Offener Brief: Freie Wähler kritisieren Trinkwasser-Pläne

Brachttal
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Mit einem Offenen Brief zum Vorhaben des Wasserverbandes Kinzig zur gehobenen Erlaubnis zur Grundwasserentnahme aus den Brunnen des Fördergebietes in Brachttal-Neuenschmidten melden sich die Freien Wähler Brachttal zu Wort.

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Nachfolgend der Text im Wortlaut.

"Sehr geehrte Frau Regierungspräsidentin Lindscheid,
sehr geehrte Damen und Herren der hessischen Landesregierung,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident Bouffier,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Feldmann,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Kaminsky,
sehr geehrter Herr Landrat Stolz,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des hessischen Landtags und des Kreistages im MKK,
liebe Brachttaler Mitbürgerinnen und Mitbürger,
liebe Hessinnen und liebe Hessen,

unsere Gemeinde Brachttal, das südliche Tor zum Vogelsberg, verdankt seinen Namen dem kleinen Flüsschen Bracht und seiner Tallage. Dem Vogelsberger Gestein und den vielen Bächen sind unsere besonderen Grundwasservorkommen zu verdanken. Folgerichtig wurden im Laufe der Jahre viele Wasserschutzzonen eingerichtet, welche die Gemeinde stets in ihren wirtschaftlichen Ausbreitungsmöglichkeiten streng limitierten. Aus diesen Gründen konnten die Ortsteile Brachttals im Prinzip vordringlich „nur“ mit einer ruhigen Wohngegend und viel intakter Natur für sich werben. Somit lagen aufgrund der klimatischen Entwicklung die Gründe auf der Hand, dass Brachttal als erste hessische Kommune überhaupt mit einem einstimmigen Beschluss der Gemeindevertretung den Klimanotstand ausrief. Kurze Zeit später wurde Brachttal mit einem weiteren Beschluss der gesamten Gemeindevertretung zur bekennenden Klimakommune ernannt. Zeichen der Zeit wurden und werden also in Brachttal erkannt. Auch in Sachen regenerativer Stromerzeugung war das der Fall: Bei uns wurde die erste Generation Windkraftanlagen errichtet, weitere WKA wurden später aufgestellt und wir bauen zwei große Solarparks. Darüber hinaus liefern wir seit Jahrzehnten bestes Trinkwasser in den Main-Kinzig-Kreis, nach Hanau und Frankfurt.

Brachttal erfüllt also seinen gesellschaftlichen Beitrag, spürbar bis hinein in die Ballungszentren des Rhein-Main-Gebietes. Deshalb erwarten die Brachtaler nun, dass sie gehört, respektiert und in ihren Forderungen ernst genommen zu werden. Wir Freie Wähler Brachttal, die stärkste Fraktion in unserer Gemeinde, sprechen uns weiterhin für Trinkwasserlieferungen über den Wasserverband Kinzig an die Kreiswerke Main-Kinzig, die Stadtwerke Hanau und Hessenwasser, somit auch nach Hanau und Frankfurt aus. Allerdings kann dies nicht unter den aktuellen Bedingungen, den aktuellen Mengen und erst recht nicht in den nun für weitere dreißig Jahre beantragten größeren Wassermengen erfolgen. Unter den aktuellen und künftig zu erwartenden klimatischen Herausforderungen sind eine für diesen langen Zeitraum erstellte Erlaubnis und starre Gesamtmengen nicht geeignet. Das HLNUG (Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie) hat auf seiner Homepage die Daten seiner Grundwassermessstellen veröffentlicht. Darunter befinden sich die in Gedern3 (nördlich von Brachttal und höher gelegen) und die im Bad Soden–Salmünsterer Ortsteil Ahl4 (südöstlich und tiefer gelegen).

Beide zeigen an, dass der Grundwasserspiegel in den letzten drei Jahren kontinuierlich gesunken ist, wie auch bei den meisten anderen Messstellen in Hessen. Auch wenn traditionell bei Anträgen zur Wasserentnahme ein 30-jähriger Vergleichszeitraum genommen wird, um die Datenbasis für Anträge zu bilden, wie es der Wasserverband Kinzig angibt, so kann und darf eine solche deutliche Tendenz in der Entwicklung der Grundwasserspiegel nicht unberücksichtigt bleiben. Wir, die ehrenamtlichen Bürgervertreter der Freien Wähler Brachttal, fordern das Regierungspräsidium Darmstadt, die hessische Landesregierung und letztendlich Städte wie Hanau und Frankfurt zum Handeln auf. Es wird höchste Zeit, in die Zukunft unserer Kinder und Enkel zu investieren!

Die Forderungen der Freien Wähler Brachttal:
- Eine stufenweise Rückführung der jährlichen Gesamtmenge in der Wasserentnahmegenehmigung. Das neue, zu genehmigende Niveau soll die Erholung der Grundwasserstände ermöglichen – auch, wenn der Klimawandel weitere Trockenjahre erbringt
- Eine Laufzeit von maximal acht Jahren für neue Förderbescheide, um die gebotene regelmäßige Neubetrachtung der tatsächlichen Belastung zu ermöglichen
- Die Umsetzung von ökologischen Kompensationsmaßnahmen in Brachttal durch die Versorgungsgesellschaften
- Eine angemessene finanzielle Kompensation für Kommunen in den Trinkwasserliefergebieten, wie z.B. Brachttal
- Errichtung einer permanenten Notversorgungsleitung für Trinkwasser in Brachttal, mit Anschluss an das kommunale Trinkwassernetz
- Landesweite gesetzliche Regelungen zur Errichtung von Zisternen im gesamten Bausektor
- Gesetzliche Regelungen zur Errichtung von Brauchwasserleitungen in den Städten, wie Frankfurt und Hanau
- Gesetzliche Auflagen zur Reduzierung von Leitungsverlusten
- Schutz des ökologischen Kleinods „Fußloch“ in den Brachttaler Gemarkungen Spielberg und Streitberg. Hintergrundinformation zum Fußloch: Dieser in den vergangenen zwei Jahren durch Experten umfangreich untersuchte und dokumentierte Landschaftsteil ist ein durch zahlreiche Oberflächenquellen, kleine Wasserläufe und Sumpfwiesen geprägtes einzigartiges Gebiet und beachtliche 20 ha groß. In den Quellabflüssen wurde eine besonders große Vielfalt seltener Arten vorgefunden und beschrieben, insbesondere aus der Gattung der Krebse und Schnecken. Dies geschah auf Initiative der Gesellschaft für Natur und Auenschutz (GNA) Rodenbach und wurde finanziell von der Stiftung hessischer Naturschutz unterstützt. Im südlichen Teil dieses Landschaftsgebiets sind 43 Quellaustritte kartiert worden und im nördlichen Teil noch weitere 50
-  Entwicklung von kommunalen Fördermaßnahmen zur Reduzierung der Trinkwasserverbräuche
-  Entschädigungsregelungen für den Fall von Setzungsschäden an Gebäuden und gemeindlicher Infrastruktur, welche seit 1976 in Brachttal beobachtet und dokumentiert werden
- Monitoring der Waldgebiete in den Wasserschutz- und Wasserförderzonen „Neuenschmidten Nord“ mit 454 ha forstwirtschaftlicher und 277 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche sowie „Neuenschmidten Süd“ mit 422 ha forstwirtschaftlicher Nutzung


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