Und ja, man muss wie bei Zähnen und Brillen draufzahlen. Sei’s drum, was willst du machen, wenn du die Hilfsmittel brauchst? Also eine Brille ist für mich schon ein Segen. Mittlerweile habe ich zwei, eine zum Lesen und eine zum Fernsehen. Das ist schon ein echter Fortschritt, so eine Brille. Da gibt es nichts zu meckern. Gut, da gibt es noch Kontaktlinsen und Gleitsichtbrillen, also alles in einer. Wem es gefällt, warum nicht. Zum Beobachten von Menschen und Umgebung oder Flora und Fauna absolut zweckmäßig.

Flora und Fauna beobachte ich auch gerne. Das wirkt auf mich beruhigend und macht mir auch Spaß. Es kann einem zeigen, wie wunderschön doch unsere Pflanzen- und Tierwelt ist. Jetzt bei der Hitze aber nur bedingt. Da stell' ich den Vögeln lieber eine Schale Wasser hin und beobachte sie beim Baden. Da haben wir beide etwas davon. Überhaupt gehört natürlich zum Bild noch der Ton. Da kommt dann das Hörgerät ins Spiel. Ich kann mich noch erinnern, als mir mein HNO-Arzt Hörgeräte empfahl und ich mir welche anschaffte. Zuhause hörte ich plötzlich ein tiefschnaubendes menschliche Wesen. Erst dachte ich, es müsste noch jemand in der Wohnung sein. Dem war aber nicht. Die Schlussfolgerung war ernüchternd: Das war ich, mein eigenes schweres Ein- und Ausatmen. Das hätte ich nicht gebraucht, da hätte ich die Geräte schon abnehmen können.

Auch die Geräusche der am Fußboden schleifenden Hausschuhe waren meine. Das war ich. In die Freude, wieder besser zu hören, mischte sich Enttäuschung bei. So wirst du also wahrgenommen, das ist nicht gut. Was tun? Beim Aus- und Einatmen am Riemen reißen und beim Gehen gefälligst die Füße heben. Das wäre eine Lösung. Die andere, die pragmatische gefällt mir besser. Jedem, dem egal ist, was andere über ihn denken, macht das, was ich tat. Ich legte die Hörgeräte zur Seite. Und schon war der in Schlappen schlürfende tief atmende alte Mann aus der Wohnung verschwunden. Manchmal kann man etwas ganz einfach abstellen.

Beim Fernsehen wiederum ist es von Vorteil, wenn man zum Bild den Ton auch im Ganzen hört. Also Geräte wieder ins Ohr gesteckt. Im Außenbereich ist das für mich so eine Sache. Gut hören ist immer gut, aber bitte nicht jedes Wort. Ich brauche das nicht. Weder beim Bäcker, Metzger oder sonst wo. Es mag Menschen geben, die das brauchen, ich nicht. Da stehst du beim Metzger als Fünfter in der Reihe und hörst, wie sich vorne die Erste und Zweite über dich im leisen Ton unterhalten. Tenor: 'Guck, da hinne steht der Müller, ich denk, der wär schon tot. Ach na, der hott Krebs und lebt noch. Na, ja, wann der Krebs hätt, wer der schon längst tot.' Das lässt sich zwar toll erzählen, aber brauchen tue ich sowas nicht. Ich habe darauf übrigens der Verkäuferin freundlich mit den Worten zugewunken: 'Ich habe jetzt Hörgeräte und verstehe hier hinten jedes Wort.' Da verfielen die Damen in sofortiges Schweigen. Ich bin ihnen heute noch nicht Böse, sondern freue mich, wenn ich sie im Dorf sehe. So gerne ich den Menschen aufs 'Maul' schaue, so gerne höre ich auch weg. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Ei Gude, wie!

Zum Autor

Er sei ein waschechter Neuenhaßlauer, sagt er von sich selbst. Helmut Müller (70) ist in Neuenhaßlau als 4. von 7 Kindern geboren und ein typisches Nachkriegskind dazu. Seine Mutter Hessin und evangelisch, sein Vater Sudetendeutscher und katholisch, aber kein Flüchtling, sondern Kriegsgefangener, der nicht in seine angestammte Heimat zurückkonnte. Er wächst in einem 4 Generationen Haus mit den Eltern, sechs Geschwistern, Oma und Opa sowie Onkel und der Ur-Großmutter auf. Der Spielplatz war die Straße. In der Volksschule, die er mit dem Hauptschulabschluss beendete, war deutsch seine erste Fremdsprache die er lernen musste. In späteren Jahren hat er seine mittlere Reife und das Fachabitur für Wirtschaft und Verwaltung nachgeholt und das Ganze als Diplom Verwaltungswirt (FH) abgeschlossen. Er war in etlichen Vereinen aktiv. Man könnte ihn getrost als „Vereinsmeier“ bezeichnen. Er hat dabei fast alle Positionen, die ein Vorstand hat, begleitet. Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!


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