"In seiner Pressemitteilung vom 21.8.21 beklagt der Verein Vernunftkraft MainKinzig, dass die People for Future nur in ihrer grünen Ideologie abseits der Realität zu leben scheinen, weil sie der Meinung sind, der Kreis tue zu wenig in Sachen Energiewende. Immerhin trage laut Vernunftkraft der Kreis die Hauptlast für die Energiewende in Südhessen. Im weiteren Verlauf der Pressemitteilung kommen die üblichen Schlagworte wie Infraschall, Lärm, Artenschutz, Immobilienpreise und natürlich auch, dass bei Flaute kein Strom mehr aus der Steckdose kommt. Auch die Abwanderung der Industrieproduktion und der Verlust von Arbeitsplätzen durch Windkraftanlagen wird nicht vergessen.

Auch wenn der Verein Vernunftkraft diese Litanei immer wieder herunterbetet, wird vieles davon nicht zutreffender: Der Infraschall ist viel geringer als von Windkraftgegnern behauptet, die vielzitierte Studie dazu wurde von der zuständigen Bundesbehörde (BGR) längst zurückgezogen, weil man sich um den Faktor 1000 verrechnet hatte. Die Lärmbelastung durch den Verkehr (Flug, Straße, Schiene) übertrifft in weiten Teilen des Kreises das Betriebsgeräusch einer modernen Windkraftanlage. Beim Arten- und Naturschutz hilft ein Blick in die Garagen einiger Windkraftgegner. Das schwere SUV und Vogelschutzdrähte auf den Dachbalken sind da überaus glaubwürdig. Ich wage sogar die Behauptung, dass es nur wenigen Mitgliedern des Vereins Vernunftkraft gelingt, Mopsfledermaus und kleine Hufeisennase sowie Schwarz- und Rotmilan zu erkennen und zu unterscheiden. Das hindert sie aber nicht daran, sie für ihre Stimmungsmache gegen Windräder zu instrumentalisieren. Angeblich sollen Millionen von Vögeln durch Windräder getötet werden. Laut Umweltbundesamt kommen bundesweit pro Jahr knapp 70 Rotmilane und Mäusebussarde durch Windkraftanlagen um. Der NABU schätzt, dass insgesamt 10.000-100.000 Vögel jährlich durch Windkraftanlagen getötet werden, das sind etwa 2 je Anlage. Demgegenüber stehen jährlich etwa 10 Millionen tote Vögel (BUND), die Verkehr und Stromtrassen verursachen. Tempolimit und mehr Erdkabel statt Freileitungen sind aber nicht auf der Agenda von Vernunftkraft zu finden.

Die Preise für Immobilien sind in den letzten 10 Jahren auch im Main-Kinzig-Kreis sehr stark gestiegen, trotz Windkraftanlagen. Alle wissenschaftlichen Studien zu diesem Thema konnten eine Preisminderung bei Immobilien durch Windkraftanlagen nicht nachweisen. Dass eine Windkraftanlage nur bei Wind Strom erzeugt, kann auch ich nicht leugnen. Aber dieses Problem lässt sich sich durch dezentrale Speicherung u.a. durch bidirektionales Laden von E-Autos und smarte Vernetzung vieler kleiner Stromerzeuger (Wind, Sonne, Wasser, Biogas) lösen. Die Konzepte dazu hat das Fraunhofer bereits in den 90er Jahren vorgelegt und kürzlich hat das EON Tochterunternehmen Innogy eine Studie hierzu veröffentlicht, die sogar soweit geht, dass ein weiterer Ausbau der Stromnetze nicht notwendig ist, wenn Strom dezentral erzeugt und gespeichert wird. Wieso der Ausbau der Windenergie allerdings zur Abwanderung der Industrieproduktion führen sollte, ist mir ein völliges Rätsel. Dass durch Maßnahmen zum Klimaschutz wie weniger Verkehr und mehr Elektromobilität auch Arbeitsplätze in traditionellen Industriezweigen verloren gehen, ist aber richtig. Allerdings ist so ein Vorgang durchaus normal in unserem Wirtschaftssystem. So hat die Einführung der EDV und die Automatisierung gleichermaßen Arbeitsplätze gekostet wie auch die Erfindung des Standardcontainers. Tausende Stenotypisten, Schauerleute und Fließbandarbeiter werden seitdem nicht mehr gebraucht. Dafür haben wir aber in vielen Bereichen einen eklatanten Fachkräftemangel, der laut Wirtschaftsverbänden den Wirtschaftsstandort Deutschland mehr gefährdet als jede Klimapolitik.

Zum Schluss der Pressemitteilung erwähnt Vernunftkraft MainKinzig natürlich auch noch die hohen Stromkosten in Deutschland und dass unsere Netzbetreiber ja glücklicherweise Systemschutzpläne in der Schublade haben. Es gibt vier große Netzbetreiber und vier große Energieversorger in Deutschland. Wenn wir nun alle anfangen, in kleinen, regionalen Anlagen Strom zu erzeugen - mit Windkraft, Solarenergie, Wasserkraft und diesen regional speichern und verbrauchen, wie soll dann das Geschäftsmodell dieser Vier mit ihrer marktbeherrschenden Stellung, mit Großkraftwerken und Stromtrassen weiterhin funktionieren? Und wie würde sich eine Vervielfachung der Anbieter in einer Marktwirtschaft auf die Preisentwicklung auswirken? Mit dem Lob für die vier großen Netzbetreiber macht sich der Verein Vernunftkaft MainKinzig nur zum willfährigen Lobbyisten der großen Energiekonzerne. An dieser Stelle komme ich nochmal auf den am Anfang erwähnten Vorwurf zurück, dass People for Future nur in ihrer grünen Ideologie abseits der Realität zu leben scheinen. Weltweit sagen zehntausende Wissenschaftler, dass wir viel zu wenig tun, um für unsere Kinder eine lebenswerte Welt zu erhalten. Das ist leider genauso Realität wie die durch die Erderwärmung verursachte Zunahme von Unwetterkatastrophen. People for Future kann also nicht allzu falsch liegen, dass auch der Main-Kinzig-Kreis zu wenig tue.

Was Vernunftkraft betrifft, kann ich aber durchaus eine erhebliche Diskrepanz zwischen Selbstdarstellung und Realität feststellen. Denn wenn für den Verein der Erhalt unser Natur- und Kulturlandschaft so wichtig ist, wie wollt ihr den Ausstoß von Kohlendioxid reduzieren? Wo bleiben Eure Vorschläge dazu? Wie wäre es mit regionalen Photovoltaik Netzwerken oder Kleinkraftwerken, die das Holz der heimischen Wälder nutzen und deren Abwärme in den umliegenden Gemeinden zum Heizen genutzt wird? Wie sehen Eure Ideen zum Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und zum Carsharing aus? Wie wäre es mit Bürgergenossenschaften als Einkaufsgemeinschaft für die Anschaffung von Phototvoltaik und Stromspeichern? Wie wäre es mit Konzepten zur regionalen Stromerzeugung, so dass wir ohne Großkraftwerke und neue Stromtrassen auskommen? Es gäbe so viel zu tun, wenn Vernunftkraft nicht nur Verhinderungskraft zugunsten der Stromlobby wäre."

Martin Hamburger
Linsengericht

Hinweis der Redaktion: Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe zu kürzen oder nicht zu publizieren. Online eingesandte Leserbriefe werden nicht direkt veröffentlicht, sondern zuerst von der Redaktion geprüft. Leserbriefe sind immer mit dem Namen und der Anschrift des Autors zu versehen und spiegeln die Meinung des oder der Autoren wider. Die E-Mail-Adresse zur Einsendung von Leserbriefen lautet Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.


Ihnen ist etwas Interessantes aufgefallen im Main-Kinzig-Kreis? Schreiben Sie uns an info@vorsprung-online.de


Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige

online werben

Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige

vogler banner

Anzeige

vogler banner

Anzeige

Online Banner 300x250px MoPo 2