Ein Nachruf: Das Wandern war des Wolfgangs Lust

Gelnhausen
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„Wandern war sein Lebenselixier; die Neugier auf Land und Leute, das Abenteuer des Wanderns trieb ihn“. So umschreibt ein Wanderfreund der Ortsgruppe des Spessartbund Gelnhausen Wolfgang Sommer, der kürzlich verstarb. Als Wanderwart und Wanderführer organisierte er seit den 70er Jahren unzählige Wanderungen in die Mittelgebirge der Region und darüber hinaus. 

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Von Peter Völker und Hans Scheffka

Viele folgten seinen Vorschlägen, die er in der Presse in einer Rubrik „Wandertipp“ auch zum Nachwandern detailliert ausführte. Dabei war er sich offensichtlich der Endlichkeit alles Lebendigen bewusst. Sein letzter öffentlicher Aufruf zur Wanderschaft lautete: „Wolfgang Sommers letzter Wandertipp“. Schwere Hüftprobleme und notwendig werdende Operationen führten vor rund zehn Jahren zu der für ihn tragischen Aufgabe seiner Lieblingsbetätigung.

Seine Wanderlust trieb ihn manchmal auch auf ferne Wege, ohne dass er freilich seine geliebte Heimat aus den Augen verloren hätte. Zusammen mit Freunden wanderte er in Nepal, der Hohen Tatra und in den Apeninnen. Einen Höhepunkt dieses ihm eigenen Fernwehs bildete eine Wanderung mit drei Freunden vom 23. August bis zum 28. September 1975 von Gelnhausen nach Clamecy, der Gelnhäuser Partnerstadt in Frankreich. Der Weg war damals das Ziel.

„Moselstube“ als „Sozialstation“

Viele Gelnhäuserinnen und Gelnhäuser kannten ihn nur unter seinem Spitznamen „Ticket“, weil er bei der Deutschen Bahn jahrzehntelang am Fahrkartenschalter Fahrscheine (Tickets) verkaufte und dabei nicht selten ein Schwätzchen hielt…wenn die Verspätungen der Züge es erlaubten. Seine Freunde übertrugen den Broterwerb namentlich auf seine Person. Ticket war in der Stadt Gelnhausen und darüber hinaus bekannt und wegen seiner freundlichen, anregenden Art und seiner Leidenschaft für das Wandern ein beliebter authentischer Mensch, dem man gerne begegnete.

Ab 1993 hatte sich aus der Ortsgruppe des Spessartbund heraus und Freunden aus der Region ein „harter Kern“ um Wolfgang Sommer „Ticket“ gebildet, in dem Wandern und Musizieren zur Passion wurde und der mit der Zeit auf rund 30 Personen anwuchs. Kristallisationspunkt dieser Aktivitäten war die „Moselstube“ in der Röthergasse - ein zweites Zuhause und geliebte „Sozialstation“. Dort fand man Trost für die kleinen und großen Wehwehchen des Lebensalltags und immer leuchtete die Lebensfreude in den Augen der Gäste. Die Wirtsleute Margarete und Michael Seidel waren die guten Seelen des Lokals. Ein Haus, in dem man die Geselligkeit bei einem günstig zu erwerbenden Schoppen Wein und im Herbst bei einem Federweißen genießen konnte und in dem das Stimmungshoch und nicht das Gewinnerzielen dominierte.

In der Moselstube fand auch so manches schelmisch ausgedachte außergewöhnliche Ereignis statt. So wurde einmal mitten um Weihnachten herum im Lokal ein größeres Zelt aufgeschlagen und ein Krippenspiel bei geschmücktem Weihnachtsbaum aufgeführt, berichtet ein Beteiligter. Der ein oder andere Schabernack in der geselligen Runde gehörte ebenfalls zu den Ritualen, berichtet ein Wanderer mit einem Schmunzeln um die Lippen. Regelmäßig wurde Gitarre gespielt und gesungen. Besonders die traurigen und melancholischen Lieder hatten es Ticket, dem Wanderer mit dem großen Herzen, angetan.

Dem Leben zugewandt

2006 wurde nach einem doppelten Schlaganfall des Wirtes der Betrieb der Moselstube eingestellt. Ein trauriges Ereignis, der Moselstuben-Stammtisch verlor seine Heimat. Das Gasthaus „ Kaiserpfalz“ wurde zum zweiten geselligen und musikalischen „Wallfahrtsort“, bis auch dieses die Pforten schloss. In den letzten Jahren liebte Ticket den Aufenthalt alleine oder gemeinsam im „Blockhaus“ hoch über der Altstadt, in Gedanken unterwegs auf den Wanderwegen des Lebens.

Dem Leben zugewandt begegnete er seiner Lebenspartnerin Jenny, einer Frau, die ihn viele Jahre bis zu seinem Ende begleitete. Ihre Tochter Kate nahm er an, wie ein eigenes Kind; war ihr ein liebevoller Vater. Wenn er von ihr sprach, leuchteten seine Augen. Ticket war ein warmherziger und gastfreundlicher Geselle, ein Menschensammler, immer auf der Wanderschaft. Ab und zu fand manch ein Reisender, der am Bahnhof gestrandet war, bei ihm eine Unterkunft für die Nacht.

Wolfgang Sommer wurde am 8. März 1947 in Gelnhausen geboren und verstarb am 27. Juli 2020. Mitglied des Spessartbundes war er seit dem 1. Januar 1972 und somit der Wanderer mit der längsten Mitgliedschaft. Bei einigen Wanderfreunden wird Ticket noch lange im Geiste mitwandern.

Foto: Wolfgang „Ticket“ Sommer nach einer Wanderung 1996.
Foto: Vom Zauber des Wanderns - Rhön (1997).
Foto: Wandern- und Lebenslust - auf dem Hohen Meißnsr (1995). Wolfgang Sommer rechts knieend.


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