Bewährungsstrafe für mehrfachen sexuellen Missbrauch

Blaulicht
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Wegen des mehrfachen sexuellen Missbrauchs eines zwölfjährigen Kindes in Verbindung mit Körperverletzung ist ein 49-Jähriger aus einer Gemeinde im Vogelsberg vor dem Jugendschöffengericht Gelnhausen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung, verurteilt worden. Der Familienvater muss ferner eine Sexualtherapie machen, 1000 Euro an den Hilfeverein „Lawine“ in Hanau bezahlen und wird der Bewährungshilfe unterstellt.



„Sie haben das Vertrauensverhältnis zu dem Kind zerstört und seine sexuelle Entwicklung gestört“, kritisierte Richter Christian Scheuermann. Opfer der Übergriffe war die Tochter seiner Lebensgefährtin, die gemeinsam unter einem Dach in einem Vogelsberg-Dorf lebten. Dort kam es innerhalb kurzer Zeit im Januar vergangenen Jahres zu drei Taten. In zwei Fällen ging er in das Badezimmer, während das Kind dort in der Wanne saß. Er zog sich aus, setzte sich neben sie, fasste sie im Intimbereich an und stimulierte sie dort. Dabei griff er laut Staatsanwaltschaft so fest zu, dass das Mädchen dabei Schmerzen empfand.

Ein dritter Vorfall trug sich im Bett des Paares zu, als die Zwölfjährige neben ihm lag, damit sie gemeinsam Sport im Fernsehen schauen konnten. Hierbei soll der 49-Jährige unter die Bettdecke und in ihre Hose gefasst haben, um sie zu stimulieren.

Diese drei Vorfälle räumte der Beschuldigte vor Gericht ein. An weitergehende Vorwürfe wie beispielsweise Oralverkehr bei ihr und eine Penismassage durch sie konnte er sich nicht erinnern. Der 49-Jährige, der früher in einem Ort im Main-Kinzig-Kreis bei einer Bürgermeisterwahl erfolglos kandidiert hatte, beteuerte, schon in der Vergangenheit mit dem Mädchen zusammen gebadet zu haben. Irgendwie sei es an ihm „vorbeigegangen“, dass sie in die Pubertät gekommen sei. Aus heutiger Sicht sei es ein Fehler gewesen, dieses Ritual auch in dem Alter fortzuführen - wenngleich sie angeblich lieber mit ihm als mit der eigenen Mutter ein Bad genommen habe.

Er sehe heute ein, dass er da eine Grenze überschritten habe – zumal mit seinen Berührungen in ihrem Intimbereich. Er habe dabei aber nie Gewalt angewendet, geschweige denn Abwehrhandlungen von ihr wahrgenommen. Warum er das gemacht habe, könne er nicht mehr sagen. Sexuell stimuliert habe ihn das jedenfalls nach eigenen Angaben nicht. Eine Aussage, der Richter Scheuermann keinen Glauben schenken wollte. Schließlich handele es sich hier nicht um ein Allerwelts-Delikt, sondern es liege möglicherweise eine pädophile Neigung vor.

Der Angeklagte hatte nach eigener Aussage ein „inniges Verhältnis“ zu dem Kind. Sie sei stets „sehr kuschelig“ gewesen: „Ich hatte den Eindruck, sie hat die Nähe genossen.“ Er betonte ferner, grundsätzlich mit seiner Lebensgefährtin eine polyamore Beziehung geführt zu haben. Entsprechend hätten die beiden das Thema Sexualität auch offen ausgelebt. Einmal sei die Zwölfjährige beim Liebesspiel zufällig ins Schlafzimmer gekommen. Das Mädchen habe aber überdies anderweitig unangenehme sexuelle Erfahrungen gemacht, als Gleichaltrige aus dem Dorf bei „Mutproben“ übergriffig geworden seien.

Die Missbrauchstaten hatte nicht die Mutter, sondern die Oma aufgedeckt. Der 75-Jährigen war nach dem Duschen der Enkelin in ihrer Wohnung aufgefallen, dass das Mädchen sich selbst ungewöhnlich lange beim Abtrocknen zwischen den Beinen berührte. Darauf angesprochen, berichtete sie von den Erlebnissen mit dem Angeklagten. Die Seniorin schaltete daraufhin Familienmitglieder ein, später das Jugendamt und die Polizei.

Das hatte nicht nur juristisch weitreichende Folgen. Die Lebensgefährtin zog zeitnah aus dem gemeinsamen Haus aus und hat die Zwölfjährige seit rund eineinhalb Jahren nicht mehr gesehen, weil diese seitdem auf eigenen Wunsch bei ihrem leiblichen Vater lebt. Auch zur Oma gibt es keinen Kontakt mehr. Der Angeklagte, der selbst Vater ist, darf seitdem seine eigene Tochter nur noch in Gegenwart einer weiteren Person sehen. Die Verhältnisse in beiden Familien sind durch die Vorfälle insgesamt zerrüttet.

„Ich habe gedacht, es gefällt ihr“, argumentierte der 49-Jährige. Das Ganze tue ihm sehr leid. Wenn es ginge, würde er die Taten ungeschehen machen. Sein Verteidiger betonte, das Kind sei offenbar offen für sexuelle Themen gewesen. Von Zwang bei den Taten sei anfangs nie die Rede gewesen, sondern erst in den polizeilichen Vernehmungen. Vor Gericht wurde das Opfer nicht direkt angehört, sondern es fand im Vorfeld eine richterliche Vernehmung statt, die per Video aufgezeichnet und nun unter Ausschluss der Öffentlichkeit gezeigt wurde.

Richter Scheuermann betonte, auch wenn das Kind nicht Nein gesagt habe oder Zwang angewendet wurde, sei hier eindeutig eine Grenze überschritten worden. Positiv wertete er lediglich das Geständnis. / hd


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