Kind stirbt bei Geburt: Klinik-Mitarbeiterin angeklagt

Blaulicht
Typographie
  • Smaller Small Medium Big Bigger
  • Default Helvetica Segoe Georgia Times

Wegen fahrlässiger Tötung musste sich eine 57-Jährige vor dem Amtsgericht Gelnhausen verantworten. Nach umfangreicher Beweisaufnahme stellte Richter Wolfgang Ott in Absprache mit Staatsanwaltschaft und Verteidigung das Strafverfahren letztlich ein.



Allerdings muss die Gelnhäuserin einen Betrag von 1.000 Euro an das Frauenhaus in Wächtersbach bezahlen. Der Frau wurde vorgeworfen, bei einem Geburtsvorgang in einer Klinik der Region aus Fahrlässigkeit den Tod eines Ungeborenen verursacht zu haben. Hätte sie rechtzeitig die Vorbereitungen für einen Not-Kaiserschnitt getroffen, hätte das Kind gerettet werden können, so die Einschätzung der Staatsanwaltschaft Hanau in der Anklageschrift. Der Vorfall hatte sich bereits vor sechs Jahren im März 2017 zugetragen und war von Angehörigen im Jahr 2020 angezeigt worden.

Die Angeklagte äußerte sich vor Gericht umfassend zu den Geschehnissen an jenem frühen Sonntagmorgen. Gegen 6.25 Uhr habe sie die Patientin übernommen. Von Anfang an sei es sehr schwierig gewesen, einen persönlichen Zugang zu der Frau zu bekommen. Diese habe sie als „beleidigend und angriffslustig“ wahrgenommen. Sie selbst habe daher versucht, die Schwangere mit Hilfe von Atemtechniken zu motivieren.

Der Geburtsvorgang habe zunächst einen normalen Fortschritt gezeigt. Mittels Herzton-Wehenschreiber (CTG) wurde die Frau überwacht. Weil zu dieser Zeit mehrere Schwangere betreut werden mussten, war ihr eine studentische Aushilfe zur Seite gestellt worden. Zunächst sei alles völlig normal verlaufen, nichts deutete auf Komplikationen hin. Zwischendurch sei bei der Frau der Sensor für die Messungen verrutscht, weil nach Angaben der Angeklagten die Patientin „aufgebracht“ war. 

Dann kam es wohl völlig überraschend zu einer vorzeitigen Plazentaablösung. Die Herztöne des Kindes setzten aus. Bei einem Not-Kaiserschnitt konnte das Baby nur noch tot zur Welt gebracht werden. Die 57-Jährige, die seit Jahrzehnten im Beruf tätig ist, erklärte, so eine vorzeitige Ablösung ohne irgendwelche Symptome noch nicht erlebt zu haben.

Das Gericht hatte nun zu klären, ob sich die Mitarbeiterin einer Sorgfaltspflicht-Verletzung schuldig gemacht habe. Die Frage war, ob das Kind hätte gerettet werden können, wenn früher eingegriffen worden wäre.

Eine entscheidende Rolle spielten dabei die CTG-Aufzeichnungen, auf denen die Herztöne von Mutter und Tochter abgebildet waren. Dazu standen aber nur Kopien des seinerzeit verwendeten Fotopapiers zur Verfügung. Im Detail blieb anhand dieses Materials unklar, um welche Uhrzeit genau die letzten Töne des Kindes angezeigt wurden. Ein Gutachten kam zu einem anderen Ergebnis im Vergleich zur Einschätzung des Gerichts bei einem Blick auf die Kopien. Also hätte nun ein erweitertes Gutachten erstellt werden müssen. Hinzu kommt, dass die Originale des Fotopapiers nach dieser langen Zeit vermutlich ausgeblichen und nicht mehr lesbar sind.

Der Verteidiger betonte, seine Mandantin habe in den vergangenen Jahren seit dem Vorfall schon genug Leidensdruck wegen des Themas gehabt. Zudem habe die betroffene Familie zivilrechtlich bereits einen größeren Geldbetrag eingeklagt. / hd


Ihnen ist etwas Interessantes aufgefallen im Main-Kinzig-Kreis? Schreiben Sie uns an info@vorsprung-online.de