Zukunft?

"Wir schreiben den 29.02.2055. Mit meinen 78 Jahren komme ich immer noch mühelos aus dem Bett, nachdem mich unsere 17. Version der 'Nestalex' wie jeden Morgen pünktlich um acht Uhr geweckt hat. Ich wundere mich immer noch über den seltsamen Namen, auf den sich damals bei der Fusion 2049 die Konzerne Amazon, Alphabet und Meta geeinigt haben. 

Aus dem Surround Lautsprecher ertönt ein seltsames Gekrächze eines per Zufall ausgewählten Radiosenders. Heute morgen scheint es einer der Sender zu sein, der um Punkt acht Uhr Nachrichten sendet: Genau wie früher die öffentlich rechtlichen, als es die noch gab. Die haben ihren Sendebetrieb mittlerweile eingestellt, nachdem im Jahr 2045 nach dem 127. Bombenattentat auf die GEZ Zentrale in Köln die Einnahmen versiegt sind. 

'Einen wunderschönen Guten Morgen an diesem 29. Februar!', tönt es aus dem Lautsprecher. Mir fällt sofort diese piepsige Stimme der jungen Dame auf, die hinter dem billigen Mikrofon im Homeoffice zu sitzen scheint. Dabei wird mir wieder bewusst, dass der 29. Februar schon lange nicht mehr an ein Schaltjahr gebunden ist und seit 2049 jedes Jahr existiert und wie ein normaler Wochentag gehandhabt wird. Die Regierungen haben weltweit beschlossen, diesen Tag im Kalender einzuführen, um ihre maroden Sozialsysteme zu stabilisieren und die Menschen einfach einen Tag länger arbeiten lassen zu können. Ich hatte noch Glück, und mir blieb der 29. Februar erspart, weil ich genau in diesem Jahr mit 73 Jahren endlich in Rente gehen konnte. 

Tja, in Rente gehen. Das ist heute auch nicht mehr das, was es einmal war. 894,31 Weltgeld Grundrente für alle. Heute ist Zahltag. Wie sagte doch einst Norbert Blühm? 'Die Rente ist sicher!'. Stimmt. Ist sie. Bis heute. Vielleicht hätte er damals auch dazu sagen sollen: '…nur die Höhe nicht!'.

Ich rolle mich also munter aus dem Bett und werfe einen Blick aus dem Fenster. Trüb und diesig, 7 Grad Celsius sagt mir mein iPhone 46 YXR. Da ist wohl der Verantwortliche bei der IWPPA (International Weahter Pre-Planing Agency) heute mit dem falschen Fuß aufgestanden und hat uns ein solches Mistwetter beschert. Der bekommt nachher gleich eine böse Bewertung auf der MPEP (META Personal Evaluation Platform). Vielleicht wird er dann ja bald abgesetzt und der / die / das Neue beschert uns dann auch mal am letzten Februartag ordentlich Sonnenschein und Freibadtemperaturen. 

Aus dem Lautsprecher unserer Nestalex ertönt die unsagbar hässliche Stimme unserer Kanzlerin Chantal-Jaqueline Baerbock-Habeck. Mir ist bis heute noch schleierhaft, wieso ausgerechnet die beiden sich vermehrt haben. 'NESTALEX AUS!', brülle ich, und die Stimme versiegt. Jetzt habe ich meine Frau geweckt, die verschlafen unter der Decke hervorblinzelt. 'Kaffee!', bekomme ich mit müden Augen entgegengeworfen. Ok, ich versuche mein Glück. 

Auf dem Weg in die Küche gehe ich extra langsam. Bloß nicht zu hastig bewegen. Meine Aufregung wegen der Stimme unserer Kanzlerin hat sich inzwischen zum Glück wieder gelegt. Trotzdem habe ich schweißnasse Hände. 

Angekommen in der Küche wische ich meine feuchten Hände an der Schlafanzughose ab und entscheide mich für den linken Daumen. Ein Druck auf den Touchscreen des hochmodernen Kaffeevollautomaten erweckt diesen zum Leben. Ich werde freundlich mit einem 'Guten Morgen Sascha!' begrüßt, die angenehme Stimme schafft jeden Morgen eine warme Atmosphäre. Ich stelle zwei Tassen unter den Auslauf, streiche sanft über den Touchscreen mit der Wahl von zwei ganz normalen Kaffee und starre gebannt auf das Display. Die Sanduhr dreht sich…

Nach etwa zehn Sekunden ertönt ein vertrauter Signalton, der mich an den 'Zonk' aus Jörg Draegers 'Geh aufs Ganze' erinnert. 'Tut mir leid, Sascha! Heute kein Kaffee für dich!', höre ich meine Kaffeemaschine mir ins Ohr säuseln. 'Dein Blutdruck heute morgen um 8:03 Uhr ergab eine Messung, die über dem von deinem Hausarzt zugelassenen Schwellenwert liegt. Ich kann dir stattdessen einen Tee anbieten!'. Im Display erscheint ein großer Haken und ein großes X. Widerwillig drücke ich auf den Haken und warte, bis die beiden Tassen mit entkoffeiniertem Bio China Pai Mu Tan Tee gefüllt sind. Enttäuscht stampfe ich mit den beiden Tassen wieder ins Schlafzimmer. 

'Sie hat es schon wieder getan!', sage ich zu meiner Frau, die mich wütend anschaut. 'Diese scheiß Kaffeemaschine hat es schon wieder getan!'. 'Du solltest mit deinem Hausarzt sprechen und den Schwellenwert erhöhen lassen!', wirft sie mir vorwurfsvoll entgegen. 'Ja, kann ich mich machen', antworte ich gelassen. 'Aber dann bekomme ich wieder Diskussionen mit dem Pizzalieferdienst, weil mein Doc mir dann wieder andere Schwellenwerte kürzt! Ich habe keine Lust mehr auf vegane, glutenfreie Biopizza!', antworte ich wütend. 

Wie gerne würde ich mich jetzt einfach nur aus dem Staub machen. Wenn das Wetter passen würde, mich auf meine alte Yamaha schwingen und ein paar Runden durch die Landschaft drehen. Meine Nachbarn sind ganz neidisch auf das 62 Jahre alte Ding, das ich behütet und gehegt und gepflegt habe. Und ja! Es ist ein Verbrenner. EIN VERBRENNER hab ich gesagt! Kann natürlich sein, dass nicht mehr viel Sprit drin ist. Aber mein alter Kumpel Holger hatte früher eine Tankstelle, und bevor diese den 48 Elektroladesäulen weichen musste, hat er die letzten paar Liter Sprit mit der Hand aus den Tanks gezapft. Kein Wunder, dass man jetzt für so einen 5-Liter Kanister 250 Weltgeld berappen muss. Alter Verwalter. Das waren früher mal 500 Euro! Wer kann sich das heute noch leisten???

Fortsetzung folgt vielleicht..."

Sascha Bauer
Gelnhausen

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