Dankbarkeit, Mitmenschlichkeit und Versöhnung

Landrat Thorsten Stolz (Dritter von rechts) und Helena Päßler, Bundesvorsitzende der Seliger-Gemeinde, hier umrahmt von Gästen der Ausstellung und dem Musikduo Egerländer Buben (Mitte), eröffneten die Ausstellung „Böhmen liegt nicht am Meer“ im Bürgerportal des Main-Kinzig-Forums in Gelnhausen.

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Landrat Thorsten Stolz (SPD) hat kürzlich die Ausstellung „Böhmen liegt nicht am Meer. Lebenswege sudetendeutscher Sozialdemokraten“ im Bürgerportal des Main-Kinzig-Forums in Gelnhausen eröffnet.



„Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart“, sagte er an die Gäste der Vernissage gewandt und zitierte damit den 2015 verstorbenen Altbundespräsidenten Richard von Weizsäcker. Der Landrat fuhr fort: „Die Geschichte und das Schicksal der Heimatvertriebenen insgesamt, der Sudetendeutschen und der heimatvertriebenen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist ein Teil der Geschichte des Main-Kinzig-Kreises und dessen Vorgänger.“

Zu der gut besuchten Veranstaltung hatte die Seliger-Gemeinde e.V. gemeinsam mit der Sudetendeutschen Landsmannschaft Kreisgruppe Gelnhausen und dem Bund der Vertriebenen – Kreisverband Gelnhausen – eingeladen. Die zweisprachige Wanderausstellung präsentiert Lebenswege von Sozialdemokraten und Sozialdemokatinnen unterschiedlicher Generationen. Es handelt sich dabei meistenteils um Menschen, die sich in ihrer damaligen Heimat Böhmen der Sozialdemokratie anschlossen und Widerstand gegen die Nationalsozialisten leisteten.

Sehr persönlich berichtete der Landrat in seiner Begrüßung von der Geschichte der eigenen Familie, denn der väterliche Teil stammt aus dem Sudetenland. Sein Urgroßvater gehörte der Sozialdemokratischen Partei im Sudetenland an und wurde nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten sogar kurze Zeit inhaftiert. Später kam die Familie nach Hanau. Der Landrat erinnerte daran, dass nach Ende des 2. Weltkrieges zehntausende Heimatvertriebene in den Altkreisen Hanau, Gelnhausen und Schlüchtern aufgenommen und integriert wurden. Die Heimatvertriebenen hätten wesentlichen Anteil an der positiven Entwicklung der heute 29 Städte und Gemeinden im Main-Kinzig-Kreis, so Thorsten Stolz. Drei Lehren zieht der Landrat aus Flucht und Vertreibung: „Erstens sollten wir dankbar sein. Dankbar dafür, dass wir in Frieden, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit leben.“ Zweitens sei eine wesentliche Konsequenz, die sich aus der Geschichte und dem Schicksal von über 14 Millionen Heimatvertriebenen ergebe, der menschliche Umgang mit den Geflüchteten, die in der Gegenwart aus der Ukraine, Syrien, Afghanistan und anderen Ländern nach Deutschland kommen. „Drittens können wir nur dann Frieden in Europa schaffen und erhalten, wenn wir aufeinander zugehen und Vorurteile abbauen. Böhmen liegt zwar nicht am Meer, aber im Herzen Europas,“ so der Landrat und ergänzte in Bezug auf das deutsch-tschechische Verhältnis: „Wir können nicht auf dem beharren, was war.“ Es sei wichtig sich zu erinnern, aber wichtiger sei es sich zu versöhnen. Dieser Gedanke passe zu den Grundsätzen der Seliger-Gemeinde. Aus diesem Grund sei es eine Ehre, die Ausstellung im Main-Kinzig-Forum zu präsentieren.

Helena Päßler, Vorsitzende der Seliger Gemeinde, führte in die Ausstellung ein. Sie verwies darauf, dass „Böhmen am Meer“ ein vielfach bedientes Motiv der deutschen Literatur sei und sich in Ingeborg Bachmanns Gedicht „Böhmen liegt am Meer“ und Hans Magnus Enzensbergers Essay „Böhmen am Meer“ finde. Sie hofft, dass sich junge Menschen in Deutschland und Tschechien mit der Geschichte befassen und Versöhnung anstreben. Die Ausstellung leiste einen Beitrag für die Grundwerte Frieden und Freiheit und zeige, dass nicht alle Deutschen Nazis und Faschisten gewesen seien.

Mit einem Grußwort wandten sich Armin Bandilla, Kreisvorsitzender des Bundes der Vertriebenen, beziehungsweise Markus Harzer, Landesobmann der Sudetendeutschen Landsmannschaft, an das Publikum. Letztgenannter äußerte den Wunsch, dass die heimatvertriebenen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten und ihr Widerstand gegen den Nationalsozialismus endlich im Schulunterricht stattfinden.

Die Ausstellung kann bis Freitag, 3. Februar, zu den Öffnungszeiten des Main-Kinzig-Forums besucht werden. Der Eintritt ist frei.

Die Ausstellung

Die zweisprachige Ausstellung besteht aus 24 Roll-ups, ist graphisch ansprechend gestaltet und informativ. Die dargestellten Personen sind in einen historischen Kontext gebetet und  werden in Zusammenhang zu den aktuellen Aktivtäten der Seliger-Gemeinde gebracht. Neben kurzen, prägnanten Texten sowie einigen Fotos sind die Lebenswege jeweils anhand einer Karte veranschaulicht. Zusätzlich zur analogen Darstellung wurde eine digitale Ebene geschaffen, die über einen QR-Code angesteuert werden kann. Auf dieser Webseite sind ausführlichere Texte, zusätzliche Fotos und kurze Video-Clips zu allen Personen eingestellt. Die Ausstellung ist die Fortsetzung und Ergänzung der Ausstellung „Sudetendeutsche Sozialdemokraten – Von der DSAP zur Seliger-Gemeinde“ aus dem Jahr 2010. Darüber hinaus wurde Unterrichtsmaterial erstellt.

Die Seliger-Gemeinde

Die Seliger-Gemeinde ist die Organisation der sudetendeutschen Sozialdemokratie. Sie steht in der Nachfolge der Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakei und pflegt die Erinnerung an diejenigen Sudetendeutschen, die gegen Nationalismus und Nationalsozialismus und für Freiheit und Demokratie kämpften. Die Seliger-Gemeinde steht für ein freies und einiges Europa. Mit unterschiedlichen Veranstaltungen wirbt sie für den deutsch-tschechischen Dialog.

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Mit sehr persönlichen Worten eröffnete Landrat Thorsten Stolz die Ausstellung „Böhmen liegt nicht am Meer“ im Bürgerportal des Main-Kinzig-Forums in Gelnhausen.

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Landrat Thorsten Stolz (Dritter von rechts) und Helena Päßler, Bundesvorsitzende der Seliger-Gemeinde, hier umrahmt von Gästen der Ausstellung und dem Musikduo Egerländer Buben (Mitte), eröffneten die Ausstellung „Böhmen liegt nicht am Meer“ im Bürgerportal des Main-Kinzig-Forums in Gelnhausen.


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