Woyzecks Wahnsinn auf der Bühne der Kreuzburg

Großkrotzenburg
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Eigentlich ist es schwere Kost - das Drama „Woyzeck“ -, das Autor Georg Büchner im Alter von 23 Jahren 1837 verfasste.



kreuzburg woyzeckkreuzburg woyzeck1Darin verarbeitet er das Schicksal des arbeitslosen Friseurs Johann Christian Woyzeck, der für den Mord an seiner Geliebten 1824 in Leipzig hingerichtet wird. Unter der erfahrenen Leitung von Carmen Weipert bringt der Kurs Darstellendes Spiel 11 des Franziskanergymnasiums Kreuzburg den Stoff überzeugend und mit Leichtigkeit auf die Bühne. Dabei gelingt es den jungen Schauspielern auf eindringliche Weise, die bedrückende Ausweglosigkeit des Johann Franz Woyzeck in einer ihm feindlich gesinnten Umgebung darzustellen, wobei sie unterstützend atmosphärisch stimmige Video- und Musiksequenzen sowie Nebel einsetzen. Geschickt integriert die Gruppe auch das Antimärchen vom Sterntaler, ironisch-stilisiert vorgetragen von Kaja Fichtl.

Ein gelungener Einstieg in das Stück schafft im Sinne des Dokumentartheaters der Prozess, in dem die historischen Fälle Schmolling, Dietz und Woyzeck verhandelt werden, wobei Richterin (Sophia Welzbacher) und Gutachterin (Isabelle Lorenz) den Tätern mit der Härte des Gesetzes begegnen. Der gepeinigte, zerrissene Woyzeck wird mit großer Intensität von Marius Streb verkörpert, im Figurensplitting unterstützen ihn ausdrucksstark Marius Scholze und Reda El Amraoui. Nachdem der Fokus auf Tat und Täter gerichtet ist, entwickelt die Gruppe in wirkungsvollen Bildern ihre Woyzeck-Interpretation mit vielen originellen Aktualisierungen unter Nutzung chorischer Elemente und des Figurensplittings, was die Eindrücklichkeit des Spiels verstärkt.

Hervorzuheben ist der amüsante „Mädelsabend“, an dem sich Marie (Sophia Fischer)und ihre Freundinnen über die wirklich wichtigen Themen wie Bikinifigur, Fitnessstudio und natürlich Männer unterhalten, dabei kommen bereits der attraktive Tambourmajor (Niklas Junker) und Maries wenig akzeptierter Freund Woyzeck (Marius Streb) ins Gespräch. Abwechslung soll der Besuch des Jahrmarkts bieten, in dieser Szene zeigen die Spieler ihre sportlichen Talente bei Akrobatik, Stelzenlauf und einer Capoeira-Einlage. Woyzeck wird dort als Akkordeon spielender Affe vorgeführt und somit schon seine inhumane Behandlung gezeigt.

Um seine Freundin Marie und das gemeinsame Kind überhaupt versorgen zu können, hetzt Woyzeck von einer Gelegenheitsarbeit zur nächsten. So wird er zur Versuchsperson für medizinische Experimente und gerät dabei an sadistische und menschenverachtende Doktorinnen (Caroline Hauenstein, Andrea Diehl, Jennifer Lieb, Vanessa Schösser und Violetta Wielpütz), die ihn im Rahmen ihrer Forschungen dazu zwingen, sich ausschließlich von Erbsen zu ernähren.Die Mangelerscheinungen treiben ihn langsam aber sicher in den Wahnsinn - sehr zur Freude der Ärztinnen, die über das Elend ihrer Versuchsperson in Entzückungsschreie verfallen. Großartig inszeniert ist hier die tragisch-komische Fütterungsszene. Doch damit nicht genug.

Marie betrügt Woyzeckmit dem eitlen und machohaften Tambourmajor und dieser schenkt ihr Ohrringe. Ihre Faszination über den Schmuck und spätere Reue über die Tat wird anschaulich in Spiegelszenen chorisch umgesetzt. Eine Glanzleistungder Gruppe stellt die köstliche Szene im Beautystudio Fool dar, wo der völlig überforderte Woyzeck in seinem Nebenjob zwischen der Frau Hauptmann (anzüglich-dominant:Sarina Stübinger) und weiteren ungeduldigen ihn beschimpfendenKundinnen bis zur Erschöpfung rastlos hin- und hereilt umDamenbeine zu rasieren, Nägel zu lackieren, Masken aufzulegen, Haare zu frisieren und Massagen zu verabreichen, wobei ihm die Übersicht zusehends abhanden kommt.

Woyzecks Erniedrigung setzt sich fort in der gemeinsamen sarkastischen Verspottungsszene wegen der Untreue Maries , in der sich die Doktorinnen und Frau Hauptmann verbünden. Auch sein Freund Andres (Pedro Alves-Zipf) versteht ihn nicht mehr, Woyzeck vermacht ihm sein weniges Hab und Gut, eine anrührende Szene. Nach und nach driftet Woyzeck ab in eine ganz eigene Welt,dominiert von Eifersucht, Wahnvorstellungen und brutalen Phantasien, er ist seinen Stimmen ausgeliefert, in beklemmender Weise umgesetzt durch das zunehmend stakkatohafte Sprechen des Chores (Stich tot!) und die beeindruckende Expressivität der Woyzeck-Darsteller. Schließlich brechen Aggression und Gewalt durch und Woyzeck tötet seine Marie in einem symbolischen Akt.

Lautstarker und langanhaltender Beifall war der verdiente Lohn nach schwierigen Probezeiten für eine beeindruckende Inszenierung, in der die jungen Schauspieler über sich hinausgewachsen sind.


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