwalt und Initiator des Frankfurter Auschwitz-Prozesses, Fritz Bauer, posthum mit der höchsten Auszeichnung des Landes Hessen, der Wilhelm-Leuschner-Medaille, geehrt.



„Fritz Bauers Leistung kann man nicht hoch genug einschätzen. Durch den Auschwitz-Prozess konfrontierte Bauer die deutsche Öffentlichkeit mit der eigenen Vergangenheit. Als Ankläger einer ganzen Epoche zwang er die Gesellschaft zum Hinsehen und zur Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Nationalsozialismus. Im Zentrum seiner Vorgehensweise stand jedoch nie die Vergeltung, sondern stets die Würde und die Erinnerung an die Opfer, um dem kollektiven Vergessen des Massenmordes an den Juden vorzubeugen. Ohne Fritz Bauer wäre unsere Geschichtsaufarbeitung nicht die, die sie heute ist“, sagte Ministerpräsident Rhein bei der Verleihung am Donnerstag auf dem Campus Westend der Frankfurter Goethe-Universität.

Bauers in Schweden lebende Großnichten, Marit Tiefenthal und Pernilla Öhman, nahmen die Auszeichnung stellvertretend entgegen. Tiefenthal beschrieb die Motivation und Haltung ihres Großonkels, der aus einer deutsch-jüdischen Kaufmannsfamilie stammte und 1933 selbst aus politischen Gründen für einige Monate im Konzentrationslager Heuberg inhaftiert war, wie folgt: „Manchmal muss man eine Position vertreten, die weder sicher noch diplomatisch noch populär ist; man muss sie vertreten, weil das Gewissen es gebietet.“

Ministerpräsident Boris Rhein lobte den 1968 verstorbenen Bauer als „Kämpfer für die Humanität und die Demokratie, der mit Hingabe, Ausdauer und Leidenschaft für eine freie Gesellschaft eingetreten ist“, und dessen Verdienst es sei, sich für ein modernes Demokratiebewusstsein engagiert zu haben. „Mit seinem juristischen und publizistischen Wirken, seinem beharrlichen und furchtlosen Einsatz für Gerechtigkeit und die Ahndung und Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen hat er unserem Land vor Augen geführt, was mit den Mitteln des Rechtes möglich sein kann. Damit hat er die Geschichte der Bundesrepublik verändert.“ 

Die Bedeutung der Verdienste Bauers seien gerade in der heutigen Zeit aktueller denn je, sagte der Ministerpräsident und fügte hinzu: „Seine ethische Grundhaltung und sein Wirken im Dienste der Humanität haben die Gesellschaft dieses Landes nachhaltig verändert und unsere politische Kultur geprägt. Diese Leistung sollte uns als Kompass und Orientierung dienen.“ So sei etwa der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine seit Ende Februar ein Angriff auf alles, wofür sich Fritz Bauer eingesetzt habe. „Dieser Angriff auf unsere freiheitliche Gesellschaft erschreckt uns nicht nur zutiefst, er fordert uns auch heraus. Ebenso wie die rechtsextremen Gewalttaten der vergangenen Jahre in unserem Land. Seien es die Morde des NSU und von Halle, die Anschläge von Hanau oder der Mord an Walter Lübcke. Wir müssen – ganz im Sinne Bauers – Hass und Hetze in unserem Land entgegentreten und uns aktiv für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzusetzen“, äußerte der Regierungschef. 

Fritz Bauer wurde am 16. Juli 1903 in Stuttgart geboren, studierte Rechtswissenschaft und Volkswirtschaft in München und Tübingen und promovierte 1927 in Heidelberg. Von 1930 an war er am Stuttgarter Amtsgericht der jüngste Hilfsrichter in Deutschland. Im Jahr 1933 wurde er als Richter entlassen und in Heuberg auf der Schwäbischen Alb inhaftiert. Bauer emigrierte 1936 nach Dänemark, wo er nach der deutschen Besatzung verhaftet wurde, aber dank der Intervention dänischer Freunde wieder freikam. Im Oktober 1943, als die Deportation der dänischen Juden begann, gelang ihm mit seiner Familie die Flucht nach Schweden. Nach der Befreiung kehrte Bauer 1945 nach Dänemark zurück und lebte in Kopenhagen. Mit Unterstützung des SPD-Politikers Kurt Schumachers kam er 1949 in die Bundesrepublik Deutschland zurück und wurde ein Jahr später zum Generalstaatsanwalt am Oberlandesgericht in Braunschweig ernannt. Der damalige hessische Ministerpräsident Georg-August Zinn berief ihn 1956 in das Amt des hessischen Generalstaatsanwalts und holte ihn nach Frankfurt. In dieser Position war Bauer verantwortlich für das Zustandekommen des Auschwitz-Prozesses, der von Dezember 1963 bis August 1965 stattfand.

Die Wilhelm-Leuschner-Medaille ist die höchste Auszeichnung des Landes Hessen. Sie wird an Personen verliehen, die sich hervorragende Verdienste um die demokratische Gesellschaft erworben haben. Wilhelm Leuschner selbst war einer der wichtigsten hessischen Widerstandskämpfer gegen das Nazi-Regime. Der ehemalige Ministerpräsident Georg-August Zinn stiftete die Medaille zum 20. Todestag Leuschners am 29. September 1964. Sie wird stets am 1. Dezember, dem Hessischen Verfassungstag, vergeben. Unter den bisherigen Preisträgern befinden die frühere Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, der Philosoph Professor Jürgen Habermas oder der verstorbene ehemalige Regierungspräsident von Kassel, Dr. Walter Lübcke, der die Würdigung als Erster posthum erhielt.  

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Der Hessische Ministerpräsident Boris Rhein hat Fritz Bauer posthum mit der Wilhelm-Leuschner-Medaille geehrt. Die beiden in Schweden lebenden Großnichten Bauers, Marit Tiefenthal und Pernilla Öhman, nahmen die höchste Auszeichnung des Landes Hessen stellvertretend entgegen (von links): Boris Rhein, Pernilla Öhman, Marit Tiefenthal.


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