Sexualisierte Gewalt: EKKW treibt Aufarbeitung voran

Hessen
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Missbrauchs-Betroffene konsequent in den Blick zu nehmen und erlittenes Unrecht klar beim Namen zu nennen, dafür warb Pfarrer Dr. Thomas Zippert, Koordinator zum Thema sexualisierte Gewalt in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW).



In seinem Bericht zum Abschluss der Frühjahrstagung der Landessynode gab er am Samstag (29. April) einen Überblick über die Projektphase seiner Arbeit seit 2019. Sie beruht auf den drei Säulen Prävention, Intervention und Aufarbeitung. Bischöfin Dr. Beate Hofmann lobte Zipperts „Pionierarbeit“ in diesem Feld. Der Weg sei noch lange nicht zu Ende.

Unterstützungskommission: Anerkennungsleistungen für zehn Betroffene

Zu den wichtigsten Instrumenten zählt die 2019 berufene unabhängige Unterstützungskommission (heute Anerkennungskommission). An sie können sich Menschen wenden, die sexualisierte Gewalt im Kontext Kirche erfahren haben. Ihr gehören mit Peter Masuch ein Richter im Ruhestand, mit Friedegunde Bölt eine Trauma-Therapeutin und mit Petra Zimmermann (frühere Geschäftsführerin von Pro Familia in Kassel) eine beratungserfahrene Fachkraft an, die weisungsfrei über Unterstützungsleistungen und Anerkennungszahlungen entscheiden können. Die Kommission hat in den vergangenen 3,5 Jahren für zehn Betroffene Anerkennungszahlungen beschlossen, die die Landeskirche auch gewährt hat, berichtete Zippert. In fünf weiteren Fällen habe sie Zeugen früherer Übergriffe gehört oder auch bei schwierigen Lagen beraten. „Die Mischung dieser Kompetenzen hat sich sehr bewährt“, bilanzierte Zippert.

Aufarbeitung von unklar gebliebenen Altfällen

Um unklar gebliebene oder unzureichend dokumentierte Altfälle aufzuarbeiten, hat die EKKW auch zwei Juristen als unabhängige Gutachter hinzugezogen: die ehemalige Kasseler Staatsanwältin Andrea Boesken und Jürgen Schuppner (Eschwege), früherer Vizepräsident des Landgerichts Mühlhausen. Sie waren damit beauftragt, alle bekannten Altfälle rechtlich zu prüfen. Die Systematisierung der Ergebnisse stehe noch aus, sagte Zippert. „Schon jetzt ist klar: Wir müssen uns bekanntwerdende Fälle viel besser als bisher dokumentieren. Das schulden wir den Betroffenen.“

Pensionierte Kriminalbeamte sichteten Akten

Zu den Maßnahmen der Aufarbeitung zählt ferner die Arbeit von sieben pensionierten Kriminalbeamten, die von Januar bis Ende März dieses Jahres Akten des Landeskirchenamtes systematisch durchgesehen haben, um darin Hinweise auf sexualisierte Gewalt zu finden. Die Ergebnisse fließen in eine Studie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ein, die sexualisierte Gewalt und andere Formen von Missbrauch in Kirche und Diakonie wissenschaftlich aufarbeiten soll. Die ForuM-Studie soll im Herbst veröffentlicht werden. 34 Täter-Fragebögen habe die Landeskirche nun abgegeben, zudem die von 77 Betroffenen, berichtete Zippert. Sie beträfen ausschließlich sexualisierte Gewalt gegenüber Minderjährigen. Die Zahl der tatsächlich Betroffenen liege jedoch höher: Bis zu 200 könnten es insgesamt sein, schätzt Zippert.

Beratungsanfragen und Meldungen von Vorfällen stark gestiegen

Zu den Präventionsmaßnahmen zählen neben der Installierung eines so genannten Rahmenschutzkonzeptes Schulungen der Mitarbeitenden der Landeskirche – annähernd 2000 haben bereits stattgefunden. „Seit Beginn der Schulungen steigen die Beratungsanfragen und Meldungen von akuten Verdachts- oder Vorfällen stark an“, sagte Zippert. Waren es 2021 acht Fälle, so habe sich diese Zahl im Folgejahr mit 15 Fällen fast verdoppelt.

Zippert gab der Landessynode mit auf den Weg, „klar und deutlich über das sprechen, was in unserem Verantwortungsbereich geschah und geschieht“ und betroffenenorientiert zu handeln. Ziel der Aufarbeitung müsse sein, dass Betroffene sagen können: „Hier komme auch ich persönlich vor, werde gesehen, gehört und man reagiert angemessen auf das, was mir angetan wurde.“  Er ergänzte: „In der Kirche Jesu Christi muss, darf und kann um Gottes Willen erwartet werden, dass sie die Betroffenen nicht vergisst.“


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