Medizinische Versorgung: Hausarzt Dr. Bonin schlägt Alarm

Biebergemünd
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In Sorge um die aktuelle und künftige medizinische Versorgung meldet sich der jüngste der drei verbliebenen Hausärzte der 8.400-Seelen-Gemeinde Biebergemünd zu Wort, der 60-jährige Dr. med. Thomas Bonin, der die letzte Praxis im „Obergrund“ seit über 20 Jahren betreibt. „Bis 2000 waren in Bieber noch vier  Kassenärzte tätig,“ berichtet er.

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Seit Jahren würden die drei Fraktionen der Gemeindevertretung, CDU, SPD und Freie Wähler, betonen, sie wollten gemeinsam mit Bürgermeister Manfred Weber (Parteilos) mit Hilfe diverser Planungsbüros und unter Einbeziehung der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung Hessen die ärztliche Infrastruktur in Biebergemünd verbessern. Auch aus den Wahlprogrammen aller Parteien würden vollmundige Absichtserklärungen "tönen".

„Aber wo sind die Taten?“, empört sich Dr. Bonin. „Ich habe seit Beginn die gemeindlichen Sitzungen und Ausschüsse begleitet.“ Man habe anfangs versucht, die Ärzte unterm Dach eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) zu vereinen, habe aber sukzessive Absetzbewegungen aller (anfangs noch drei) Ärzt*innen in Kassel und Wirtheim zur Kenntnis nehmen müssen. „Kein Kennzeichen für ein attraktives Zukunftsmodell,“ meint Dr. Bonin. Dennoch habe man einen privaten Investor gefunden und könne sich ein Gebäude in Nähe zum Rathaus in Kassel vorstellen. Dazu werde nun die Raumplanung wohl ohne sachverständige Beteiligung der aktiven örtlichen Ärzteschaft oder möglicher künftiger Miet-Interessenten stattfinden.

"In Bieber, dies wissen die gemeindlichen Mandatsträger, wird ein Ärztehaus für zwei Kassenarzt-Sitze geplant. Es soll in der Biebertalstraße direkt gegenüber der Grundschule entstehen, optimal an den örtlichen Busverkehr angebunden. Schnell und unbürokratisch, so hieß es immer, soll hier geplant und gebaut werden. Aber: Neun Monate nach der Bauausschuss-Sitzung und vier Monate nach der Abstimmung eines Miet-Vorvertrags zwischen Verwaltung der Gemeinde und mir ist offenbar  in den politischen Gemeindegremien das Engagement erlahmt. Irgendwo sitzen ganz offensichtlich Bremser“, kritisiert der Arzt: „Erzähle ich meinem Weiterbildungs-Assistenten, wie schleppend das läuft, sehe ich nur Kopfschütteln.Ich habe mich wiederholt angeboten, die Planungsphase produktiv mit zu unterstützen, weil ich in diesem Ärztehaus die Zukunft für Bieber sehe.“

Dr. Bonin, der sich als Akademische Forschungs- und Lehrpraxis der Goethe-Universität Frankfurt aufgestellt hat und (auch aktuell) Allgemeinärzte weiterbildet, sieht bei dieser Behäbigkeit die Zukunft der medizinischen Versorgung vor Ort bedroht, „und das erfolgt sehenden Auges. Man muss die Initiativen in Nachbarstädten und Gemeinden mit der Trödelei von Biebergemünd vergleichen: Wie will man denn die nächste Ärztegeneration für unsere Gemeinde interessieren?“

Es bleibt aus seiner Sicht unverständlich, weshalb man einerseits wohlfeile Wahlprogramme unters Volk bringt, andererseits aber die Verwaltung offenbar im Gemeindevorstand oder vor kurzem noch mit dem CDU-Vorstoß „Arztpraxis aufs Dach vom Sportlerheim“ in der Gemeindevertretung ausbremse. Bonin: „Wir sind nur noch drei Hausärzte. Man muss zügig attraktive Bedingungen für junge Nachfolger*innen schaffen. Ohne attraktive MVZ- Strukturen und Gebäude, ohne eine verjüngte Ärzteschaft sind Biebergemünds Einwohner sonst bald schlecht dran.“


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