NABU Hessen zum Schottergartenverbot

Hessen
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Am 25. Mai verabschiedete der hessische Landtag eine Novelle des hessischen Naturschutzgesetzes.



Darin enthalten ist ein Verbot für die Neuanlage von Schottergärten, das nun von zahlreichen Gemeinden aufgegriffen und in seiner Umsetzung diskutiert wird. Denn Steingärten wirken sich negativ auf Artenvielfalt und Stadtklima aus. Ist das endlich das Ende der Steinwüsten? „Leider nicht sofort, denn die bestehenden Schottergärten dürfen vorerst noch bleiben. Dennoch lohnt es sich den Besitzer*innen einen Abschied vom Schotter ans Herz zu legen. Denn Schottergärten, insbesondere mit Vliesunterlage, entsprechen streng genommen schon jetzt nicht den Bestimmungen des Baurechts. Und angesichts der fortschreitenden Flächenversiegelung und der Klimakrise können wir uns solche Steinwüsten nicht länger leisten“, sagt Maik Sommerhage, Landesvorsitzender des NABU Hessen.

Warum sich ein Abschied lohnt

Schottergärten zogen als vermeintlich pflegeleichte und günstige Alternative für den Vorgarten und zum Teil auch öffentliche Grünanalgen mit Rekordgeschwindigkeit in unsere Siedlungsräume ein. „Viele Gartenbesitzer*innen haben inzwischen wenig Zeit sich ihrem Garten zu widmen und freuten sich über die versprochene Lösung mit wenig Arbeitsaufwand. Doch leider sind Schottergärten eine echte Mogelpackung“, warnt Maik Sommerhage. Schon die Materialkosten von Steinen, Schotter und Pflanzen sowie der Bau gehen ins Geld. Kies und Steine können mit der Zeit Moos und Algen ansetzen, was sie ungepflegt wirken lässt. Darum müssen Schotterflächen regelmäßig von Blättern und Pflanzenaufwuchs befreit werden. Dies geschieht oft mit dem Laubbläser oder Hochdruckreiniger. Die Geräte sind laut, verbrauchen viel Energie und schaden außerdem Kleinstlebewesen. Wird die Fläche nach einigen Jahren unansehnlich, muss sie komplett abgetragen, der Kies gewaschen, das Vlies unter dem Kies erneuert und der saubere Kies wieder aufgelegt werden. Auch das ist teuer, aufwändig und verbraucht Energie. In vielen Kommunen gelten Schottergärten zudem als versiegelt oder teilversiegelt. Weil sie die Kanalisation belasten, fallen zusätzlich Abwassergebühren an.

Schlechtes Klima und kaum Leben

Es gibt noch eine Eigenschaft der Schottergärten, die sie in den immer unberechenbarer werdenden Sommern zum Problemfall für die ganze Nachbarschaft machen. Im Sommer erhitzen sich die Steine sehr stark und kühlen auch nachts nicht ab. Ihre versiegelten Böden können kein Wasser aufnehmen und verdunsten, weshalb sie im Sommer nicht zur Kühlung der Luft beitragen. Nicht bepflanzte Flächen fallen als Wasserverdunster und Schattenspender aus. Durch die fehlenden Pflanzen können auch feine Staubpartikel über die Blätter nicht mehr aus der Luft gefiltert werden, Staub und Stickstoffdioxid reichern sich an. Lärm von der Straße wird nicht von Vegetation gedämpft, sondern verstärkt. Mit offenem Fenster zu schlafen, wird so schwierig. Zum anderen steigt das Risiko für Überschwemmungen: Regnet es sehr stark, können die Kanalisation oder die Vorfluter die oberflächlich abfließenden Wassermassen nicht fassen.

„Geradezu katastrophal ist die lebensfeindliche Steinwüste aber im Bezug auf die Artenvielfalt in der Stadt. Die spärliche Bepflanzung aus meist exotischen Pflanzen, die unserer heimischen Tierwelt weder Futter noch geeigneten Lebensraum bietet, lässt die Siedlungsräume immer lebloser werden“, gibt der Landesvorsitzende zu bedenken. Dabei sind Vorgärten und städtische Grünanlagen wichtige Refugien und Nahrungsgründe für viele Wildtiere geworden. „Viele Gartenbesitzer*innen unterschätzen, dass selbst kleine Vorgärten hier eine wichtige Trittsteinfunktion haben können, die es Tieren erlaubt zwischen verschiedenen Lebensräumen zu wandern und so Fortpflanzungspartner, ausreichend Nahrung und neue Reviere zu finden. Nimmt man die Fläche aller Vorgärten einer Stadt zusammen, dann reden wir von einer nicht unerheblichen Fläche, deren Gestaltung enorme Auswirkungen auf die Artenvielfalt im Siedlungsraum und insgesamt hat“, erläutert Sommerhage. Vielfältig angelegte Gärten mit heimischen Pflanzen, die Insekten und anderen Tieren Nahrung und Schutz bieten, sorgen also dafür, dass Tiere und Pflanzen im Siedlungsraum eine echte Chance haben.

Doch wohin mit dem ganzen Schotter?

„Um die öden Steinwüsten möglichst schnell wieder loszuwerden, kann jede*r dazu beitragen, den Gedanken einer pflegeleichten und wunderschönen Pflanzung in den Vorgärten zu verbreiten. Rückbauoptionen und artenfreundliche Umgestaltungstipps bis hin zu pflegeleichten Alternativen gibt es inzwischen zahlreiche, so dass eigentlich für jeden Vorgarten eine geeignete Lösung zu finden ist“, sagt Sommerhage. Auch muss der Schotter vorhandener Schottergärten nicht gleich komplett in die Tonne. Denn Steine können im Garten ein wichtiges Gestaltungsmittel sein, etwa als Trockenmauer, als Steinhaufen für Eidechsen und Insekten oder Wegebelag. Fachgerecht angelegte naturnahe Kiesgärten oder alpine Steingärten etwa sind meist sehr pflanzen- und artenreich. Wenn auf Folie verzichtet wird, kann auch Wasser in den Boden versickern. Solche Gärten beherbergen spezialisierte Pflanzen, die naturgemäß an sonnigen, trockenen, humus- und nährstoffarmen sowie wasserdurchlässigen Extremstandorten vorkommen, zum Beispiel auf natürlichen Trockenstandorten wie Trockenrasen und Felsheiden oder in Kiesgruben und Steinbrüchen. Der Umbauaufwand lohnt sich, denn das Ergebnis bietet Insekten und anderen Tieren viel Nahrung und braucht wenig Pflege. Auch gibt es zahlreiche Bodendecker, die den Vorgarten schnell und unkompliziert begrünen und wenige Pflegeaufwand mit sich bringen.

Hintergrund

Schottergärten wurden bisher in vielen Kommunen geduldet und zum Teil sogar auf den öffentlichen Grünanlagen angelegt. Tatsächlich gilt aber nach § 8 der Hessischen Bauordnung für Grundstücksfreiflächen, dass „die nicht überbauten Flächen der bebauten Grundstücke wasserdurchlässig zu belassen oder herzustellen und zu begrünen oder zu bepflanzen sind, wenn sie nicht für eine andere zulässige Verwendung benötigt werden.“ Schottergärten erfüllen diese Funktion nicht und sind daher streng genommen jetzt schon unzulässig. Die letzten Hitzesommer haben bei zahlreichen Kommunen nun für ein Umdenken gesorgt, da die Städte sich bedenklich aufheizen und bei den vermehrt auftretenden Starkregenereignissen das Abwassersystem schnell an seine Grenzen stößt. Jede entsiegelte und bepflanzte Fläche kann hier helfen diese Effekte abzumildern.


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