Wo ist da die Vernunft, frage ich mich

Ei Gude wie
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Sei doch vernünftig! Diesen Zuruf haben wir schon alle gehört. Er will uns auf den Weg der Tugend führen und vermeintlich vor Schaden schützen. Allemal in gesellschaftliche Normen zwängen.



Zur Vernunft gerufen wurden wir von Oma oder Mutter. Manchmal auch von Lehrerinnen. Immer waren es Frauen und immer meinten sie es scheinbar gut. Das ist zwar ein Klischee, aber Männer tun sowas doch seltener. Die Aussage beinhaltet etwa zu unterlassen oder zu tun, eben etwas Unvernünftiges. Es war und ist ein Appell an den Verstand. Wer oder was bestimmt eigentlich was vernünftig oder unvernünftig ist? Auf jeden Fall irgendwer, der glaubt, er sei dazu befugt und ganz wichtig, der weiß, was richtig und falsch ist. Als Kind hat man da kaum Chancen rauszukommen. Und wenn man wider besseres Wissen mit dem Unvernünftigen auf die Schnauze fällt, wird man meist mit der Belehrung "ich habe es dir doch gleich gesagt" abgespeist.

Ja, manchmal ist der Spielraum für eigene Erfahrungen recht eng. Dabei kann unvernünftiges Tun Spaß bereiten und Freude machen. Doch, was ist vernünftig oder unvernünftig? Vernunft bezeichnet in der modernen Verwendung ein durch Denken bestimmtes geistiges menschliches Vermögen zur Erkenntnis. Und Unvernunft ist der Mangel an Vernunft. So einfach ist das. Wir benötigen also die Erkenntnis, dass das, was wir machen wollen, vernünftig ist. Am meisten lernt man dabei aus eigener Erfahrung. Wer im Winter barfuß spazieren geht, holt sich immer kalte Füße und eine Erkältung. Richtige, an das Klima angepasste Kleidung ist immer von Vorteil. Das lernt man nicht automatisch, weil Mutter das sagt, sondern aus Erfahrung. Wer dabei auf Mutter gehört hat, könnte jetzt im Rückschluss merken, dass Mutter recht hatte. So geht es also auch. Auf Mutter hören.

Ja, Mütter meinen es doch meist gut mit den Kindern. Sie umsorgen sie, um Schaden von ihnen fernzuhalten. Dabei ist das wie bei allem im richtigen Leben: Es kommt auf die Dosierung an. Übertriebene Fürsorge macht keine vernünftigen Menschen. Eher verwöhnte Abhängige. Um zur Vernunft zu kommen, müssen wir alle unsere eigenen Erfahrungen machen. Das verläuft nicht immer gradlinig. So mancher hat erst erkannt, dass die Herdplatte heiß ist, als er sie mit der Hand berührte. Ich habe das Meiste aus meinen Fehlern gelernt. Dazu gehört freilich, dass man das auch erkennt. Das ist nicht nur im Kleinen so, sondern auch im Großen. Und dabei tun wir uns alle sehr weh. Zu sehen das etwas falsch ist und es trotzdem immer wieder zu tun, das ist menschlich. Trotzdem sollte man es abstellen. Auch ohne staatliche Eingriffe. Oft geht es aber ohne diese Eingriffe nicht.

Wir sind in Europa die Einzigen, die noch auf den Straßen rasen, obwohl allgemein bekannt ist, dass wir mit einem Tempolimit Sprit sparen und die Umwelt entasten könnten. Ich weiß, ein Apell an die Vernunft wird nichts erreichen. Leider! Dann muss, so finde ich, der Ordnungsstaat eingreifen und zum Wohle der Allgemeinheit, wie früher Mutter zur Vernunft rufen und notfalls mit Gewalt eingreifen. Ob aber unser Staat immer die richtigen mit Gewalt schützt, wird von so manchen bezweifelt.

Apropos Gewalt: Schauen wir nach Lützerath in NRW. Dort müssen unsere jungen Polizisten ihren Kopf für unseren Saat herhalten und für RWE das Dorf von Demonstranten räumen, damit der Braunkohletageabbau weiter geht. Wo ist da die Vernunft, frage ich mich. Ei Gude, wie!

Zum Autor

Er sei ein waschechter Neuenhaßlauer, sagt er von sich selbst. Helmut Müller (70) ist in Neuenhaßlau als 4. von 7 Kindern geboren und ein typisches Nachkriegskind dazu. Seine Mutter Hessin und evangelisch, sein Vater Sudetendeutscher und katholisch, aber kein Flüchtling, sondern Kriegsgefangener, der nicht in seine angestammte Heimat zurückkonnte. Er wächst in einem 4 Generationen Haus mit den Eltern, sechs Geschwistern, Oma und Opa sowie Onkel und der Ur-Großmutter auf. Der Spielplatz war die Straße. In der Volksschule, die er mit dem Hauptschulabschluss beendete, war deutsch seine erste Fremdsprache die er lernen musste. In späteren Jahren hat er seine mittlere Reife und das Fachabitur für Wirtschaft und Verwaltung nachgeholt und das Ganze als Diplom Verwaltungswirt (FH) abgeschlossen. Er war in etlichen Vereinen aktiv. Man könnte ihn getrost als „Vereinsmeier“ bezeichnen. Er hat dabei fast alle Positionen, die ein Vorstand hat, begleitet. Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!


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