Begeisternder Auftakt der "Sommerabende im Park" mit Christine Westermann

Bad Orb
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Christine Westermann kommt mit festem Händedruck, sympathischem Lächeln und rauer Stimme. Am Mittwochabend begeistert die Autorin, Moderatorin und Journalistin auf Einladung der Bad Orb Kur GmbH ein mehr als hundertköpfiges Publikum. Im Orber Gartensaal, denn obwohl die Lesung die Auftaktveranstaltung zur Veranstaltungsreihe „Sommerabende im Park“ ist, macht die Wetterprognose mit viel Wind den Plänen für einen Auftritt im Park einen Strich durch die Rechnung.



Was der guten Laune der Gäste und insbesondere der Geduld eines Autogrammjägers keinen Abbruch tut. Alexander ist passionierter Unterschriftensammler, hat schon etwa 50.000 Autogramme zu Hause – und wartet seit inzwischen sechs Jahren drauf, „endlich mal in erreichbarer Nähe die Christine Westermann zu treffen“. Von Würzburg ist er schon vor vier Uhr am Nachmittag angereist, kurz nach 19 Uhr erfüllt sich endlich sein Traum: Christine Westermann sitzt noch auf dem Beifahrersitz des VW-Beetle Cabrio, den ihr Ehemann und Agent Jochen Baller von Köln nach Bad Orb gelenkt hat. Der Autogrammfan nutzt die Chance und bekommt schon mal die ersten Unterschriften der Autorin, während Baller sich im Gartensaal mit Techniker Jens Kordt unterhält, den Platz für den Büchertisch inspiziert und anschließend nach einem geeigneten Parkplatz für die kommenden zweieinhalb Stunden Ausschau hält. Weitere Unterschriften auf Fotos werden nach der Lesung folgen.

Zuvor jedoch geht es erst mal auf die Bühne, auf der die Autorin von Andrea Euler begrüßt wird. Um „Die Familien der anderen. Mein Leben in Büchern“ wird es in den folgenden 75 Minuten gehen, das neueste Buch der aus Printmedien, Radio und Fernsehen bekannten Autorin. Die ersten Sätze allerdings kommen sehr sperrig aus dem Mund der Schriftstellerin: „Ich hatte im Januar eine schwere Lungenentzündung. Irgendwie ist die Stimme inzwischen ein bisschen angeraut“, erklärt sie dazu. Der Frau kann geholfen werden: Umgehend werden für Westermann von einem Gast etliche Hustenbonbons auf die Bühne geschickt. Zuckerfrei, versteht sich. „Ich lese mich ein bisschen ein. Die kommt gleich, die Stimme. Spätestens in einer Stunde“, scherzt die Autorin, die einräumt: „Lesungen sind für mich immer so ein bisschen Belohnung. Ich finde es so schön, jetzt in Ihre erwartungsvollen Gesichter zu sehen.“

Die Erwartungen werden nicht enttäuscht: Westermann erzählt von der Entstehung des Buches, das im November 2022 erschienen ist. Davon, dass es für sie kein „Lieblingsbuch“ gibt, sehr wohl aber „Bücher für Lebensphasen“. Davon, dass sie „auch gut mal was anderes machen kann“ außer dem Lesen. Etwa auf Netflix Filme sehen oder zu den Spielen vom 1. FC Köln gehen. „Oder einfach nur einen Abend vertrödeln, Essen, Trinken.“ Aber Bücher, so sagt sie, „gehören schon auch noch dazu“, zu ihrem Leben. Garniert werden die einzelnen Kapitel, die die 74jährige vorliest, von unterhaltsamen Anekdoten und einem Einblick in die rund 40 Buchempfehlungen, die ihr Buch beinhaltet. Im Plauderton erzählt sie von den „Quartettkollegen“ beim Literarischen Quartett, von denen sie für ihre Empfehlungen mehr als einmal „Prügel bezog“. Im blauen Shirt und ebensolcher Jacke und mit locker verschränkten Armen am Lesungstisch sitzend, erinnert sie sich daran, wie sie seinerzeit in der Jury des Deutschen Buchpreises dafür gekämpft hat, „dass auch unterhaltsame Bücher auf die Liste kommen“. Etwa wie in Großbritannien beim Man Booker Prize oder beim Pulitzerpreis. „Die machen keinen Unterschied zwischen E und U.“ Letztendlich sei sie mit ihrem Vorstoß jedoch gescheitert. Rückblickend schlussfolgert Westermann: „Noch heute denke ich manchmal, dass ich meine Buchempfehlungen mit noch mehr Emotionen hätte verkaufen können. Das mache ich im nächsten Leben, wenn ich dann nicht schon Intendant bin.“

Und sie lässt das Publikum teilhaben an ihren Erlebnissen auf ihren Lesereisen. Von „nervösen Veranstaltern“, die „fast schon an der Autobahnausfahrt warten“, weiß sie zu berichten, von „frauenbewegten Buchhändlerinnen“ und warmem Wasser als Getränk. Davon, dass im Vertrag stehe, dass es eine bodenlange Tischdecke geben müssen, „damit ich auch mal die Schuhe ausziehen kann“ während der Lesung. Von Bastkörben voller Müsliriegel und Kinderschokolade. Knoppers und Hanuta würden dann immer im Korb fehlen, wenn sie geht – eine Steilvorlage für Peter Schweigert von der wunderBAR Eventgastronomie, der die Gäste vor und nach der Veranstaltung mit Wasser und Cola, mit Aperol Spritz, Brezeln, Wein und Bier versorgt. Er überreicht der überraschten Autorin exakt diese Naschereien am Lesungsende. Und begeistert sie damit ebenso wie eine Besucherin, die von Westermanns Leidenschaft für regionales Bier weiß und ihr deshalb ein französisches Bier mitgebracht hat. Blumen gibt es schließlich vom Veranstalter.

Die Schlange am Büchertisch ist lang. Das gereichte Schlappeseppel schmeckt der Autorin, obwohl die Kombination mit dem Nachgeschmack der Hustenbonbons seltsam anmutet. Alle Signier- und Fotowünsche werden erfüllt, und auch Alexander bekommt noch einen großen Stapel Fotos mit Unterschrift. Man bleibe in Kontakt, verspricht die Autorin ihrem Fan. Sie selbst wird noch am selben Abend wieder von ihrem Mann nach Hause gefahren. Mit im Gepäck das erbetene Vesperpaket, das – anders als anekdotenhaft von anderen Veranstaltungsorten berichtet – weder Majo in Wraps enthält, in die man auf der Fahrt so herzhaft hineinlangen kann, noch klebrige Teriyaki-Soße. Leckere Brötchen, Süßes und Äpfel sorgen für beste Verpflegung auf dem Heimweg, der gegen Mitternacht bewältigt ist.

Die nächste Veranstaltung der Reihe findet am Samstag, 8. Juli, im Kurpark in Bad Orb statt: Nicola Förg stellt um 19.30 Uhr ihren Krimi „Dunkle Schluchten“ vor.

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