Baracke 5, Zimmer 11: Buchpräsentation mit spanischen Gästen

Hanau
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Am 9. Juni 2023 fand in den Räumlichkeiten der Sonderausstellung ¿Angeworben-Angekommen?  die Präsentation der Übersetzung des Buches Barraca 5, Habitación 11 von Antonio Cantero Galisteo statt.



Im Buch beschreibt Pepe, das lyrische Ich, die Erlebnisse der ehemaligen spanischen Arbeitsmigranten, die zu Beginn der 60er Jahre nach Deutschland kamen, um in der elektrotechnischen Fabrik Brown Boveri & Cie (heute ABB) in Hanau-Großauheim zu arbeiten. Dem Autor ist in der Ausstellung ein eigener Bereich gewidmet. Sein Buch bildete eine wichtige Quelle für die Erforschung der Arbeitsmigration nach Großauheim und Hanau.

„Jenes Buch ist der Grund, warum ich heute hier im Namen der Familie, seiner Ehefrau, seiner Töchter und Enkel anwesend bin, ohne dies beabsichtigt noch gewollt zu haben, weil eigentlich ihm allein die Ehre gebührt.“

Mit diesen Worten richtete sich José Moreno in seinem Vortrag anlässlich der Präsentation der Übersetzung des Werkes Antonio Canteros, für das dieser im Jahre 2006 den Literaturpreis Premio Internacional Juan Valera erhalten hatte, einleitend an die zahlreich erschienenen Gäste. José Moreno ist der Schwiegersohn Antonio Canteros und reiste mit den beiden Töchtern des Autors, einem weiteren Schwiegersohn und dem Enkel Antonio Canteros aus der andalusischen Heimatstadt Cabra (Provinz Córdoba) nach Großauheim an. Der Autor des Buches, Antonio Cantero, verstarb an den Folgen einer Covid-19-Infektion im März 2021 in seiner Heimatstadt.

„Antonio fühlte sich Deutschland und seiner Zeit in Großauheim Zeit seines Lebens verbunden“, betonte Moreno, dessen spanischer Vortrag dem Publikum ins Deutsche übersetzt wurde. Im Jahr 2006 kehrte der Andalusier nach Deutschland zurück und besichtigte die Orte, die ihm in besonderer Erinnerung geblieben waren. Der Aufenthalt im Großauheim der frühen 1960er-Jahre stellte ihn jedoch auch vor Probleme, wie Antonio Cantero in seinem Buch betont:

„Wir Auswanderer lebten in unserem kleinen Kosmos und wir waren sehr abgeschieden von der Welt, die uns umgab, in der die Sprache eine große Barriere darstellte und welche nur wenige von uns erlernten.“

Der Titel des Buches Baracke 5, Zimmer 11 geht auf die Unterkunft zurück, die man den spanischen Arbeitsmigranten in der Nähe ihrer Fabrik zur Verfügung stellte. Sie lebten, wie Moreno in seinem Vortrag unterstrich, „fernab jedweden Komforts, den ihnen ihr spanisches Zuhause bot. Untergebracht waren sie in Baracken, die, auch wenn man sie im Laufe der Zeit mit einer gewissen Romatik betrachten und verklären könnte, nicht die Unterkünfte waren, die sie von zu Hause kannten.“

Darüber hinaus äußerten sich im Anschluss an die Rede des spanischen Gastes Wolfgang Hombach und Sebastian Saliger (beide Projektleitung und Redaktion) zum Übersetzungsprojekt und zur Zusammenarbeit mit der Stadt Cabra und der Familie Antonio Canteros. Nach der Begrüßung durch Dr. Martin Hoppe (Fachbereichsleiter Kultur,  Stadtidentität und Internationale Beziehungen der Stadt Hanau) und  Ortsvorsteher Reiner Dunkel hatten Elke Hohmann, Direktorin der VHS Hanau, und María José Wirth, eine der beiden Dozentinnen der Übersetzungskurse, ihre Erfahrungen bezüglich dieses – auch für die Volkshochschule – außergewöhnlichen Projektes geschildert. An der Veranstaltung nahm auch ein ehemaliger Bewohner der Baracke 5 teil: Rafael Moral Ávila blieb in Deutschland und lebt heute in Klein-Umstadt. Er war der letzte Zeitzeuge aus der Baracke 5, den man zu den Erlebnissen befragen konnte.

Auch wohnte – neben weiteren spanischen Gästen – Remedios Solano Rodríguez der Veranstaltung bei. Sie hat in Spanien, neben zahlreichen bedeutenden Literaturpreisen, 2021 auch den Premio Juan Valera gewonnen.

Im Anschluss an die Redebeiträge nahmen sich die spanischen und deutschen Gäste ausführlich Zeit, die Ausstellung – ein Gemeinschaftsprojekt der Lindenauschule mit den Hanauer Museen – zu begutachten.

Die spanischen Gäste blieben bis Montag in Großauheim. Am Tag nach der Veranstaltung wurden sie an all jene Orte Großauheims geführt, die auch im Buch von Antonio Cantero Erwähnung finden. Dabei wurden Zitate aus dem Buch verlesen und mit Hintergrundinformationen bereichert. Zu den besichtigten Orten gehörten u.a. der Ort, an dem sich die Baracken befanden, die ehemalige Fabrik der B.B.C, die St. Jakobuskirche oder das Gasthaus zum Engel.

Nach einem Besuch Seligenstadts und einem Ausflug nach Frankfurt endete das Programm der Spanier am Sonntag mit einem Abendessen in der spanischen Gaststätte „El Rincón“ in Großauheim. Die ursprünglichen Besitzer des Lokals gründeten in den 60er Jahren darüber hinaus den ersten spanischen Kulturverein (Club Recreativo Español) in Deutschland.  Am letzten Abend ihres Besuchs nutzten die Töchter Antonio Canteros die Gelegenheit, um mit der heutigen Besitzerin, Nicole Capote, für die Gäste des Lokals bei andalusischen Außentemperaturen spontan mehrere Flamenco-Tänze zu präsentieren.

Das Buch Baracke 5, Zimmer 11 ist in den Museen der Stadt Hanau für 12,95 Euro erhältlich.

Verfasser: Sebastian Saliger

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