93 Quellen im Brachttaler Fußloch erfasst und untersucht

Brachttal
Typographie
  • Smaller Small Medium Big Bigger
  • Default Helvetica Segoe Georgia Times

Im Auftrag der Gesellschaft für Naturschutz und Auenentwicklung (GNA) kartierten Experten vom Landesverband für Höhlen- und Karstforschung Hessen e.V. bereits 2020 die Quellaustritte im südlichen Brachttaler Landschaftsbereich Fußloch.



Diese Untersuchungen wurden 2021 im nördlichen Teil des Gebietes fortgesetzt; mit wieder einmal erstaunlichen Ergebnissen. „Ziel unserer Untersuchungen war die Erfassung von Quellaustritten, um Gefährdungen aufzuzeigen und Vorschläge für biotopverbessernde Maßnahmen zu formulieren.“ berichtet Susanne Hufmann, Biologin und Vorsitzende der GNA. „Insgesamt wurden bis heute 93 Quellstandorte im Fußloch kartiert. Von vielen weiteren Quellaustritten gehen wir aus. Ein Schwerpunkt lag in der Kennzeichnung der faunistischen Besiedelung, über die Aussagen zum Zustand eines Quellbiotops getroffen werden können. Die Untersuchungsergebnisse der letzten beiden Jahre haben uns die Schutzbedürftigkeit, aber auch die Schutzwürdigkeit des Gebietes sehr deutlich gemacht.“

Kleinod im Vogelsberg

Das „Fußloch“ ist ein etwa 20 Hektar großes Mosaik aus Wiesenflächen und Baumhecken, Waldstreifen und kleineren Waldflächen. Aufgrund des kleinflächigen Wechsels zwischen Grünland- und Gehölz-Biotopen ist das Areal ausgesprochen strukturreich, was durch bemerkenswert viele Quellbereiche mit reichem Arteninventar, Feuchtwiesen und kleinen Wasserläufen, Lesesteinriegeln und wechselnden Hangneigungen verstärkt wird. Daher bemüht sich die GNA in enger Kooperation mit dem Regierungspräsidium Darmstadt, der Gemeinde Brachttal, dem NABU Brachttal und örtlichen Unterstützern intensiv um die Wiederherstellung und Entwicklung dieses halboffenen Lebensraumes. Auf Grundlage des nationalen Rahmenplans der „Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) konnte die GNA in den letzten beiden Jahren umfangreiche Natur- und Artenschutzmaßnahmen durchführen.

Äußerst seltene Rhönquellschnecke gefunden

Als Grenzlebensraum zwischen Grundwasser und Oberflächengewässer haben Quellen eine große Bedeutung. Sie beherbergen sehr spezialisierte Tier- und Pflanzenarten, die an besondere Umweltbedingungen angepasst sind. Aus dem Grundwasser werden Muschel- und  Ruderfußkrebse in den Lebensraum eingespült. Fliegen- und Mückenlarven nutzen Quellen als Kinderstube. In strömungsarmen Bereichen finden sich Wasser- und Schwimmkäfer. Arten aus feuchten Landlebensräumen kommen in Quellbereiche, um zu jagen oder sich fortzupflanzen: Feuersalamander, verschiedene Insekten, Spinnentiere, Tausendfüßer, Asseln und Schnecken, darunter die äußerst seltene Rhön-Quellschnecke, die in vier Quellen zu finden war. Sehr klein und mit bloßem Auge kaum zu erkennen, ist Bythinella compressa endemisch und weltweit nur in der Rhön und im Vogelsberg zu finden. Gemäß der Roten Liste Deutschland wird sie als „stark gefährdet“ eingestuft. Denn wie alle Arten, die in Quellbiotopen existieren, reagiert sie sehr empfindlich auf menschliche Störungen. Im Hinblick auf die hohe Gefährdung des Lebensraums „Quelle“ ist dieser Art besonders Beachtung zu schenken. Quellsümpfe, Sickerquellen und ähnliche Quellaustritte, die im Winter nicht zufrieren, sind in den Mittelgebirgen oft die einzigen Rückzugsorte für gefährdete Tierarten.

Arteninventar Deluxe

Das Team um Stefan Zaenker fand in den Quellen des Fußloch Meeresmilben der Familie Halacaridae, von denen einige ins Süßwasser zurückgekehrt sind und nicht größer als 0,5 Millimeter werden. Außerdem konnten Grundwasserflohkrebse der Gattung Niphargus festgestellt werden, die ebenfalls für einen weitgehend intakten Grundwasserkörper sprechen. Augen, die bei Flohkrebsen das Erscheinungsbild prägen, haben sich bei dieser Gattung im Laufe der Evolution zurückgebildet. Die Krebstierchen sind farblos und erscheinen durchsichtig bis weiß. Sie werden bis zu 30 Millimeter lang. Crenobia alpina, der 1,5 cm lange Alpenstrudelwurm bewohnt im Fußloch gleich fünf Quellen und zeigt eine sehr gute Grundwasserqualität an. Beide Arten, die Rhönquellschnecke und der Alpenstrudelwurm, gelten als Glazial- oder Eiszeitrelikte. Larven der Quellköcherfliege Crunoecia irrorata konnten in 14 der kartierten Quellen nachgewiesen werden. Charakteristisch für diese Art ist der vierkantige Köcher, in dem sie ihre „Jugendzeit“ verbringt. Eine weitere Besonderheit stellt der Fund des Furchenwasserkäfers Helophorus dorsalis dar, der erst der zweite Nachweis in Hessen ist.

Gefährdung und Schutz

Auch wenn Quellen gesetzlich geschützt sind, werben die Naturschützer der GNA für weitergehende Maßnahmen. „Nach § 30 Bundesnaturschutzgesetz sind alle Handlungen, die zu einer Zerstörung oder einer sonstigen erheblichen Beeinträchtigung führen können, untersagt. Der Schutz der Quellen ist daher besonders wichtig, weil Quellräume als kleinflächige, isolierte und seltene Biotope gegenüber geringsten Störungen sehr empfindlich reagieren.“ erklärt Hufmann. Im Hinblick auf die zunehmende Trinkwasserförderung im Umfeld sagt Hufmann: „Auch wenn jetzt noch keine Beeinflussung der Quellen ersichtlich wird, könnte die beabsichtigte Grundwasserentnahme mit hohen Fördermengen langfristig zu einer Absenkung der Quellhorizonte und damit auch zu einem Trockenfallen der Quellbereiche und Feuchtwiesen führen. Hier ist Augenmaß gefragt und ständiges Monitoring angebracht. Es muss ausgeschlossen sein, dass dieser Standort mit seinen Gräben, Bachläufen und wertvollen Wiesen mit seltenen Pflanzen und Orchideen erheblich beeinträchtigt und sogar langfristig geschädigt wird. Unabsehbare Folgen für das Ökosystem Fußloch und für die gesamte Biologische Vielfalt im Vogelsberg müssen im Vorfeld vermieden werden.“

Bedenklich wären auch die großen Wasserstandschwankungen, die heute schon in der Bracht festzustellen sind. Nach der EU-Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) darf der ökologische Zustand eines Oberflächengewässers nicht verschlechtert werden. Dazu zählt selbstverständlich auch die gesicherte Abflussmenge. „Wenn es in den nächsten Jahren wiederholt zu heißen und sehr trockenen Sommern kommt, wirkt sich dies zusätzlich nachteilig auf das Ökosystem und seinen Wasserhaushalt aus. Das macht uns Sorge.“ so Hufmann abschließend.


Ihnen ist etwas Interessantes aufgefallen im Main-Kinzig-Kreis? Schreiben Sie uns an info@vorsprung-online.de


Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige

online werben

Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige

vogler banner

Anzeige

vogler banner

Anzeige

Online Banner 300x250px MoPo 2