250 Einsatzkräfte proben Katastrophe: Chemische Stoffe treten bei Großbrand aus

Neben dem simulierten Werkstattbrand übten die Einsatzkräfte den Umgang mit gefährlichen Stoffen. Um Leckagen an einem Tank kümmerten sich Spezialeinheiten der Feuerwehr.

Blaulicht
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Die Alarmmeldung an die Feuerwehrkräfte in Schlüchtern klang am Samstagmorgen zunächst wie Routine im Feuerwehralltag: Eine Brandmeldeanlage in einem Gewerbebetrieb hat angeschlagen. Nicht selten sind das Fehlalarme, immer aber müssen die alarmierten Kräfte vom Schlimmsten ausgehen – und Letzteres war am Samstag im Rahmen einer Großübung in Schlüchtern inszeniert worden.



In diesem Fall ging es um einen Großbrand in Verbindung mit dem Austritt gefährlicher chemischer Stoffe. Da kam es auf jede Sekunde an, um die Bevölkerung zu schützen. Das „Drehbuch“ hatte der Main-Kinzig-Kreis mit seinem Amt für Gesundheit und Gefahrenabwehr über mehrere Monate hinweg geschrieben und mit sehr vielen komplexen Teilkapiteln angereichert. Das hielt elf Einheiten und mehr als 250 Einsatzkräfte und Fachbegleiter für mehrere Stunden in Atem. Üben durften sie schwerpunktmäßig auf dem Betriebsgelände der Firma Progas, die es zu diesem Zweck extra zur Verfügung gestellt hatte.

Für Landrat Thorsten Stolz, der die Übung mitverfolgt hat, war das Zusammenspiel der Einheiten „beeindruckend schnell und von großer Professionalität geprägt“. „Es war ein Einsatz, der in dieser Dimension zum Glück das Prädikat außergewöhnlich verdient, in jedweder Hinsicht. Mit so großen Haupt- und Nebenszenarien haben die Feuerwehren und Hilfsorganisationen zum Glück so gut wie nie zu tun. Aber es ist außergewöhnlich, mit welcher Souveränität sie doch damit umgegangen sind. Mein Dank geht hier an alle Frauen und Männer, die einen kühlen Kopf bewahrt haben“, so Landrat Stolz.

Einen besonderen Dank gab es von Seiten des Landrats wie auch der Kreisbrandinspektion für das gastgebende Unternehmen Progas. Kreisbrandinspektor Markus Busanni bat generell um Verständnis, „dass es immer laut wird und wir natürlich immer Platz brauchen, um all diese Abläufe zu proben“. „Wir weichen daher wo es geht auf Flächen aus, auf denen wir andere so wenig wie möglich stören. Für die Übung eines Gefahrgutaustritts war das Gelände hier erstklassig geeignet, weil wir sogar ein Leck an einem Bahnkesselwagen inszenieren konnten, ohne dass wir die öffentliche Gleisinfrastruktur gebraucht haben“, erklärte Busanni. Für die Deutsche Bahn besuchte Notfallmanager Helmut Leckinger die Übung.

Und so lief das Szenario ab: Der Alarm der Brandmeldeanlage in einem Gebäudeteil von Progas entpuppte sich als größerer Brand, Personen waren im Gebäude vermisst. Betroffen vom Brand waren bald auch die Außenbereiche und Lagerbehältnisse mit Stoffen, die ein nennenswertes Gefährdungspotenzial besitzen. Es konnten gefährliche Stoffe in die Umwelt entweichen. Obendrein fielen vor Ort Pumpen aus, Löschwasser und Equipment mussten zum Einsatzort gebracht werden. Auf dem benachbarten Rasthof Distelrasen hatten die Einsatzkräfte einen Bereitstellungsraum zu errichten. Kurz gefasst: Die Komplexität dieses Einsatzes forderte sowohl die Kräfte am Brandort wie auch die Einsatzleitung in logistischer und planerischer Hinsicht stark heraus.

Die Einsatzkräfte dämmten die Gefahr ihrerseits aber fokussiert und weitgehend reibungslos ein. Mit ABC-Spezialeinsatzkräften rückten sie den Stoffen und der Leckage am Kesselwagen zuleibe, mit beherzten Löschangriffen dem eigentlichen Brand. Die Messgruppe, bestehend aus jeweils einem Messfahrzeug des Bundes und des Landes, fuhr auf Anweisung der Einsatzleitung definierte Punkte an, führte Messungen durch und meldete die Messergebnisse zurück. Löschwasser stand über Abrollbehältersysteme auch ausreichend zur Verfügung. Letztlich meldete die Einsatzleitung gegen Mittag: Brand gelöscht, Einsatzstelle übergeben, Übungseinsatz beendet. Zum Einsatz kamen Einsatzkräfte aus praktisch dem gesamten Kreisgebiet: Biebergemünd, Brachttal, Bruchköbel, Gelnhausen, Gründau, Langenselbold, Linsengericht, Maintal, Neuberg, Nidderau, Schlüchtern, Sinntal, Steinau und Wächtersbach.

„Für unser Unternehmen war das ein sehr spannendes Ereignis, von dem wir sicher noch lange sprechen werden“, sagte der Progas Bereichsleiter Technik, Uwe Uhlenbrok. „Für uns war es selbstverständlich, den Main-Kinzig-Kreis bei dieser Übung zu unterstützen. Bei der Anfrage mussten wir nicht lange überlegen. Am Ende ist es unser ureigenes Interesse, dass bei einem Störfall die Einsatzkräfte schnell und souverän agieren können.“

Unterstützt wurde die Untere Katastrophenschutzbehörde auch von der Deutschen Bahn, der örtlichen Polizeidienststelle, der Ordnungsbehörde der Stadt Schlüchtern sowie der Zentralen Leitstelle des Main-Kinzig-Kreises, denen Landrat Thorsten Stolz und Kreisbrandinspektor Markus Busanni ebenfalls dankten. Zudem besuchten einige Ehrengäste die Übung, darunter Schlüchterns Stadtrat Jürgen Heil und der Leiter der Schlüchterner Polizeidienststelle, Stefan Enders.

Für die detaillierte Auswertung nehmen sich der Main-Kinzig-Kreis und die beteiligten Feuerwehren nun die nächsten Tage Zeit. Ein erstes Zwischenfazit seitens des Amts für Gesundheit und Gefahrenabwehr fiel positiv aus. Landrat Thorsten Stolz bedankte sich für den fokussierten und professionellen Einsatz, der durch Temperaturen um den Gefrierpunkt und zeitweisen Schneefall zusätzlich erschwert worden war.

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Das Ausgangsszenario der Großübung: Eine Brandmeldeanlage in der Werkstatthalle der Firma Progas hat angeschlagen. Die Feuerwehr Schlüchtern hatte drei Personen aus dem Gebäude zu retten und den Brand einzudämmen.

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Neben dem simulierten Werkstattbrand übten die Einsatzkräfte den Umgang mit gefährlichen Stoffen. Um Leckagen an einem Tank kümmerten sich Spezialeinheiten der Feuerwehr.

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Landrat Thorsten Stolz (2.v.l.) begleitete den Übungseinsatz und äußerte sich hinterher mit großer Anerkennung für das Zusammenspiel der vielen Feuerwehrkräfte.

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Sicherheit geht vor – und muss geübt werden: Eine schnell aufgebaute Dekontaminations-Strecke half den Einsatzkräften sicher aus der Kleidung.

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Feuerwehrkräfte wie hier aus Steinau bauten umfangreiche Dekontaminationsstellen auf. Insgesamt kamen Feuerwehren aus 13 Kommunen zum Einsatz.

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Selten sind die Einsätze für ABC-Spezialeinheiten der Feuerwehr, umso wichtiger sind für sie daher Übungen wie am Samstag in Schlüchtern.


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