Steinzeitsiedlung und Keltengräber entdeckt

Erlensee
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Derzeit wachsen noch Mais und Getreide auf den Feldern in Erlensee, wo demnächst die Firma LIDL auf rund 22 Hektar Fläche einen Teil ihrer Verwaltung und ihrer Logistik ansiedeln wird.



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Zunächst haben sich in den vergangenen Monaten Archäologen mit einem Teil der Fläche beschäftigt. Bei Untersuchungen des Bodens waren sie auf interessante Funde sowohl aus der keltischen als auch der Steinzeit gestoßen. Landrat Thorsten Stolz (SPD) und Bürgermeister Stefan Erb (SPD) besuchten nun die Ausgrabungsfelder. Gemeinsam mit dem Kreisarchäologen Claus Bergmann schauten sie sich die Funde an. Insbesondere in einem Gräberfeld aus der Keltenzeit, in dem rund 30 Menschen beigesetzt worden sein könnten, hob das Archäologenteam viele Beigaben. Weitere Fundstücke aus der Steinzeit weisen auf eine nahegelegene Siedlung hin. „Bereits vor mehr als 4.000 Jahren siedelten hier Menschen der Steinzeit. Es waren Ackerbauern und Viehzüchter, die im heutigen Erlensee ihr kleines Dorf errichteten“, ordnete Claus Bergmann die Funde ein.

Dass die Archäologen auf der großen, derzeit landwirtschaftlich genutzten Fläche südlich des Gewerbeparks Erlensee, zwischen Langendiebach und Autobahn 45, fündig geworden sind, ist für die Fachleute nicht allzu überraschend gewesen. Schon vor Jahrzehnten hatte man in der Nähe Grabfunde der Bronze- und Eisenzeit entdeckt. Das Archäologenteam aus Hessen, unterstützt durch den Main-Kinzig-Kreis und unter der Fachaufsicht des Landesamts für Denkmalpflege Hessen, hatte mit den Grabungen im Sommer vergangenen Jahres begonnen. Sie kamen aufgrund des sandigen Bodens gut voran und stießen so schnell auf immer neue Zeugnisse früherer Siedlungskulturen.

Während in Ägypten vor mehr als 4.000 Jahren Pyramiden gebaut wurden, stand auch in Europa die Zeit nicht still. Die Menschen bearbeiteten mit Werkzeugen Dinge ihres täglichen Lebens, Holz, Nahrung, Kleidungsstücke und einiges mehr. Auf dem untersuchten Gebiet im heutigen Erlensee zeugen Bestandteile von steinzeitlichen Äxten und geschliffenen Steinen, dass auch dort Menschen dieser Arbeit nachgegangen sind. Es sollten zwei Jahrtausende dauern, bis erneut Menschen auf dem zukünftigen LIDL-Gelände ihre Spuren hinterließen. Es waren Kelten, die in den Jahrhunderten vor Christi Geburt dort ihre Verstorbenen bestatteten. Neben den Knochen der meist verbrannten Toten finden sich in den Gräbern Beigaben, darunter Schmuck, Waffen und Werkzeuge, in weit größerer Zahl als die steinzeitlichen Fundstücke. „Diese Funde verraten uns viele Details zu Handel und Handwerk dieser Zeit. Der Umfang der Beigaben und der Bestattungsaufwand lassen sogar Überlegungen zur Sozialstruktur der keltischen Gesellschaft zu“, erklärte Bergmann. Durch die Kontakte zu Römern und Griechen sei die keltische Gesellschaft auf dem Sprung zur Hochkultur gewesen und auch die sozialen Strukturen haben sich im Wandel befunden.

Stolz: „Längst vergangene Zeit rückt in unsere Gegenwart“

Zu den Funden gehören unter anderem ein Schwert, eine Rassel und Schmuckstücke aus Bronze. Sie könnten etwa aus dem dritten bis zweiten Jahrhundert vor Christi stammen. „Es lässt einen erst mal nur staunen, welche diffizilen Arbeiten vor mehr als 2.000 Jahren schon möglich waren. Da rückt diese längst vergangene Zeit mit einem Mal direkt in unserer Region in unsere Gegenwart. Diese Schätze erhellen eine ansonsten eher weniger bekannte Vergangenheit unserer Region, sie müssen der Region daher zugänglich bleiben“, sagte Landrat Thorsten Stolz. In Hessen sei ein vergleichbares Gräberfeld zuletzt vor etwa 50 Jahren ausgegraben worden, die nun geborgenen Funde stellten deshalb „ein überregional bedeutendes Zeugnis der hessischen Geschichte“ dar.

Bürgermeister Stefan Erb stimmte zu, dessen Stadt die Funde aufgrund ihres Fundorts gehören. In absehbarer Zeit, nach eingehender Untersuchung durch die Archäologen, sollen sie der Öffentlichkeit näher vorgestellt und für die Bürgerinnen und Bürger ausgestellt werden, kündigte er an. Auf den untersuchten Flächen wird die Firma LIDL nach Fertigstellung und Umzug aus Alzenau in den nächsten Jahren 340 Arbeitsplätze bereithalten, 100 davon entstehen neu. „Die weitere gute Entwicklung Erlensees ist vorgezeichnet. Der Blick in die Vergangenheit zeigt: Produktiv und kreativ waren die Menschen hier eigentlich schon immer“, brachte es Landrat Thorsten Stolz abschließend auf den Punkt.

Foto: „Es waren Ackerbauern und Viehzüchter, die im heutigen Erlensee ihr kleines Dorf errichteten“: Kreisarchäologe Claus Bergmann ordnet für Erlensees Bürgermeister Stefan Erb und Landrat Thorsten Stolz die Funde ein (von links).
Foto: Bürgermeister Stefan Erb und Landrat Thorsten Stolz (von links) begutachten die Rassel, die im Boden vom Archäologenteam in Erlensee gefunden worden ist. Im Hintergrund: Kreisarchäologe Claus Bergmann.
Foto: Schmuck aus der Keltenzeit, Werkzeug aus der Steinzeit: Das untersuchte Gelände in Erlensee barg Schätze aus unterschiedlichen Epochen der Menschheitsgeschichte.
Foto: Dieses Schwert aus der Keltenzeit war eine Grabbeigabe. Es wurde vermutlich vor der Beisetzung bewusst verbogen.
Foto: Die Archäologen vermuten, dass diese Rassel ein Kinderspielzeug aus der Keltenzeit ist.

Fotos: Kreispressestelle


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