Geflüchtete als Nachbarn: Wenn der Einkaufswagen dauerhaft im Hof steht

Hammersbach
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Die Unterbringung von geflüchteten Menschen stellt alle Kommunen vor Herausforderungen. Dass Gemeinschaftsunterkünfte keine Dauerlösung sind, ist hinlänglich bekannt. Wenn Menschen auf kleinen Räumen zusammenleben müssen, sind Spannungen vorprogrammiert. Als deutlich bessere Alternative gilt gemeinhin die Unterbringung in privaten Wohnräumen. Doch auch das läuft nicht immer problemlos: Eine Familie aus Hammersbach meldet sich zu Wort und schildert ihre Situation.



In dem Dreifamilienhaus hat die Gemeinde die Dachgeschosswohnung angemietet. Untergebracht sind dort meist fünf bis acht Frauen vom afrikanischen Kontinent, oftmals aus Somalia. „Ich habe mit ihnen Deutsch gelernt, war sogar auf einer Hochzeit“, will sich die Mieterin im Gespräch mit der Redaktion gleich zu Beginn von ausländerfeindlichen Parolen distanzieren. Das Zusammenleben habe mal gut und mal nicht so gut funktioniert, zuletzt aber immer schlechter.

Inzwischen sei die Situation unerträglich und was mit dem Blick von außen möglicherweise als Kleinigkeiten angesehen werden könnte, betrachtet die Familie inzwischen als erhebliche Minderung ihrer Lebensqualität. Die Verantwortung dafür liegt aus Sicht der Familie bei der Gemeinde: „Dort müsste man mal anfangen, eine ordentliche Flüchtlingsarbeit zu machen.“ Soll heißen: Die Frauen werden zu wenig unterstützt, kennen sich mit hiesigen Gepflogenheiten nicht aus. Und das sorgt für Probleme, auch, weil ständig Personen ein- und ausziehen.

Die Familie nennt Beispiele: In der gemeinsam genutzten Waschküche werden ständig ihr Waschmittel mitbenutzt, auch in Waschmaschine und Trockner hat sie schon oftmals fremde Wäsche gefunden. „Dazu kommen ja auch noch Strom- und Wasserkosten“, würden da über die Jahre eine beträchtliche Summe anfallen. Oder der Müll: „Die Frauen kennen keine Mülltrennung“, würden gelbe Säcke, „vollgepackt mit irgendwas“, einfach in die Papiertonne gesteckt. Alternativ liegen die Säcke im Hof rum. Dort stehen auch ständig Einkaufswagen. „Unsere Kinder laden inzwischen keine Freunde mehr ein, weil es ihnen zu peinlich ist“, blieben alle Verständigungsversuche mit den Mitbewohnerinnen ohne Ergebnis. Ein weiteres Problem: Der Lärm aus der Dachgeschosswohnung. „Oft bis spät in die Nacht, sodass wir nicht schlafen können“, hat dies bereits Auswirkung auf die Leistung der Tochter in der Schule. Zudem hätten nicht immer alle Bewohnerinnen einen Schlüssel, sodass bei ihnen geklingelt werde – fast zu jeder Uhrzeit und sehr ausdauernd. So schildert es die Familie.

Finanzielle Folgen habe das Heizverhalten und der Wasserverbrauch in der Dachgeschosswohnung: Die Grundkosten beim Heizöl-Ankauf seien dadurch für alle höher und aufgrund fehlender Wasseruhren im Haus wirkt sich das laut Familie übermäßige Duschen in der Wohnung oben drüber auch auf ihre Nebenkostenabrechnung aus, da er nach einem Personenschlüssel umgerechnet werde. „Somit wird aufgrund des Drecks und des Lärms nicht nur unsere Lebensqualität massiv eingeschränkt, sondern haben auch noch finanzielle Einbußen“, stehe die Wohnung im Erdgeschoss inzwischen leer – die Mietpartei sei aufgrund der Probleme im Haus ausgezogen.

Im April dieses Jahres sorgte dann ein Wasserschaden im Haus erneut für Aufregung: „Nachts begann es plötzlich zu tropfen, schnell floss es die Wände hinunter“, habe die Hauptwasserleitung abgestellt werden müssen, da in der Dachgeschosswohnung niemand geöffnet habe. Als Ursache sei ein verstopfter Duschabfluss festgestellt worden, der die Bewohnerinnen nicht daran gehindert habe, weiter zu duschen. „Das sind die Zustände, denen wir immer ausgesetzt sind, es ist untragbar“, ärgert sich die zweifache Mutter.

Bevor sich die Familie jetzt an die Öffentlichkeit wandte, fand ein intensiver Austausch mit dem Rathaus statt, auch die Polizei soll mehrfach vor Ort gewesen sein. „Da wir Sorge hatten, den ‚Nazi-Stempel‘ verpasst zu bekommen, haben wir lange nach anderen Lösungen gesucht“, hätten auch Treffen im Haus mit der Gemeinde nichts gebracht. Der Ärger und Frust richtet sich daher vor allem gegen die Rathausspitze. Der Vorwurf: Dort werde sich nicht ausreichend um die geflüchteten Menschen gekümmert.

Hammersbachs Bürgermeister Michael Göllner (SPD) ist sich durchaus bewusst, dass die Betreuung von Geflüchteten nicht immer reibungslos verläuft: „Ja, natürlich gibt es Probleme, wir hatten vor fünf Jahren aber auch noch viel mehr Ehrenamtler, von denen sind leider nicht mehr viele übrig geblieben, weil viele ausgebrannt sind. Eine Gemeinde wie Hammersbach hat nicht die Möglichkeit, täglich mit Sozialarbeitern zu arbeiten und diesen Menschen alle Gepflogenheiten beizubringen. Und unsere Mittel sind auch finanziell begrenzt: Wir haben noch viele andere Aufgaben zu bewältigen, für die finanzielle Ressourcen notwendig sind. Das ist eine Zwickmühle, das ist mir durchaus bewusst. Und wir verstehen, dass das Zusammenleben nicht immer einfach ist, aber wir können nicht jeden Geflüchteten an die Hand nehmen, genauso wie wir auch nicht jeden anderen an die Hand nehmen können. Meine Leute und ich tun alles gemeinsam mit den Ehrenamtlern, um die Situation zu bewältigen.“

Laut Familie hat der Vermieter inzwischen der Gemeinde eine Kündigung für die Dachgeschosswohnung ausgesprochen, mangels Alternative befürchtet die Familie allerdings eine Zwangszuweisung. Die eigene Suche nach einer neuen Wohnung in Hammersbach blieb für die Familie bislang erfolglos, in eine andere Gemeinde will sie aufgrund der örtlichen Kontakte nicht ziehen. Ein grundsätzliches Miteinander mit geflüchteten Menschen schließt die Familie übrigens nicht aus: „Aber die Gemeinde ist in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass eine Integration und ein Zusammenleben funktionieren können.“

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