Langsam setzt sich das kastenförmige Gefährt in Bewegung. Ein leises Brummen, dann fährt ein Bohrer in den Boden und hinterlässt ein kleines Loch... Was sich anhört wie von einer Forschungsmission auf dem Mars findet in Wirklichkeit auf der Erde statt. Genauer gesagt in Erlensee. Im Rahmen des vom Land Hessen geförderten Forschungsprojekts „Rückdrängung der Herbstzeitlosen aus extensiv genutztem Grünland mit innovativen, naturverträglichen Methoden“ kommen zwei Roboter der Firma Paltech GmbH zum Einsatz, die die Blüte der Herbstzeitlose erkennen und die Pflanze mitsamt Wurzelknolle ausbohren sollen.
Im Zuge dessen sprach Konstantin Helder, Student der Landschaftsökologie der Uni Münster mit Dr. Helmut Steiner von der Gesellschaft für Naturschutz und Auenentwicklung (GNA), der die Projektleitung des von der GNA geführten Projekts innehat:
Herr Dr. Steiner, wie froh sind Sie, dass es nach einer Vorbereitungszeit von über einem Jahr endlich losgeht und Sie die Roboter in Aktion sehen?
„Die Herbstzeitlose ist ein Thema, das allen unter den Nägeln brennt, die mit Landwirtschaft und Naturschutz zu tun haben. Selbstverständlich sind wir daher sehr froh, dass die Roboter endlich fahren.“
Warum braucht es überhaupt eine naturverträgliche Methode, um die Herbstzeitlose zurückzudrängen?
„Eine solche Methode braucht man aus zwei Gründen: Aus Sicht der Landwirte sind die extensiv bewirtschafteten Flächen nicht nutzbar, solange die Herbstzeitlose auf den Flächen steht, da diese selbst im Heu noch stark giftig für Pferde und Rinder ist. Da das Grünland aber sehr wertvoll ist, soll die Herbstzeitlose ausschließlich mit naturverträglichen Methoden bekämpft werden. Aus Sicht des Naturschutzes ist der Erhalt der Flächen extrem wichtig, da sie bei Nichtnutzung nach und nach verbuschen und dann für bestimmte Zielarten nicht mehr nutzbar sind.“
Das heißt, dass sich die Situation für gefährdete Arten wie zum Beispiel für die beiden Wiesenknopf-Ameisenbläulinge oder auch typische Wiesenvögel wie Kiebitz, Bekassine und Brachvogel indirekt durch das Auftreten der Herbstzeitlosen zuspitzen könnte?
„Wie gerade ausgeführt gehen wichtige Habitate durch das Einstellen der Bewirtschaftung verloren und damit natürlich auch die darauf spezialisierten Arten. Da viele typische Wiesenarten sowieso schon stark gefährdet sind, können wir es uns nicht erlauben, noch mehr Habitate, sprich extensiv bewirtschaftete Wiesen, zu verlieren.“
Sollten wir nach den Erfahrungen der letzten Jahrhunderte dennoch nicht etwas vorsichtiger mit dem Gedanken umgehen, Arten gezielt zu bekämpfen?
„Dieser Grundgedanke ist sicher richtig, wenn es sich um ursprüngliche Natur handelt. Man muss sich aber klar machen, dass wir hier von einer Kulturlandschaft reden, in die der Mensch schon immer eingegriffen hat und die auch erst durch den Menschen und seine Nutzung entstehen konnte.“
Was ist neben dem niedrigeren Aufwand und den damit verbundenen wirtschaftlichen Vorzügen denn noch vorteilhaft beim Einsatz eines solchen Roboters? Gibt es auch naturschutzfachliche Gewinne, die nur durch diese Methode erzielt werden können?
„Aus Naturschutzsicht ist ein großer Vorteil, dass es sich um eine rein mechanische Bekämpfung handelt. Darüber hinaus kann diese Methode ganz gezielt nur auf eine einzige Art angewandt werden und beeinflusst dahingehend keine weiteren Arten.“
Wie wird denn überprüft, ob die durchgeführten Maßnahmen tatsächlich erfolgreich sind und zu einer Abnahme der Herbstzeitlosen-Dichte auf extensiv bewirtschafteten Wiesen führen?
„Wir kartieren die Flächen seit Jahren sowohl auf die Blüte im Herbst, als auch auf die Pflanze im Frühjahr, und werden das auch weiterhin machen, um zu untersuchen, wie sich die Populationen entwickeln.“
Also so ganz ohne menschliche Hilfe geht es dann doch nicht. Wie beurteilen Sie denn persönlich den Einsatz der kontrovers diskutierten KI jetzt auch in der Landwirtschaft und im Naturschutz? Anders gefragt: Ist aus Ihrer Sicht eine der anderen erprobten Maßnahmen überhaupt realistisch wirksam und durch die Landwirte auch gut umsetzbar?
„Wir haben momentan keine andere Methode, die wirklich vielversprechend und gleichzeitig nachhaltig ist. Zum Thema KI: Der Roboter soll lernen, die Pflanzen zu erkennen und einen optimalen Weg über die Fläche zu steuern. Das Gefährdungspotenzial halte ich dementsprechend in diesem Fall für sehr gering. Schon aus Kostengründen wird sich die „Intelligenz“ des Roboters darauf beschränken.“
Noch befindet sich das ganze Vorhaben in der Testphase. Das Projekt zu Rückdrängung der Herbstzeitlosen dauert noch bis 2027 an. Rechnen Sie bis dahin mit einer erfolgreichen Nutzung solcher Systeme, die auch seitens der Landwirte praktikabel und bezahlbar ist?
„Ehrlicherweise kann ich diese Frage aktuell nicht abschließend beantworten. Unser Projekt wird aber aufzeigen, ob ein solches Verfahren technisch machbar ist. Mit der Frage, wie eine kommerzielle Nutzung in Zukunft aussehen kann, wird sich das Freisinger Startup Paltech beschäftigen, das wir natürlich gerne dabei unterstützen.“
Wie sieht der weitere Verlauf der Erprobung dieser komplett neuartigen Methode aus? Wird es im Frühjahr zur Zeit des Blattaustriebs einen erneuten Einsatz des Roboters geben?
„Auf jeden Fall! Im Frühjahr ist die Bekämpfung erfolgreicher, weil im Herbst nicht unbedingt alle Pflanzen blühen, dafür sind die Blüten besser zu erkennen als die Blätter.“
Gibt es Hinweise darauf, dass die Herbstzeitlose durch den Klimawandel eventuell von selbst in ihren Beständen dezimiert wird oder profitiert sie in Zukunft gar von den erhöhten Temperaturen und der Trockenheit?
„Hinweise gibt es keine, aber die Herbstzeitlose ist aus Westasien und dem Mittelmeerbereich eingewandert, von daher gehe ich davon aus, dass es unwahrscheinlich ist, dass sie durch den Klimawandel von selbst zurückgedrängt wird.“
Im Oktober fand in Bischofsheim an der Rhön zu diesem Thema eine Fachveranstaltung mit Podiumsdiskussion statt, an der Sie als Referent teilnahmen. In weiten Teilen der Rhön bereitet die Herbstzeitlose den Landwirten ebenfalls erhebliche Probleme. Wie sieht es mit dem Einsatz von Robotern und KI in bergigem Gelände aus?
„Da sehe ich kein Problem. Jede Fläche, die sich durch landwirtschaftliche Maschinen bearbeiten lässt, kann auch von Robotern befahren werden. Das Besondere des Roboters ist, dass er autonom agiert und die Pflanzen selbstständig erkennen kann, alles andere ist im Grunde genommen altbewährte Maschinentechnik.“
Für ein erfolgreiches Ergebnis des Projekts ist eine enge Zusammenarbeit der Landwirtschaft mit dem Naturschutz essenziell. Inwieweit kann diese Zusammenarbeit ein Vorbild sein für andere Konfliktfelder zwischen Landwirtschaft und Naturschutz?
„Hier handelt es sich um einen speziellen Fall, da sich die Interessen von Naturschützern und Landwirten bei diesem Thema decken. Grundsätzlich ist natürlich aber jedes Projekt Vorbild, das zeigt, dass eine gute Zusammenarbeit beide Bereiche weiterbringt.“
Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg beim weiteren Verlauf des Projekts.
Das Interview führte Konstantin Helder (GNA).
Zur Unterstützung ihrer wichtigen Projekte bittet die Gesellschaft für Naturschutz und Auenentwicklung um Spenden auf das GNA Konto bei der Raiffeisenbank Rodenbach mit der IBAN: DE 75 5066 3699 0001 0708 00. Die gemeinnützige Naturschutzorganisation ist berechtigt, Spendenbescheinigungen für das Finanzamt auszustellen. Mehr Informationen gibt es unter www.gna-aue.de.