Enttäuschung in Biebergemünd: Vollsperrung der B276 in Sommerferien bleibt

Biebergemünd
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Die Gespräche über die in den Sommerferien geplante Vollsperrung der B276 zwischen Bieber und Roßbach gehen in die nächste Runde. Um den aktuellen Stand der Dinge zu erörtern, trafen sich nun Vertreter der Petitionsgruppe mit Landrat Thorsten Stolz (SPD), Bürgermeister Matthias Schmitt (parteilos) und Mitarbeitern der Gemeindeverwaltung im Biebergemünder Rathaus.

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Dabei standen, nachdem durch erneute verbindliche Rückmeldungen seitens des Landes Hessen jetzt klar ist, dass es zu einer Umsetzung der Vollsperrung während der Bauarbeiten kommen wird, vor allem Teillösungen im Mittelpunkt, um über die Nutzung eines Wirtschaftsweges die Anbindung der Ortsteile Bieber und Roßbach beispielsweise an den ÖPNV (Öffentlicher Personennahverkehr) sowie die Nutzung des Weges für die öffentliche Daseinsvorsorge sowie eine pflegerische und medizinische Versorgung zu gewährleisten. Dafür setzen sich Bürgerinitiative, Gemeinde und Kreis nun gemeinsam ein, in konstruktiver Abstimmung mit Hessen Mobil.

Landrat Stolz hatte in Abstimmung mit Bürgermeister Matthias Schmitt den hessischen Verkehrsminister Al-Wazir in einem Schreiben aufgefordert, nochmals intensiv prüfen zu lassen, ob eine Vollsperrung der Bundesstraße vermieden werden könne. Daraufhin sind vor einigen Wochen die Vertreter der Petitionsgruppe zu einer ausführlichen Erörterung der Sachlage bei Hessen Mobil eingeladen worden. Die Straßenverkehrsbehörde des Main-Kinzig-Kreises sowie Bürgermeister Schmitt waren beim Gespräch anwesend. Zentrale Botschaft: Alle erneuten Prüfungen der Fachbehörden kommen zum Ergebnis, dass eine Vollsperrung weiterhin als alternativlos angesehen werden muss. „Zur Errichtung von Verkehrsführungen im Rahmen von Straßenbaustellen gibt es verschiedene unverzichtbare Anforderungen, die im Sinne der Verkehrssicherheit und Unfallverhütung zwingend einzuhalten sind. Vor dem Hintergrund des Arbeitsschutzes sind neben dem eigentlichen Arbeitsbereich zusätzliche Sicherheitsabstände einzuhalten. Die Sicherheitsanforderungen zum Schutz der Verkehrsteilnehmenden und des eingesetztes Arbeitspersonals haben sich in den letzten Jahren deutlich verschärft, sodass aufgrund der örtlichen Gegebenheiten Vollsperrungen unter den aktuell geltenden Maßnahmen oftmals unvermeidbar sind“, zitiert Landrat Stolz aus dem Antwortschreiben des Hessischen Verkehrsministeriums. Und weiter: „Die Randbedingungen an der B276 bei Biebergemünd lassen für den Durchgangsverkehr leider keine Alternative zu einer Vollsperrung während der Sommerferien zu.“

„Seitens der Gemeinde Biebergemünd sind viele Gespräche geführt worden, ein Rechtsgutachten beim Hessischen Städte- und Gemeindebund wurde eingeholt, eine Ortsbegehung mit der Polizei und Vertretern der Kreisverkehrsgesellschaft durchgeführt“, berichtet Bürgermeister Matthias Schmitt. Dabei sei es zuvorderst um die Frage gegangen, inwieweit der parallel zur Bundesstraße verlaufende Wirtschaftsweg („Alte Roßbacher Straße“) als Alternative genutzt werden könne. „Hier können wir - Stand heute - in Aussicht stellen, dass dieser Wirtschaftsweg für ÖPNV, Feuerwehren und Rettungsdienste sowie weitere Akteure der öffentlichen Daseinsvorsorge (Müllabfuhr, Wasserversorgung etc.) nutzbar gemacht werden kann. Es sind jedoch einige Ausbesserungsarbeiten am Weg erforderlich, welche aktuell von einem Planungsbüro konzipiert werden. Insbesondere müssen einige Ausweichbuchten installiert werden“. Dies sei insbesondere für die Aufrechterhaltung des ÖPNV unumgänglich, denn Busse dürfen nicht rückwärtsfahren und müssen bei Begegnungsverkehr ausweichen können. „Auch weitere Sondergenehmigungen zum Befahren des mit Zeichen 260 StVO angeordneten Feldweges können in begründeten Einzelfällen von Seiten der Straßenverkehrsbehörde der Gemeinde ausgestellt werden, beispielsweise für Pflegedienste oder ärztliche Dienstfahrten“, so Bürgermeister Schmitt. „Es sind aber deutliche Grenzen gesetzt. Anträge, die großräumige Umleitungsstrecke aus wirtschaftlichen Gründen umgehen zu dürfen, müssen negativ beschieden werden.“ Die Verkehrssicherheitspflicht wäre in Anbetracht der zu erwartenden Verkehrsmenge schlicht und ergreifend nicht erfüllbar. „Unsere Verantwortung als Verkehrsbehörde lässt keine andere Auslegung der Rechtslage zu“, erläutert der Rathauschef. „Ein Wirtschaftsweg ist nun mal keine gewidmete Straße. Diesen Weg für größere Zielgruppen, zum Beispiel gar für alle Anlieger in Bieber und Roßbach, freizugeben, wäre aus Gründen der Verkehrssicherheit grob fahrlässig, im Sinne der Gleichbehandlung zudem schnell anfechtbar. Am Ende müsste dann neben der Bundesstraße auch die Nebenstrecke komplett gesperrt werden - und dann hätte sich das Thema ÖPNV etc. erledigt. Diese Einschätzung wurde durch Rechtsgutachten und Stellungnahmen bestätigt. Hier sind uns nun einmal die Hände gebunden.“

Aus ihrer Enttäuschung machten die Vertreter der Petitionsgruppe keinen Hehl: „Es fällt uns schwer, die Vollsperrung der Bundesstraße zu akzeptieren. Wir hätten uns hier eine andere Antwort seitens Hessen Mobil erhofft, insbesondere aufgrund des hohen öffentlichen Interesses. Bezüglich des Wirtschaftsweges verstehen wir aber, dass die Gemeinde hier nur wenig Ermessensspielraum für offizielle Genehmigungen hat“, so Olaf Grabowski von der Petitionsgruppe. „Eine Rechtsklage gegen die Vollsperrung der Bundesstraße möchten wir weiterhin nicht ausschließen, denn auch wenn Hessen Mobil uns deren Sicht der Dinge erklärt hat, haben wir zumindest teilweise nach wie vor unsere Zweifel“, bemerkt Gernot Hauf. Janine Rüppel, Geschäftsführungsassistenz der in Roßbach ansässigen SpessartQuelle, ergänzt: „Für viele Unternehmen werden die Sommerferien zu einer echten Zerreißprobe, gerade bei den hohen Spritpreisen. Es ist ernüchternd, wie machtlos man solche Entscheidungen zu dulden hat.“

Landrat Stolz kann dies nachvollziehen: „Ihr Unmut ist verständlich - doch seien Sie versichert: Gerade Gemeinde und Kreis versuchen jetzt alles, um zumindest in Teilen Verbesserungen für die Bürgerinnen und Bürger zu erreichen. Hessen Mobil wirkt bei der Suche nach Möglichkeiten konstruktiv mit. An geltendem Recht darf aber nicht sehendes Auges vorbei agiert werden. Wichtig ist nun, Voraussetzungen zu schaffen, dass die Einschränkungen für die Bürgerinnen und Bürger wenigstens minimiert werden können und Teillösungen, wie beispielsweise für den ÖPNV, ermöglicht werden.“ Gerade dem ÖPNV komme dann eine stärkere Bedeutung bei, der in Verbindung mit dem neu eingeführten 9 Euro Ticket eine günstige Alternative für den Pendel- und Binnenverkehr in Biebergemünd während der Sommerferien werden könne. In den Osterferien habe die Kreisverkehrsgesellschaft Main-Kinzig (KVG) eine Fahrgastzählung auf der Strecke von Bieber nach Gelnhausen durchgeführt. Nun konnte erarbeitet werden, dass in der Zeit der Vollsperrung unter Umständen auch kleinere Busse zum Einsatz kommen könnten - auf besagtem Nebenweg durch Ausnahmegenehmigung - und damit der wichtige öffentliche Personennahverkehr erhalten wird. Gemeinsam mit der KVG prüfe die Gemeinde nun sogar, inwieweit das Angebot temporär in Frequenz oder Kapazität noch aufgewertet werden könne, ergänzt Matthias Schmitt. „Wenn trotz der Vollsperrung tagsüber alle halbe Stunden (oder gar noch engmaschiger) Busse nach bzw. von Bieber fahren, wäre das ein kleiner Lichtblick, zum Beispiel für den Weg ins Freibad in Bieber, welches in dieser Saison alle Biebergemünder Kinder und Jugendliche kostenlos nutzen können. Auch das Sommerferienangebot der Gemeinde könne hierdurch erreicht werden, ohne eine großräumige Anfahrt über Bad Orb in Kauf nehmen zu müssen“, hofft der Rathauschef. Ebenso sei die Erreichbarkeit der Kita Bieber, welche in den letzten drei Ferienwochen geöffnet habe, und die der Ferienbetreuung an der Grundschule Bieber verbessert.

Landrat Stolz wie auch Bürgermeister Schmitt teilen die Auffassung der Petitionsgruppe, dass damit nicht für alle Beteiligten ein zu hundert Prozent zufriedenstellendes Ergebnis angeboten werden kann. Immerhin sei der Zeitraum auf die von Hessen Mobil gewählten Sommerferien beschränkt. Dass viele betroffene Bürgerinnen und Bürger erhebliche Einschränkungen in Kauf nehmen müssen, dafür entschuldige sich Hessen Mobil bereits heute und stelle eine gut ausgebaute und verkehrssichere Streckenführung auf der B276 in Aussicht. Ausdrücklich dankten Bürgermeister und Landrat der Bürgerinitiative für ihr Engagement: „Die Akteure haben alle Hebel in Bewegung gesetzt und sich sehr engagiert. Allerdings sind aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen die Hände gebunden. Wir hatten uns alle ein anderes Ergebnis gewünscht, müssen jetzt aber realistisch sehen, dass die auf dem Tisch liegenden konstruktiven Vorschläge umgesetzt werden, um die mit der Vollsperrung verbundenen Beeinträchtigungen wenigstens zu reduzieren.“


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