Nicola Förg: Von Bruderhähnen und großer Hitze

Bad Orb
Typographie
  • Smaller Small Medium Big Bigger
  • Default Helvetica Segoe Georgia Times

Früh ankommen, früh wieder abreisen, dazwischen „Bad Orb in einem Nachmittag“ und eine unterhaltsame, spannende Lesung: Nicola Förg kommt am Samstag mit dem Auto aus dem Allgäu und nutzt die Zeit zwischen der Ankunft am frühen Nachmittag und der Lesung am frühen Abend für einen Besuch des Gradierwerks, einen Gang durch den Kurpark und „einmal schnell durch die Fußgängerzone“.



Und für die Entscheidung, dass die Veranstaltung hitzebedingt nicht wie geplant und angekündigt im Kurpark vor der Konzertmuschel stattfinden soll, sondern im Gartensaal. Wobei: So ganz klar wird das an diesem Abend nicht mehr, wer das entschieden hat.

Klar allerdings ist, dass ab Viertel vor sieben Tontechniker Andreas Jasny bei einer Temperatur von knapp 30 Grad das technische Equipment von der draußen aufgebauten Bühne ins Halleninnere zu tragen beginnt. Während die Autorin, deren Lesung aus dem Alpen-Krimi „Dunkle Schluchten“ das Programm „Sommerabende im Park“ fortsetzt, mit den ersten Gästen ins Plaudern kommt, baut Buchhändlerin Carola Willmann von der Wächtersbacher Altstadt Buchhandlung Dichtung & Wahrheit den Büchertisch auf. Und verscheucht Boston Russell Hündin Hedwig (Hedy) aus den Blumen in der Saalmitte, der das Aufgraben der Erde diebische Freude bereitet.

Ein letztes Getränk von der wunderBAR Eventgastronomie wird geholt, dann geht es um halb acht nach einer kurzen Begrüßung von Andrea Euler los mit der Veranstaltung, die nicht nur eine Krimilesung, sondern zugleich ein inniges Plädoyer gegen die industrielle Haltung von Hühnern beinhaltet. „Wir müssen raus aus der Massentierhaltung“, so die engagierte Forderung der Autorin, die in ihren Büchern immer wieder mit Umwelt- und Tierschutzthemen reüssiert. Und dafür sogar Tierschutzpreise einheimst. Oder – etwa mit dem aktuellen Buch – von einem Einkaufsverband von Biobetrieben eingeladen wird, der herausfinden möchte, wie es der 60jährigen Schriftstellerin gelingt, so ein sperriges Thema wie das der „Bruderhähne“ verständlich einer großen Leserschaft zu vermitteln.

Es ist der 14. Band der Alpen-Krimi-Reihe rund um die beiden Kommissarinnen Irmi Mangold und Kathi Reindl, in dem es um mysteriöse Morde, ein verschollenes Fresko – und eben die Spur in das Thema „industrielle Tierhaltung“ geht. „Wobei ich das Wort Regionalkrimi sowieso net mag“, wie Förg in ihrem prägnanten Dialekt ausführt. „Diese Serie ist tatsächlich eine, die deutschlandweit gelesen wird, weil die Themen alle betreffen.“ Der Erfolg gibt ihr recht: Regelmäßig sind die Krimis nach Erscheinen unter den Top Ten der Spiegel-Bestseller zu finden. Die Handlung findet ihre wichtigsten Stätten in einer pittoresken Schlucht von Sant'Anna und reicht bis zur dramatischen Partnachklamm. Irmi Mangold wird konfrontiert mit ungewöhnlichen Mordmethoden und außergewöhnlicher Gier und Skrupellosigkeit. Bruderhähne, Hühnerzucht, Kükenschreddern – nicht nur die Morde sorgen für Grausen. An einigen Textstellen lässt Förg ihr rund 50köpfiges Publikum teilhaben, bevor sie nach einer Stunde abschließt mit den Worten: „Auf die Brüder dieser Welt, auf dass sie brüderlicher werde.“

Der Applaus aus dem Publikum: Nur eine kurze Unterbrechung, denn die Gäste haben etliche Fragen und Anmerkungen mitgebracht. Etwa ein Paar vom Starnberger See, dass sich für eine Szene mit Stand Up-Paddling begeistert und sich für die Recherchemethoden Förgs interessiert. „Ich recherchiere immer vor Ort“, so die Autorin, die zudem als Reisejournalistin arbeitet. „Ich kann net morden, ohne dass ich da war. Google Maps ersetzt niemals die Augen. Die Details bekommt man nur, wenn man vor Ort war.“ Zudem verlasse sie sich aber auch auf Profis: „Ich habe immer gute Leute am Start, damit es auch authentisch ist und auch stimmt. Sonst ist das auch für den Leser wahnsinnig unhöflich. Da bin ich schon sehr stark Journalistin.“ Ihren „psychotischen Kunstlehrer“ im damaligen Leistungskurs macht sie verantwortlich dafür, dass „ich selber keine Malerin bin“. Sie habe ihm deshalb in „Wütende Wölfe“ eine lange psychologische Betrachtung gewidmet.

Auch als Empfehlungsliste möchte sie die Lokale verstanden wissen, die in ihren Büchern vom „Hasen“, wie Irmi Mangolds Partner Fridtjof Hase immer kurz genannt wird, aufgesucht werden. „Der hat echt Geschmack, die Restaurants gibt es alle in echt. Man kann ihm da blind vertrauen.“ Auf Nachfrage verrät Förg zudem, dass ihre Protagonistin nach dem 15. Fall, der im Februar 2024 erscheinen wird, in Rente gehen wird. „Sie ist 65 und überstantig inzwischen“, wie sie ausführt. Sie höre aber nur als „festangestellte Beamtin auf“, es gebe keinen Serientod. Und da Förg, wie sie selbst sagt, auch das Problem „Schreibblockade“ nicht kennt, darf von weiteren Fortsetzungen ausgegangen werden.

Eine Fortsetzung des unterhaltsamen Abends, der mit Fotos, Signieren und dem Verzehr der letzten Laugenbrezel einhergeht, die Filip von der wunderBAR für sie aufbewahrt hat, findet schließlich dann doch noch im Kurpark statt. Mit Heidi und Lisa, die aus der Nähe von Würzburg angereist sind und Förg bereits seit mehr als einem Jahrzehnt kennen. Wegen des Reitens kamen sie damals auf den Ponyhof Prem, den Förg mit ihrem Mann Lutz Rudat betreibt. Seither sind sie befreundet – und luden die Autorin noch auf einen Aperol Spritz auf den Hallenvorplatz ein. Bis Viertel nach zehn wurde es dort noch anekdotenreich mit Geschichten von Schlüsselcodes in Air B&B-Unterkünften, Staus auf der Fahrt, mangelndem Licht und wackligen Campingtischen bei Lesungen. Aber auch davon, dass Förg als ersten Zuhörer immer zunächst einen ihrer Hunde hat – und als erste Leserin ihre Lektorin. Viel Gelächter ist noch zu hören, auch der Techniker gesellt sich noch zur Runde. Und nach einer kurzen Nacht geht es auf den Heimweg. „Der frühe Vogel fängt die leere Autobahn“, freut sich die Autorin, schon um halb zehn am Morgen wieder auf ihrem Hof in Prem am Lech zu sein. Nach Bad Orb, sagt sie, kommt sie jederzeit gerne wieder.

foerginbadorb az

foerginbadorb az1

foerginbadorb az2


Ihnen ist etwas Interessantes aufgefallen im Main-Kinzig-Kreis? Schreiben Sie uns an info@vorsprung-online.de


Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige

online werben

Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige

vogler banner

Anzeige

vogler banner

Anzeige

Online Banner 300x250px MoPo 2