Offener Brief an OB Kaminsky: Pioneer ist nicht kampfmittelfrei

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Nach dem neuerlichen Bombenfund auf dem Pioneer Gelände in Hanau-Wolfgang am Dienstag (wir berichteten) meldet sich VORSPRUNG-Leser Michael Neitzert mit einem Offenen Brief an den Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) zu Wort.



"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Kaminsky, so sehr ich Ihren vorsichtigen Umgang mit der Corona-Pandemie schätze, so sehr bin ich verwundert über Ihren offensichtlich völlig unverantwortlichen Umgang mit den Hanauer Neubürgern, den vielen Bauarbeitern auf dem Pioneer-Gelände und nicht zuletzt auch mit uns als mitbetroffenen Anwohnern in Hanau-Wolfgang. Wenn ich richtig gezählt habe, ist das inzwischen die fünfte gefundene scharfe Bombe seit Baubeginn auf dem Pioneer-Gelände und das gibt mir doch sehr zu denken.

Überall hier in der Bulau sind die Bombentrichter aus den Luftangriffen auf die damaligen Wehrmachtkasernen (=Pioneer) und die Pulvermühle sogar noch heute zu sehen. Jeder auch nur etwas geschichtskundige Hanauer und erst recht Sie als Oberbürgermeister konnten sich doch an den fünf Fingern abzählen, dass hier in der Gegend überall noch Kampfmittel im Boden stecken. Ich verstehe deshalb überhaupt nicht, dass nicht schon vor Kauf und Baubeginn eines solchen Millionenprojekts viel, viel sorgfältiger auf Kampfmittel untersucht wurde.

Am 11.10.2019, nach dem dritten Bombenfund, hat der Hanauer Anzeiger getitelt: „Kampfmittelräumdienst-Chef Dieter Schwetzler vermutet weitere Bomben auf Pioneer“. Spätestens im Oktober letzten Jahres war also auch nach Einschätzung eines Fachmanns klar, dass es sich nicht mehr nur um „Einzelfälle“ handelt konnte. Vielmehr musste sich allen Verantwortlichen der LEG und damit auch Ihnen, Herr Oberbürgermeister, geradezu aufdrängen, dass das gesamte Pioneer-Gelände mit Kampfmitteln kontaminiert ist - es wurde ja bisher nur ein Bruchteil des Areals überhaupt aufgegraben und das hat bis heute schon fünf 'Treffer' ergeben.

Dennoch wurde und wird pausenlos weitergebaut. Dass keine der Bomben unkontrolliert explodiert ist – da haben alle Beteiligten bisher wohl mehr Glück als Verstand gehabt. Spätestens im Oktober 2019 hätten also vernünftigerweise eine umfassende Erkundung des Geländes erfolgen müssen. Aus den erneuten Bombenfunden vom 24.06.2020 und von heute schließe ich aber, dass dies bis heute nicht passiert, ist, man ist wohl immer weiter nach dem Versuch- und  Irrtum-Prinzip verfahren. Verwunderlich, dass bei solcher Vorgehensweise bisher weder die Staatsanwaltschaft (Stgb §319- Baugefährdung) noch die Bau- Berufsgenossenschaft wegen offensichtlich unrichtiger Freigabeerklärung eingeschritten ist – so denn überhaupt eine vorhanden war.

Ich empfehle allen Verantwortlichen einmal die Lektüre des Merkblatts „Kampfmittelfrei bauen“ (http://www.kampfmittelportal.de). Richtig wäre, wenigstens jetzt – bevor tatsächlich Menschen von einer solchen 75 jahre alten unberechenbaren Weltkriegsbombe zerrissen werden - eine Spezialfirma mit einer umfassenden sog. „Phase B“ - Untersuchung dh. Technische Erkundung der Kampfmittelbelastung durch geophysikalische Ortung zu beauftragen. Auf dieser Basis ist dann eine belastbare Gefährdungsbeurteilung zu erstellen und eine vollständige Kampfmittelräumung "Phase C" durchzuführen.

Diese Sorgfalt sind die Verantwortlichen und Sie, Herr Oberbürgermeister, den Hanauer Bürgern in und um Pioneer schuldig. Man denke nur an die zu erwarteten vielen spielenden Kinder über Jahre und Jahrzehnte – nicht nur im Park, auch in der näheren Umgebung. Mit Blick auf die Streitigkeiten der LEG mit Wohnungskäufern sei noch angemerkt: So lange die Kampfmittelfreiheit des Pioneer-Geländes nicht vollständig und nachweisbar hergestellt ist, dürfte m.E. auch juristisch ein erheblicher Mangel der Eigentumswohnungen vorliegen. Wer will schon neben scharfen Bomben wohnen?"

Michael Neitzert
Hanau

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