Das Derby hat seine eigenen Gesetze. Das gilt immer dann, wenn die HSG Hanau und die HSG Rodgau Nieder-Roden in der 3. Liga Staffel Süd-West aufeinandertreffen. Am Freitagabend sahen über 800 Zuschauer ein extrem ausgeglichenes Spiel zweier gleichwertiger Mannschaften in der Hanauer Main-Kinzig-Halle, welches wie immer von großer Spannung und hoher Zweikampfintensität geprägt war. Obwohl Hanau kurz vor dem Ende noch einmal ins Hintertreffen geriet, sicherte HSG-Youngster Sebastian Hein mit seinem späten Ausgleich zum 31:31 (16:13)-Unentschieden den Grimmstädtern einen Punkt.
„Wir sind natürlich geknickt, weil wir heute über 60 Minuten nicht an unser Optimum gekommen sind“, sagt HSG-Cheftrainer Hannes Geist nach dem Spiel im Interview. „Wir haben zwar mutig gespielt, eine gute Abwehr gestellt und den Kampf angenommen, aber vielleicht haben uns hinten raus ein bisschen die Alternativen gefehlt.“
Rund um das prestigeträchtige Derby, um seinen Fans einen zusätzlichen Eventcharakter zu bieten. L’Osteria Hanau, die Restaurantkette für leckere italienische Küche am Freiheitsplatz trat als Spieltagspartner mit Glücksrad und einer Rabattaktion für HSG-Fans in Erscheinung. Neben Grillstand und Ergebnistipp sammelten die HSG-Verantwortlichen aber auch für den Guten Zweck: Nämlich für den Ausbildungswunsch zum „Clown Doktor im Klinikalltag“ einer Hanauer Krankenschwester.
In einer randvollen Hanauer Main-Kinzig-Halle sorgte der lautstarke Block von der Tribüne dafür, das von der ersten Minute an ordentlich Feuer in der Partie war und lieferte mit einer herausragenden Stimmung beste Werbung für den Handballsport mitten in der Hanauer Stadtgesellschaft. Auch der Hanauer Landtagsabgeordnete Heiko Kasseckert, Stadträtin Isabelle Hemsley und Bürgermeister Dr. Maximilian Bieri ließen sich das Handball-Highlight nicht entgehen.
Beide Teams gingen hohes Tempo, schenkten sich nichts und packten auch in der Abwehr kräftig zu. Dabei hatte Hanau nicht mit voller Kapelle in das Spiel gehen können. Kreisläufer Dziguas Jusys musste weiterhin pausieren und auch Dennis Gerst fehlte als Alternative auf der Mittelposition.
„Phasenspiel“ zweier gleichwertiger Mannschaften
Rein nominell trafen am Freitagabend zur Primetime der Tabellendritte (Hanau) und der Tabellenneunte HSG Rodgau Nieder-Roden aufeinander. Doch wer die Bezirksderbys der beiden Mannschaften kennt, der weiß, dass die Tabellensituation und der bisheriger Saisonverlauf dabei keine Rolle spielen. Dies bestätigte sich auch am 8. Spieltag der Saison 2024/25 erneut. Geist sprach später von einem „Phasenspiel“ seiner Mannschaft, die zunächst klar das Kommando in eigener Halle übernahm.
Einer der dabei immer voranging und sein Team in diesem wichtigen Spiel führte war Cedric Schiefer, der sich in jeden Zweikampf warf, acht Tore erzielte und nach einem Schnitt an der Stirn die letzte Viertelstunde mit Kopfverband absolvierte. Der 22-Jährige brachte die HSG Hanau in der 4. Minute auch mit 3:1 in Führung. Aus einer soliden Abwehr heraus, setzten Bergold, Braun & Co. immer wieder zu ihrem gefährlichen Tempospiel an und konnten die „Baggerseepiraten“ von Trainer Peter David so auf dem falschen Fuß erwischen.
Erste Halbzeit geht an HSG Hanau
Da auch Benedikt Müller im Hanauer Kasten in der Anfangsphase hellwach war, baute HSG-Kapitän Max Bergold den Vorsprung in der 10. Minute auf 8:5 aus und das trotz zwischenzeitlichem Ausgleich der Gäste. Der Vorsprung hatte bis zur Halbzeit bestand: Kreisläufer David Rivic, welcher bislang eine bärenstarke Saison spielt, wurde mustergültig in Szene gesetzt und markierte das 16:13. Abwehrkante Nils Schröder hatte im Innenblock zu diesem Zeitpunkt aber bereits schon seine zweite Zeitstrafe gesehen, was die Ausgangslage für die zweiten dreißig Minuten zusätzlich erschwerte.
Mit viel Schwung kam Hanau nach dem Seitenwechsel aus der Kabine und Schiefer erzielte auch das 18:14 (33. Minute) für die Gastgeber. Wenig später bediente Jan-Eric Ritter mit einem mustergültigen Pass Paul Hüttmann auf Rechtsaußen – das 20:18. Mit zunehmendem Spielverlauf wurden die „Baggerseepiraten“ nun aber stärker, auch da Hanau nicht mehr so resolut wie in den ersten 30 Minuten verteidigte. Simon Brandt und Johannes von der Au warfen für den Gast noch einmal alles nach vorne.
Beim 25:21 von Julian Fulda hatte der Vorsprung noch Bestand, doch als Hüttmann eine Aktion später (44. Minute) eine hart ausgelegte Zeitstrafe sah, kippte plötzlich das Spiel. „Ich glaube das war der Knackpunkt“, analysierte Geist später. „Wir agieren unglücklich und verlieren die darauffolgende Unterzahl mit 0:3. Das hat uns emotional geknickt.“ Nieder-Roden glich aus und ging danach sogar selbst mit 26:25 in Front.
HSG Rodgau Nieder-Roden wird im zweiten Durchgang stärker
Die Crunchtime hatte dann alles, was der Handball-Fan von einem Derby erwartet. Beide Fanlager verwandelten die Main-Kinzig-Halle in einen Hexenkessel. Die letzte Hanauer Führung beim 29:28 (54.) versetzte den Blauen Block noch einmal in Ekstase, doch die zweikampfstarke 6:0-Deckung der Gäste stellte die HSG nun zunehmend vor Probleme. Kurz zuvor hatte zudem Luca Braun, nach einem unnötig harten Einsteigen seines Gegenspielers, mit einer Schulterverletzung vom Feld gemusst. „Es kommen einfach für uns immer wieder Nackenschläge dazu, aber die Jungs haben das heute überragend gemacht“, so Geist, der seiner Mannschaft viel Lob aussprach. „Sie geben immer 100 Prozent.“
In die ohrenbetäubende Lautstärke hinein traf Nieder-Rodens Florian Stenger in der 58. Minute für die Gäste zur 31:30-Führung, doch Hanau ließ sich davon nicht beirren. Nach einem Ballgewinn lief der schnelle Konter über Bergold nach vorne. Die perfekte Vorbereitung für Sebastian Hein fand seinen Abnehmer und der HSG-Youngster traf für seine Farben noch zum laut umjubelten 31:31-Ausgleich (59.). Obwohl beide Mannschaften danach noch zu einer Offensivaktion mit jeweils einer Auszeit kamen, fand die Partie keinen Sieger. Der Hanauer indirekte Freiwurf nach Ablauf der Spielzeit landete in der Spielermauer.
„Vielen Dank an alle Zuschauerinnen und Zuschauer. Sie haben die Main-Kinzig-Halle zu einem absoluten Hexenkessel gemacht. Die Jungs hatten es einfach verdient, vor so einer Kulisse zu spielen“, so Geist. „Wenn man sich die letzten zehn Minuten des Spiels ansieht, dann haben wir heute einen Punkt gewonnen. Wir haben jetzt 12:4 Zähler, sind in der Tabelle immer noch vorne mit dabei. Das hätten uns viele nach der Partie gegen die Bergischen Panther sicher nicht zugetraut.“
Aufstellung HSG Rodgau Nieder-Roden: Wetzel, Hoepffner; Seidel (1), Wucherpfennig, Brühl (1), von der Au (3), Wunderlich, Roth, Stenger (4), Haus (7), Weiland, Hassler, Markert, Hoddersen (6/3), Schopper (2), Brandt (7).
Zeitstrafen: 12:6 Min. – Siebenmeter: 0/0:3/3. – Zuschauer: 845. – Schiedsrichter: Sven Ernst / Johannes Friedhoff.
Stimmen zum Spiel:
Marco Rhein (Sportlicher Leiter HSG Rodgau Nieder-Roden): „Am Ende haben wir die nötige Aggressivität und Emotionalität reingebracht. Das war der Weg zu diesem einen Punkt. Mit der Stimmung der Zuschauer auf beiden Seiten wurde das Spiel dann zu einem richtigen Derby. Die letzten Jahre hatten wir das Glück immer mal auf unserer Seite. Daher wäre es auch nicht fair gewesen, wenn wir heute hier wieder mit einem Tor rausgegangen wären. Wir können mit dem Punkt gut leben und nehmen ihn gerne mit.“
Cedric Schiefer (Spieler HSG Hanau): „Nieder-Roden hat uns das Leben heute schwer gemacht. Es war ein hektisches Spiel mit vielen Zeitstrafen. Das hat uns aus dem Rhythmus gebracht und wir wurden gegen Ende hin zu statisch im Angriff. Wenn wir beim 25:21 vielleicht schlauer sind und die Zeitstrafe nicht bekommen, dann hätten wir unseren Gegner besser auf Distanz halten können. Stattdessen beschäftigen wir uns mit anderen Dingen und konzentrieren uns zu wenig auf uns.“
Jan Eric-Ritter (Spieler HSG Hanau): „Wie schon im Vorfeld gesagt, spiegelt Nieder-Rodens momentaner Tabellenplatz nicht ihr Leistungsvermögen wider. Das war heute ein sehr ausgeglichenes Spiel. In der Phase nach dem 25:21 sind wir zu leichtfertig mit dem Ball umgegangen und haben nicht mehr konsequent genau abgeschlossen. Unser Gegner hat das ausnutzen können. Es war geil, dass wir mit dem letzten Wurf noch die Chance hatten das Spiel zu entscheiden. Leider hat das nicht geklappt.“
Theo Surblys (Spieler HSG Hanau): „Das sind die Spiele, für die wir fünf Mal die Woche in der Halle stehen. Es war einfach ein klassisches Derby, mit viel Dramatik und Spannung. Dabei wurde sich nichts geschenkt und es wurde vorne wie hinten hingelangt. Das Unentschieden tut uns weh, da wir die Chance auf den Sieg hatten. Genauso gut hätte es aber auch anders laufen können. Immerhin ein Punkt für uns.“