Vier verkaufsoffene Sonntag im Jahr gefordert

Gelnhausen
Typographie
  • Smaller Small Medium Big Bigger
  • Default Helvetica Segoe Georgia Times

Sie demonstrierten Einigkeit. Die Alteingesessenen und die Neuen, die Chefs und die Mitarbeiter.

Anzeige


verkaufsoffenenson.jpg

Schließlich geht es um den Erhalt des stationären Einzelhandels – das „analoge“, haptische, visuelle, sinnanregende Einkaufserlebnis, offline und vor Ort - mit persönlicher Beratung durch echte Menschen und vertraute Gesichter. Ohne Mindestbestellwert, Versandkosten und  Verpackungsmüll. Etwa 60 Frauen und Männer, die auf irgendeine Art und Weise mit dem Einzelhandel und der Gastronomie in Gelnhausen verbunden sind, trafen sich auf dem Obermarkt um zu zeigen, dass sie für ihre Forderung nach vier verkaufsoffenen Sonntagen ohne Anlassbezug einstehen werden. „In vielen großen Städten haben die Geschäftsleute schon aufgegeben und die Streichung der verkaufsoffenen Sonntage hingenommen. Wir wollen das nicht. Wir brauchen jeden Trumpf, um gegen den Internethandel bestehen zu können“, gab sich Petra Schmidt, die Vorsitzende des Stadtmarketing- und Gewerbevereins Gelnhausen, kämpferisch. Sie und viele Mitstreiter gaben bei der Zusammenkunft auf dem Obermarkt Interviews vor laufender Kamera. Und sparten nicht mit Kritik an den Weichenstellungen durch die Politik.

Bislang konnten die Gewerbetreibenden in der Region auf bis zu vier verkaufsoffene Sonntage im Jahr setzen. Kirchen und Gewerkschaft sind jedoch mehrfach juristisch gegen Sonntagsöffnungen vorgegangen und auch die geplante Reform des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes wird den Städten und Gemeinden künftig noch weniger Spielraum für das Einkaufserlebnis am Sonntag lassen. Gelnhausens Einzelhändler mussten zum Barbarossamarkt 2019 schmerzlich erfahren, was ein „enger zeitlicher und räumlicher Bezug zum Anlassereignis“ ist. Ver.di klagte und die Läden an der Kremp’schen Spitze, im Galgenfeld und in Hailer-Ost blieben geschlossen.  Zwei verkaufsoffene Sonntage konnten dieses Jahr in Gelnhausen bereits umgesetzt werden – allerdings abgespeckt, ohne die Kremp’sche Spitze, das Galgenfeld und Hailer-Ost.

Still halten und hoffen oder den Standpunkt des stationären Handels und der Gastronomie laut und deutlich formulieren? Die Gelnhäuser haben sich für letztere Variante entschieden – mit Unterstützung von Bürgermeister Daniel Christian Glöckner. Er zeigte mit einigen Magistratsvertretern und Stadtverordnetenvorsteherin Pia Horst Flagge bei der Zusammenkunft, die unter Motto „Wir arbeiten gerne sonntags“ stand. Verein und Mitarbeiter verstanden das Treffen auf dem Obermarkt als „Initialzündung“, verbunden mit der Hoffnung, dass sich andere Kommunen an der Rettungsaktion für den verkaufsoffenen Sonntag beteiligen mögen. Die Gelnhäuser zeigten sich gut organisiert und bestens ausgestattet – mit moderner Aufnahmetechnik und einem professionellen Moderator. In dieser Rolle glänzte Matthias Hackerschmied, der seinen Interviewpartnern unauffällig und charmant verbale Brücken baute, wo es nötig war.

Unter den Rednerinnen und Redner waren etliche Gelnhäuser Einzelhändler, deren Geschäfte schon seit Generationen von den Inhabern selbst geführt werden. Aber auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kamen zu Wort, drückten ihre Verbundenheit zu den Unternehmen aus und unterschrieben das Motto der Zusammenkunft. „An den Sonntagen kommen ganze Familien, das ist eine besondere Atmosphäre. Ich durfte immer die Kinder schminken, das war toll. Es ist schade, dass die verkaufsoffenen Sonntage für uns weggefallen sind, sie haben auch bei uns Mitarbeitern einen besonderen Team-Geist beschworen“, bedauerte eine Mitarbeiterin eines Modegeschäftes an der Kremp’schen Spitze. „Wer aufgibt, hat schon verloren. So platt das klingt, so wahr ist es auch“, sagte Bürgermeister Daniel Christian Glöckner und ermunterte die anwesenden Einzelhändler nicht aufzugeben und weiterhin für die vier verkaufsoffenen Sonntage ohne Anlassbezug zu kämpfen. „Meine Unterstützung habt ihr. Ich wünsche mir, dass wir eine Protestwelle im Einzelhandel lostreten.“

„Der Einzelhandel ist ein Kulturgut, wir erfüllen auch eine soziale Aufgabe. Wir schaffen Arbeitsplätze vor Ort und halten gemeinsam mit der Gastronomie die Innenstädte lebendig. Der Internethandel tut das nicht. Er darf aber 24 Stunden am Tag öffnen. Wir bekommen nicht einmal diese 24 Stunden verteilt auf vier Sonntage im Jahr“, so Petra Schmidt, die wie Bürgermeister Glöckner kritisierte, dass überregional aktive Politiker zu wenig an der Basis nachhörten. „Wir ärgern uns darüber, dass die Anregungen der Handels- und Wirtschaftsverbände bei der Neuauflage des Ladenöffnungsgesetzes offensichtlich ungehört verhallt sind.“ Die Inhaberin eines Einrichtungshauses in der Innenstadt verwies auch darauf, dass „wir vor Ort unsere Steuern zahlen. Der Internethandel in den meisten Fällen nicht.“ Ihr Mann, selbst früher Vorsitzender des Stadtmarketingvereins, unterstrich: „Der verkaufsoffene Sonntag ist ein Instrument, das die Geschäfte vor Ort wenig kostet, ihnen aber viel bringt. An diesen Sonntagen erreichen wir ein anderes Publikum als unter der Woche und können die Stadt insgesamt bekannter machen.“ Untrennbar mit dem Einkaufserlebnis am Sonntag sei die Gastronomie verbunden, sagte ein Wirt, der seit 45 Jahren in diesem Geschäft an wechselnden Orten in Gelnhausen tätig ist. Er hob den starken Zusammenhalt in Gelnhausen hervor. Als „große Familie“ erlebt auch Harald Steif, Geschäftsführer des Stadtmarketing- und Gewerbevereins, die Gelnhäuser Geschäftswelt. „Das ist ein großes Plus.“

Nach 1,5 Stunden waren viele Aussagen auf Speichermedien gebannt, die nun auf Papier und online ihre Verbreitung finden werden. Petra Schmidt appellierte noch einmal an weitere Geschäftsleute aus Gelnhausen und der Region, die Rettung der verkaufsoffenen Sonntage an ihren Standorten oder gemeinsam mit der Barbarossastadt zu unterstützen. In Gelnhausen starten jetzt die Planungen für weitere gemeinsame Aktionen.

Foto: Die Gelnhäuser kämpfen für vier verkaufsoffene Sonntage ohne Anlassbezug im Jahr. Quelle: Stadt Gelnhausen


Ihnen ist etwas Interessantes aufgefallen im Main-Kinzig-Kreis? Schreiben Sie uns an info@vorsprung-online.de