"Je länger ein Krieg dauert, je mehr unterliegt er einer Verschleißökonomie der öffentlichen Wahrnehmung insbesondere der Länder, die nicht direkt betroffen sind. Man nennt diesen Effekt 'ein flacher werdender Schrecken'. Dass neben der Unzahl ziviler Opfer (hier kann man eine fünfstellige Zahln annehmen) von beiden Seiten nicht gezählte oder nicht veröffentlichte Hundertausende gefallene und schwerverletzte Soldaten*innen hinzuzurechnen ind, davon muss man ausgehen. Ein Ende ist nicht abzusehen, das ist das Schlimmste. Jede Seite glaubt an ihren Sieg oder daran, dass sie sich solche Vorteile auf dem Schlachtfeld erkämpfen kann, dass ein Friedensschluss für sie günstig scheint.

Oder auch der Faktor, dass Interventionen dritter Staaten und des militärisch-industriellen Komplexes zu einer Weiterführung des Krieges raten bzw. darauf drängen. Das soll in der ersten Phase tatsächlich bezogen auf die Ukraine der Fall gewesen sein, als einerseits die 'Sonderaktion' Russlands auf Kiew zurollte und der britische Premier andererseits bei Selenskij einen Besuch abgestattet hat. Vielleicht werden dazu die Historiker mal Dokumente auswerten dürfen. Heute jedenfalls stehen die Dinge so, dass kaum noch bedeutende Geländegewinne erzielt werden können und die Gegner sich umklammernd ausbluten. Im Westen hat man das gute Gefühl auf der richtigen und moralisch überlegenen Seite zu stehen. Ohne übrigens Vorgeschichte, Zusammenhänge und Ursachen eingehender untersuchen zu müssen. Verstehen heißt nicht billigen. Eine Voraussetzung übrigens für einen 'gerechten' Friedensschluss am Ende. Da hatte man es bei den beiden Weltkriegen leichter.

Für jetzt können wir nur hoffen, dass Putin sich zurückhält, wenn er erklärt, mit der Freigabe weitreichender Raketen, die nach seiner Auffassung einen Eintritt der Nato in den Krieg bedeutet, da die Zielkoordinaten nur von den Spezialisten der Herstellerländer eingegeben werden können. So sehen das übrigens auch eine Reihe von Militärs. "Dieser Krieg endet nicht in der Ukraine", sagt der spanische Philosoph Cedillo. Man kann nur hoffen, dass er nicht Recht behält."

Jörg Sternberg
Hanau

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