Offener Brief an Vernunftkraft Main-Kinzig/Naturpark Spessart e. V.

Leserbriefe
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In einem offenen Brief wendete sich der Verein Vernunftkraft Main-Kinzig / Naturpark Spessart e. V. (BI) an den Geschäftsführer der Kreiswerke Main-Kinzig, Bernd Schneider. Nun antworten der Aufsichtsratsvorsitzende der Kreiswerke Main-Kinzig, Landrat Thorsten Stolz (SPD), Kreiswerke-Geschäftsführer Bernd Schneider und der Geschäftsführer der Versorgungsservice Main-Kinzig GmbH und der Naturenergie Main-Kinzig GmbH, Oliver Habekost, den Unterzeichnern Rolf Zimmermann (1. Vorsitzender) und Heinz Josef Prehler (Schriftführer).



Sehr geehrter Herr Zimmermann, sehr geehrter Herr Prehler,

in meiner Funktion als Geschäftsführer der Kreiswerke Main-Kinzig möchte ich, Bernd Schneider, im Einstieg die Frage aufwerfen, ob die Interpretation von Zahlen nicht zuletzt auch durch die eigene Sichtweise und Motivation beeinflusst wird? So werden wir in unserer gemeinsamen Stellungnahme später auch auf den unternehmerischen sowie den gesellschaftspolitischen Interpretationsansatz eingehen. Als Bürgerinitiative gegen die Windkraft im Spessart liegt es also zunächst nahe, dass Ihre vordergründige Motivation darin liegt, sich grundsätzlich gegen den Windkraftausbau im Spessart bzw. im Main-Kinzig-Kreis auszusprechen. Das ist nachvollziehbar und liegt „in der Natur der Sache“. Und so ist es dann auch nachvollziehbar, wenn Zahlenwerte in einen Zusammenhang gesetzt werden, um sie der eigenen Zielstellung zunutze zu machen. Vor diesem Hintergrund wird es uns, wie auch in den vergangenen sechs Jahren, nicht gelingen, eine gemeinsame Sichtweise zu erzielen. Wir möchten unsere Sicht der Dinge aber dennoch ein weiteres Mal transparent machen: Für Sie als Bürgerinitiative, für die politischen Gremien und vor allen Dingen für die Menschen, die im Main-Kinzig-Kreis leben. Die Kreiswerke Main-Kinzig als regionaler und kommunaler Energieversorger möchten die Energiewende vor Ort aktiv und nachhaltig mitgestalten. Aus diesem Grund haben wir uns seinerzeit entschlossen, uns auf die Ausschreibung von Windkraftpotentialflächen der beiden Kommunen Jossgrund und Flörsbachtal zu bewerben. Die deutlich verlängerte Projektlaufzeit sowie eine geringere Anlagenzahl als ursprünglich geplant, hat sich negativ auf die Wirtschaftlichkeit des Parks ausgewirkt. Aufgrund der hohen Standortgüte zeigen die Prognosen für den Windpark „Am Roßkopf“ aber eine positive wirtschaftliche Erwartung auf. Genau diese Prognose war Grundvoraussetzung des Aufsichtsrats dafür, dem Bau der Windkraftanlagen zuzustimmen. Insgesamt drei unabhängige Windgutachten legen das Fundament für die Ertragserwartungen. Die Erläuterungen unserer Berechnungsmethodik und -interpretation übernimmt an dieser Stelle der verantwortliche Geschäftsführer Oliver Habekost.

Oliver Habekost, Geschäftsführer der Versorgungsservice Main-Kinzig sowie der Naturenergie Main-Kinzig GmbH:

Insgesamt sechs Jahre habe ich das Windkraftprojekt „Am Roßkopf“ gemeinsam mit den Projektpartnern juwi AG und der Energieversorgung Offenbach AG (EVO) begleitet. Immer wieder haben wir intensive Prüfungen und Berechnungen vorgenommen, da sich die Rahmenbedingungen in dieser Zeit immer wieder verändert haben. Stabil blieben dabei die Prognosen für die technisch realisierbaren Winderträge an den realisierten Standorten. Aufgrund von Windmessungen und insgesamt drei unabhängigen Gutachten haben wir einen objektiven Prognoseansatz für die grundsätzlich zu erwartenden Winderträge ermittelt. Der in sämtlichen Kommunikationsmedien angesetzte jährliche Ertragswert in Höhe von rund 50 Millionen Kilowattstunden für den Windpark „Am Roßkopf“ beruht dabei auf der Verwendung des so genannten P-50-Wertes. Der P-Wert ist ein u. a. in der Windkraftbranche üblicher Wahrscheinlichkeitswert. Je höher der P-Wert ist, umso größer ist die Eintrittswahrscheinlichkeit der Größe, hier also des Windertrags. Während die Projektpartner EVO und juwi den branchenüblichen P-50-Wert heranziehen und man hier unter den Konsortialpartnern in einer einheitlichen Außenkommunikation bleiben möchte, pflegt der Kreiswerke-Konzern in der Kalkulation für seine Entscheidungsfindung tendenziell eher einen konservativ geprägten Bewertungsansatz. Hier wurde der P-75-Wert verwendet, bei dem die höhere Eintrittswahrscheinlichkeit dadurch entsteht, dass der Wertansatz entsprechend niedriger gewählt wird. Konkret liegt die Prognose für den Windpark „Am Roßkopf“ beim P-75-Wert in einer Größenordnung von rund 45 Millionen Kilowattstunden. Da die Winderträge eine Eingangsgröße für die Berechnung der Volllast-Stunden darstellen, ergeben sich insofern hier - schlichtweg mathematisch begründet - unterschiedliche Ergebnisse für die erwarteten Volllast-Stunden. Von daher ist der Rechenweg der Herren Zimmermann und Prehler auf Grundlage des P-50-Wertes nachvollziehbar und richtig. Der getroffene Rückschluss jedoch, dass folglich die Wirtschaftlichkeit des Projektes in Zweifel zu ziehen sei, ist falsch! Weiterhin setzt die BI bei ihrer Berechnung der Volllaststunden aber auch eine falsche Rechenbasis an. Die Nennleistung der 6 Anlagen beträgt 16,5 MW (2,75 MW x 6 Anlagen) und nicht, wie von der Initiative behauptet, 15 MW. Damit verschlechtert sie die Anlagenleistung bei ihrer Berechnung der Volllast-Stunden um 2,7 Millionen Kilowattstunden. Zudem lassen die Herren Zimmermann und Prehler bei ihrem Vergleich mit den Ansätzen des Fraunhofer Instituts einen wesentlichen Aspekt komplett außer Acht: In der zitierten Passage handelt es sich um Werte von Bestandsanlagen bis zum Jahr 2018. Mittlerweile hat sich die Anlageneffizienz durch den technischen Fortschritt deutlich erhöht, so dass die neuen Anlagen auch nach Einschätzung des Fraunhofer Instituts leistungsstärker sind. Das Institut geht hier von einer um 10 Prozent gesteigerten Leistung aus.

Wie bereits beschrieben, ist die höhere Ertragssteigerung aufgrund unserer effizienteren Anlagen bereits in der Renditeberechnung nach dem konservativen Planungsansatz ausgewiesen. Diese Berechnung wurde dem Aufsichtsrat als Beschlussfassung vorgelegt. Damit bleibt festzuhalten, dass es sich bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung der Naturenergie Main-Kinzig GmbH für den Windpark „Am Roßkopf“ um einen Bewertungsansatz handelt, der im Ergebnis mit einer positiven Wirtschaftlichkeit abschließt. Die von Bernd Schneider bereits erwähnten, von drei unabhängigen und renommierten Gutachterfirmen erstellten Windgutachten erfolgten alle nach den aktuellen Regelwerken und dem Stand der Technik/Wissenschaft. Zudem wurden die Winddaten im Vorfeld mittels eines Windmessmastes und Laser-gestützter Messungen (Lidar) am Standort über 12 Monate gesammelt. Sowohl die Rauigkeit des Geländes, sämtliche Abschaltverluste (genehmigungsrechtliche Einschränkungen), elektrische Verluste und alle anderen Leistungseinschränkungen wurden einkalkuliert.

Zu dem Ergebnis, dass die vorgestellten Prämissen und die daraus resultierenden Wirtschaftlichkeitsberechnungen plausibel und nachvollziehbar sind, kam dabei nicht nur der Aufsichtsrat der Kreiswerke Main-Kinzig. So ist es üblich, dass solche Projekte zu einem überwiegenden Anteil mit Fremdkapital finanziert werden. Im Rahmen der Kreditgenehmigung werden die Gutachten und Berechnungen daher auch von den finanzierenden Banken – unter Beratung von Fachunternehmen - gründlich geprüft. Wenn die Herren Zimmermann und Prehler mit ihrer Berechnungsinterpretation und den daraus gezogenen Rückschlüssen also richtig liegen würden, dann hieße dies quasi, dass auch das Bankenwesen Kredite an nicht kreditwürdige Projekte vergeben würde. Und wenn man sich die Motivation der Banken bei der Bewertung verdeutlicht, dann dürfte sie mit hoher Wahrscheinlichkeit darin liegen, nur dann zu finanzieren, wenn man eine Darlehensrückführung auch für realistisch hält: Und die ergibt sich eben aus der Erwartung einer ausreichenden Wirtschaftlichkeit.

Aufsichtsratsvorsitzender Landrat Thorsten Stolz (SPD):

Als Aufsichtsratsvorsitzender habe ich beim Windkraftprojekt eine sehr lange und intensive Beratung im Aufsichtsrat erlebt. Wir haben Chancen und Risiken des Projekts sorgfältig abgewogen und in mehreren Sitzungen intensiv darüber beraten. Im Ergebnis sind wir als Hauptgesellschafter zu der Einschätzung gelangt, dass das Projekt wirtschaftlich, aber auch gesellschaftspolitisch sinnvoll ist und wir damit wichtige Weichen für die Region stellen. Die von Einzelnen geäußerte Fundamentalkritik an der Windkraft in unserer Region ist hinlänglich bekannt. Ich halte es für falsch, die Windkraft pauschal zu verteufeln. Genauso wie ich es für falsch halte, alle möglichen Potenzialflächen zuzubauen. Wir müssen raus aus dem Schwarz-Weiß-Denken, das in der Regel rein ideologisch motiviert ist. Genau deshalb engagieren wir uns als Main-Kinzig-Kreis über unsere kreiseigenen Gesellschaften auch nur dort, wo dies von den Städten und Gemeinden ausdrücklich gewünscht ist. Genau dies trifft auf die Gemeinde Jossgrund zu. Unser Handeln im Main-Kinzig-Kreis ist durchaus eine Herausforderung: Einerseits neue Windkraftprojekte umsetzen, aber gleichzeitig auch eine Überbeanspruchung einzelner Städte und Gemeinden (beispielsweise die Gemarkung Schlüchtern mit rund 40 Anlagen) verhindern. Dieser Spagat ist notwendig, um die Energiewende von unten umzusetzen, größere Akzeptanz bei den Bürgern zu schaffen und gleichzeitig schrittweise den Anteil erneuerbarer Energien im Main-Kinzig-Kreis zu erhöhen. Ich will nicht die Diskussion um notwendige Speicherkapazitäten oder um den Ausbau von Leitungsnetzen breit ins Feld führen, aber deutlich machen: Windkraft ist ein Baustein von mehreren, um bei der Energiewende zu helfen. Grundsätzlich gegen Windkraft oder die Ziele der Energiewende zu sein ist erlaubt, man kann auch ein Freund von Atom- und Kohlestrom sein. Wir haben uns aber als Gesellschaft auf den Weg der Energiewende gemacht. Und der Main-Kinzig-Kreis trägt eine Mitverantwortung, um diesen Weg zu gehen und zum Ziel zu gelangen."

Für die Kreiswerke Main-Kinzig GmbH
Aufsichtsratsvorsitzender Landrat Thorsten Stolz (SPD)
Geschäftsführer Bernd Schneider
Geschäftsführer der Versorgungsservice Main-Kinzig GmbH und der Naturenergie Main-Kinzig GmbH, Oliver Habekost

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