Aus der Quarantäne: Interview mit Fredi Bobic

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Sportvorstand Fredi Bobic sieht sich in den zuletzt vollzogenen Schritten bestätigt, erklärt die neuen Arbeitsabläufe und setzt auf wohldurchdachte Entscheidungen.



Aus der Quarantäne heraus beantwortete der Sportvorstand von Eintracht Frankfurt die Fragen. 

Mit welchen Gefühlen wachst du angesichts der Corona-Thematik derzeit auf?
Fredi Bobic: "Weniger mit Angst, aber vor allem mit dem Gefühl der Ungewissheit. Am nächsten steht mir natürlich die Familie, das ist normal, sicher bei jedem der Fall und sollte auch so sein. Mir ist wichtig, dass sie weiter ihren Tätigkeiten nachgehen können und vor allem gesund sind! Das gilt für meine Eltern, die über 70 Jahre alt sind und damit automatisch zur Risikogruppe zählen, genauso, wie für meine Schwester, der es gut geht."

Wie geht es den beiden infizierten Spielern?
Fredi Bobic: "Ihnen geht es den Umständen entsprechend eigentlich gut. Es zeigen sich die typischen Symptome, aber es handelt sich um keinen kritischen Zustand. Bald liegen uns auch die restlichen Testergebnisse vor. Deshalb kann es möglich sein, dass noch der eine oder andere Spieler dazu kommt und es generell weitere Beteiligte erwischen wird – so wie bei jeder anderen Mannschaft auch."

Wie verpflegt und versorgt ihr die Junggesellen, vor allem die ausländischen, die jetzt in Quarantäne sind, mit Essen oder Einkäufen?
Fredi Bobic: "Einkäufe würden sich für die Jungs sicher noch schwieriger gestalten, weil sie wahrscheinlich erkannt werden und um Fotos gebeten würden. Deswegen haben wir seit vergangener Woche sichergestellt, dass die Jungs ihr Essen geliefert bekommen, das sich über eine eigens eingerichtete App bei unserem Mannschaftskoch bestellen lässt. Die Spieler nehmen unser Angebot sehr gut an, immerhin bleibt sportlergerechte Ernährung wichtig, denn die Zeit nach der Krise wird kommen."

Konnte die Infektionskette bei den Betroffenen zurückverfolgt werden?
Fredi Bobic: "Das ist gar nicht so einfach. Denn viele Kontakte gibt es ja auch unbewusst. Aber dadurch, dass wir uns in den letzten Tagen in einem geschlossenen Kreis bewegt haben, ist es etwas leichter gefallen. Wir haben nach dem Basel-Spiel gehandelt und die Mannschaft separiert. Diese Maßnahme erweist sich im Nachhinein als richtig. Wir können dadurch sehr gut die Kette zurückverfolgen und sind sehr transparent. Wenn ein Spieler infiziert ist und die ganze Truppe ihn zuvor gesehen hat, ist klar, dass alle in Quarantäne müssen."

Bekommen die gesunden Spieler in Quarantäne Ergometer oder andere Fitnessgeräte geliefert?
Fredi Bobic: "Ja, alle haben Fahrräder nach Hause geliefert bekommen. Unser Athletiktrainer hat gerade heute morgen Videos für das Training zu Hause eingestellt. Es gibt einen Plan und klare Vorgaben. Unabhängig davon haben die Jungs große Lust, ihren Körper fit zu halten und sich zu bewegen."

Bei Juventus gibt es Ärger, weil einige Profis trotz Quarantäne zu ihren Familien ins Ausland geflogen sind. Gibt es ein striktes Reiseverbot? 
Fredi Bobic: "Zunächst mal hat der Mensch seine Rechte: Man kann nicht alles vorschreiben. Wir haben bekanntermaßen schon in der letzten Woche gesagt, dass alle besser in Frankfurt und der Region bleiben sollten. Alle von uns halten sich daran, was sehr viel Disziplin erfordert."

Wie hält die sportliche Leitung während der Quarantäne Kontakt zu den Spielern?
Fredi Bobic: "Vergangene Woche konnten wir uns noch persönlich treffen, was natürlich einfacher war. Mittlerweile läuft das Meiste telefonisch ab. Wir, ob Adi Hütter, Bruno Hübner oder ich, sind für die Spieler und den Staff jederzeit erreichbar. Grundsätzlich ist alles sehr gut organisiert, dennoch stehen wir für Problemlösungen immer zur Verfügung. Gerade die jüngere Generation weiß ja bestens mit ihren Smartphones umzugehen und ist in den sozialen Medien sehr fleißig (lacht)."

Wie erträgt der Trainer die aktuelle Phase?
Fredi Bobic: "Für ihn ist es auch nicht leicht. Auch Adi ist nur ein Mensch und es ist logisch, dass ihn als Familienvater die Situation nicht kalt lässt, zumal er alleine in Frankfurt geblieben ist. Aber er geht professionell damit um, wie ohnehin alle Verantwortlichen, die die Zeichen der Zeit erkannt haben und es vorleben müssen, viele notwendige Dinge anders zu gestalten."

Wie stehst du zum Thema Gehaltsverzicht? 
Fredi Bobic: "Ich finde das Thema Gehaltsverzicht sehr spannend. Ich glaube, dass auch bei uns jeder seinen Beitrag leisten wird. Bei Eintracht Frankfurt und generell. Das ist ganz klar. Wir müssen jetzt schauen, wie es weitergeht. Wir als Verein müssen erst untersuchen, wie groß der noch nicht absehbare finanzielle Schaden am Ende sein wird. Die Spieler selbst haben von sich aus bereits positive Signale gesendet. Ich bin kein Freund von Schnellschüssen, kann aber mit Sicherheit sagen, dass jeder seinen Solidaritätsbeitrag leisten wird. Wir werden alles dafür tun, die Arbeitsplätze im Klub und im Fußball insgesamt zu sichern. Wir eruieren das aber seriös und ohne Druck. Wichtig ist, dass Eintracht Frankfurt und die Klubs überleben. Wir arbeiten im Vorstand mit Augenmaß."

Einige Virologen prognostizieren, dass frühestens im Herbst wieder Fußball gespielt werden kann. Was würde ein Saisonabbruch für den Klub und die Bundesliga bedeuten?
Fredi Bobic: "Ein Saisonabbruch wäre natürlich nichts Positives. Für alle Klubs und auch Eintracht Frankfurt wäre es ein wirtschaftlich hoher Schaden. Wir werden alles dafür tun und hoffen, dass wir auch weiter Fußball spielen können. Da geht es natürlich auch um Arbeitsplätze im Klub und drumherum. Fußball ist ein enormer Wirtschaftszweig. Außerdem wollen wir natürlich irgendwann unseren Beitrag dazu leisten, dass die Menschen auch wieder über andere Dinge sprechen als über das Coronavirus. Das macht ja auch den Sport aus. Aber es muss sicher und darf für die Gesundheit nicht schädlich sein. Ein Saisonabbruch würde sehr, sehr viele sehr hart treffen. Wie viele kleine oder mittelständische Unternehmen auch.

Wäre es nicht angemessener, gleich die Saison abzusagen, als darauf zu hoffen, eventuell in einem Hauruckverfahren durch Englische Wochen ohne Zuschauer im Mai und Juni in einem Rahmen der Wettbewerbsverzerrung die Saison zu Ende zu spielen? 
Fredi Bobic: "Ich glaube, dass es diesen Spielraum gibt. Nichtsdestotrotz sollte es unser Ziel sein, die Saison vorher zu Ende zu spielen. Sollte es anders kommen, gibt es sicher flexible Möglichkeiten, einen Spieler vertraglich über den Juni hinaus zu binden. In dieser Hinsicht sind nicht nur die Klubs, sondern auch die Bundesliga und die UEFA gefordert, weil derlei Maßnahmen das aktuelle Gesetz außer Kraft setzen würden."

Wie verhält es sich mit aktuellen Vertragsfragen, etwa bei Makoto Hasebe und Gelson Fernandes? 
Fredi Bobic: "Wir hatten im Vorfeld viele Gespräche geführt, müssen aktuell aber erstmal alle Szenarien durchspielen. Neue Positionen werden sicher zurückgestellt, geplante Dinge lange nach hinten verschoben. Deswegen gehen wir sehr gewissenhaft vor, weil niemand die Auswirkungen für den kommenden Transfersommer absehen kann. Umso glücklicher bin ich, dass wir viele Spieler mit langfristigen Verträgen in unseren Reihen haben und dahingehend gut aufgestellt sind. Eines ist auch klar: es wird ein ganz spannender Sommer in dieser Hinsicht – wenn wir wieder zum Fußball spielen kommen. Wenn du nicht zum Fußball spielen kommst, dann brauchen wir über Transfers nicht zu reden."

Droht dem gesamten Transfersystem sogar der Kollaps? 
Fredi Bobic: "Das sind legitime Fragen, die ich aus meiner Perspektive zum jetzigen Zeitpunkt – aktuell und heute - nicht beantworten kann. Es müssen sehr viele negative Dinge passieren, damit ein Transfersommer nicht mehr stattfindet. Es ist eben so, dass wir positiv und guter Dinge sind, dass wir wieder auf den Platz zurückkehren können und es ein halbwegs normaler Transfersommer wird. Wir sollten erst einmal schauen was passiert, bevor man sich Horrorszenarien ausmalt."

Gibt es täglich Austausch mit den Vorstandskollegen über die aktuelle Entwicklung? 
Fredi Bobic: "Natürlich. Es ist klar, dass ich mit Oliver Frankenbach und Axel Hellmann täglich Kontakt habe. Wir haben ständig Telefonkonferenzen und haben in unseren Kommissionen in der DFL ständig Konferenzen. Sowohl per Video und per Telefon. Wir versuchen all unseren Partnern die Situation klar zu schildern und auch das Beste daraus zu machen und möglichst positiv nach vorne zu schauen. Es ist auch eine Stärke des Fußballs positiv nach vorne zu schauen.“


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