Schieflage in Gerichten wegen Massenverfahren

Hessen
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Der Hessische Justizminister Prof. Dr. Roman Poseck (CDU) hat bereits im September 2022 die hessische Bundesratsinitiative zur Entlastung zivilgerichtlicher Massenverfahren (Drucksache 342/22) in der Plenarsitzung des Bundesrates vorgestellt.



Den Entschließungsantrag haben die Länder einstimmig angenommen. Am Donnerstag beriet der Bundestag über den Antrag „Kollaps der Ziviljustiz verhindern – Wirksame Regelungen zur Bewältigung von Massenverfahren schaffen“ (Drucksache 20/5560), den die CDU/CSU Bundestagsfraktion eingebracht hat. Hessens Justizminister sprach am Donnerstag im Bundestag zu diesem Antrag.

In seiner Rede erklärte Hessens Justizminister Roman Poseck: „Die einmütige Zustimmung aller Bundesländer zur hessischen Bundesratsinitiative hat bereits gezeigt, wie dringlich ein neuer gesetzlicher Rahmen für die Bewältigung von zivilgerichtlichen Massenverfahren ist. Hessen hat die Rufe aus der Praxis aufgegriffen und dem Bundesgesetzgeber konkrete Vorschläge zur effizienteren Bearbeitung zivilgerichtlicher Massenverfahren unterbreitet. Dazu zählen beispielsweise frühzeitige Grundsatzentscheidungen des Bundesgerichtshofs sowie die Vermeidung sich wiederholender Beweisaufnahmen. 

Das Thema ist weiterhin dringlich. In einer vor kurzem veröffentlichten Umfrage unter Richterinnen und Richtern sprachen sich 87 Prozent der Befragten für Reformen aus, um gleichgelagerte Massenverfahren wie Diesel- oder Wirecard-Fälle besser in den Griff zu bekommen und schneller abschließen zu können.

Der Bund sollte die Justizpraktikerinnen und Justizpraktiker ernst nehmen. Sie arbeiten Tag für Tag an der Basis des Rechtsstaats und wissen ganz genau, wo die Probleme liegen. Das Thema „Massenverfahren“ muss daher ganz nach oben auf die rechtspolitische Agenda der Bundesregierung.

Leider ist an dieser Stelle bislang nichts passiert. Es ist falsch, das eindeutige Votum aller Länder und die Stimmen aus der Praxis zu ignorieren. Die Justiz ist hoch belastet. Die Flut an Massenverfahren hat zu einer Schieflage in den Gerichten geführt. Eine Entlastung ist dringend geboten. Der Bund ist zum Handeln aufgerufen. Reformen zur Bewältigung von Massenverfahren sind im Interesse der Effizienz unseres Rechtsstaats und des sachgerechten Ressourceneinsatzes in den Gerichten dringend geboten.

Die Länder tun, was sie können, um die Personalsituation in der Justiz zu verbessern. In Hessen haben wir einen eigenen „Pakt für den Rechtsstaat“ aufgelegt, mit dem unter anderem rund 500 neue Stellen geschaffen werden. Umfasst sind auch verschiedene Maßnahmen zur Nachwuchsgewinnung, wie die Erhöhung der R-Besoldung, durch die Hessen im Bundesvergleich bei der Besoldung für Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger auf Platz 2 vorrückt.

Wir brauchen nun endlich eine Justizpolitik von Bund und Ländern, die Hand in Hand geht. Schließlich tragen wir eine gemeinsame Verantwortung für diesen Rechtsstaat. Und der Bund bestimmt mit seiner Gesetzgebung nicht unerheblich Themen, Schwerpunkte und Abläufe in der Justiz.“

Hintergrund:

Laut einer Initiativstellungnahme des Deutschen Richterbundes zur besseren Bewältigung von Massenverfahren in der Justiz aus dem Mai 2022 gingen bei den 24 deutschen Oberlandesgerichten allein im Zuge des „Diesel-Komplexes“ im Jahr 2018 rund 10.000, im 2019 rund 40.000, im Jahr 2020 weitere 30.000 und im Jahr 2021 rund 37.500 Zivilklagen gegen Autohersteller ein. Alleine am Landgericht Stuttgart seien 2021 ca. 8.700 Diesel-Verfahren eingegangen. Am Landgericht Frankfurt am Main sind Anfang 2022 an einem einzigen Tag 100 Verfahren von Wirecard-Anlegern eingegangen, für über 20.000 Verfahren zu diesem Komplex soll es bereits Rechtsschutzzusagen von Versicherern geben.


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