"Mit gemischten Gefühlen gehe ich dieses Jahr in die Weihnachtszeit. Am besten lassen sich diese mit Wut und Zuversicht beschreiben. Es macht mich wütend, dass im Jahr 2022, einem weiteren traurigen Rekordjahr in Sachen Hitze, Trockenheit und Waldbrände in Europa, Menschen für ihren legitimen zivilen Ungehorsam als Klimakleber und Kriminelle diffamiert werden. Allein die jüngste Meldung, wie viele Bakterien und Viren im auftauenden Permafrost darauf warten, auf den Menschen überzuspringen dürfte doch Warnung genug sein, dass diejenigen, die darauf aufmerksam machen, uns etwas Wichtiges zu sagen haben.

Es stimmt mich zuversichtlich, dass immer mehr Menschen die Dringlichkeit der Lage verstanden haben und alternative Wege finden, sich zu ernähren, zu wohnen oder mobil zu sein. Der Verbrauch tierischer Produkte in Deutschland geht zurück, neue gemeinschaftliche Wohnkonzepte werden ausprobiert und immer mehr (Lasten)Fahrräder prägen das Stadtbild. Es macht mich wütend, dass ich selbst bis vor einigen Jahren stark zur Gefährdung unserer Lebensgrundlagen durch Fleisch lastige Ernährung und viele Reisen beigetragen habe. Manchmal kommen mir die Tränen, wenn ich mit dieser Erinnerung meinen Kindern in die Augen blicke.

Es stimmt mich zuversichtlich, dass unsere Initiative People for Future Gelnhausen wächst und Menschen sich konkret vor Ort für die notwendigen Veränderungen einsetzen möchten. Unsere AG-Arbeit in den Bereichen Mobilität und Sonnenstrom liefert kompetente Unterstützung für Mensch, Politik und Verwaltung. Aktionen wie „Stadt der Zukunft“ auf dem Weihnachtsmarkt laden Mitbürgerinnen und Mitbürger zur Mitgestaltung ein.

Es macht mich wütend, wenn bei der Möglichkeit von wenigen Stunden Stromausfall im gesamten Winter das Schreckgespenst Deindustrialisierung heraufbeschworen wird, während unsere hohe Nachfrage in Deutschland die Energie in finanzschwächeren Ländern nahezu unerschwinglich macht. In Südafrika steht viele Stunden JEDEN Tag kein Strom zur Verfügung. Auf welchem Niveau diskutieren wir eigentlich?

Es stimmt mich zuversichtlich, dass viele Menschen begriffen haben, dass die aktuelle Inflation eine fossile Inflation ist. So viel wie möglich Energie einsparen sowie Wind- und Sonnenenergiegewinnung ausbauen sind das Gebot der Stunde, um günstige Energieversorgung sicherzustellen, frei von Autokraten zu werden und um uns und unseren Planeten nicht an die Wand zu fahren.

Es macht mich wütend, wenn Migration als Problem für Deutschland dargestellt wird. Die Geburtenrate ist so niedrig, dass kurz- bis mittelfristig nur mit einer Nettozuwanderung krasse Verwerfungen unseres Sozialstaates vermieden werden. Gleichzeitig trägt Deutschland durch seinen hohen materiellen und Energiedurchsatz maßgeblich bei zu den bekannten Fluchtursachen wie Versteppung durch Klimaerhitzung oder Kriege durch Ausbeutung von Rohstoffen.

Es stimmt mich zuversichtlich, dass immer mehr Menschen leichter durchs Leben gehen wollen, indem sie sich von Dingen befreien, die sie nicht brauchen oder nicht allein instand halten möchten. Das Teilen, das gemeinsame Nutzen von Autos, Lastenrädern, Bohrmaschinen etc. lebt auf. Organisiert über Plattformen zum Car-Sharing, über ehrenamtliche Initiativen oder einfache Chatgruppen in der Nachbarschaft.

Es macht mich wütend, dass meine Kinder nicht mehr in Kliniken versorgt werden können, weil das Gesundheitssystem überlastet ist. Gleichzeitig stecken wir Unmengen an Ressourcen und Arbeitskraft in das Bauen von Straßen, großen Häusern und großen Autos. Wir geben viel Geld aus, um das Nichtlebendige größer werden zu lassen. Pflegekräfte müssen viel leisten und bekommen wenig Geld, die Pflege des Lebendigen bleibt auf der Strecke.

Gleichzeitig besitzen die zwei reichsten Familien in Deutschland mehr als die „ärmere“ Hälfte der Bevölkerung. Jedes Jahr werden bis zu 400 Milliarden Euro vererbt, nur rund 2 % davon gehen an den Staat, 98 % an diejenigen, die sich das nicht selbst erarbeitet haben. Und dann wird über ein oder zwei Milliarden bei der Finanzierung des 49 € Tickets gefeilscht. Ernsthaft? Das war etwas mehr Wut als Zuversicht. Ich bin zuversichtlich, dass sich dieses Verhältnis im nächsten Jahr ins Positive umkehrt. Ich glaube es tut gut, über unsere Gefühle zu sprechen. So spüren wir, was uns wirklich wichtig ist. In diesem Sinne: frohe Weihnachten!"

Andreas Hlasseck
Sprecher der People for Future Gelnhausen

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