Eugen Gebeschus: Ein Stadtoberhaupt aus Leidenschaft

Hanau
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Der Hanauer Geschichtsverein 1844 e.V. und der Magistrat der Stadt Hanau legen in diesem Jahr bereits die zweite gewichtige Publikation vor.



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In der renommierten Reihe der Hanauer Geschichtsblätter widmet sich Band 52 einem großen Hanauer: "Stadtoberhaupt aus Leidenschaft. Leben und Wirken von Eugen Gebeschus – Hanauer Oberbürgermeister 1893–1916" betitelte der Autor und 3. Hanauer Stadthistoriker Dr. Markus Häfner das 356-seitige, reichhaltig bebilderte Werk.

Die Publikation wird am Donnerstag, 13. Dezember 2018 um 16.30 Uhr – 125 Jahre nach dem Amtsantritt Gebeschus‘ als Hanauer Oberbürgermeister und einen Tag nach seinem 163. Geburtstag (geb. 12. Dezember 1855) im Lesecafé des Kulturforums Hanau, Am Freiheitsplatz 18a, offiziell vorgestellt. Sie wird zudem zusammen mit dem zweiten Band von Günter Rauchs Geschichte Hanaus erstmals käuflich erhältlich sein. Die Gäste erhalten Einblicke in die wichtigsten Stationen aus Gebeschus‘ Leben, die durch Zitate aus seinen Lebenserinnerungen "lebendig" werden. Der Eintritt ist frei.

Die erste Biographie dieses großen Hanauers beleuchtet eingehend sein Wirken in Hanau und wirft zudem den Blick auf seinen Werdegang. So werden die Kindheit und die Schulzeit in Demmin, die Studienjahre und die Heirat in Tübingen, die Tätigkeit als Anwalt und Notar in St. Goarshausen, die erste Stelle im Kommunaldienst als Bürgermeister in Höchst am Main und der Lebensabend in Hanau thematisiert. Zitate aus den Chroniken und Lebenserinnerungen der Familie Gebeschus lassen Eugen Gebeschus zu Wort kommen und vermitteln die Passion, mit der er sein Amt ausfüllte.

"Es war angesichts seiner Leistungen als Oberbürgermeister längst überfällig, sich in einer tiefer gehenden Studie mit seiner Person und seinem Wirken zu beschäftigen", freut sich Oberbürgermeister Claus Kaminsky, über die vorliegende Publikation. "Nur die Beschäftigung mit der Historie lässt uns das heutige Hanau verstehen. Solche Forschungen sind von unschätzbarem Wert und ich bin sehr froh darüber, dass mit dem Stadthistorikerstipendium ein neues Kapitel der Hanauer Geschichte erforscht werden konnte", betont das heutige Stadtoberhaupt.

Ein langer Weg nach Hanau

Gebeschus arbeitete nach dem Studium der Staats- und Rechtswissenschaften in Tübingen und Greifswald, der anschließenden Promotion und dem erfolgreich abgelegten Assessorexamen seit 1884 als Rechtsanwalt in St. Goarshausen. Als erster hauptamtlicher Bürgermeister von Höchst am Main ordnete er seit 1888 die Verwaltungsabläufe neu, führte eine Registratur ein, ließ einen Stadtentwicklungsplan entwerfen sowie ein neues Schulgebäude für das Realgymnasium und einen Erweiterungsbau des städtischen Krankenhauses erbauen. Zudem stieß er eine kommunale Wasserversorgung samt Wasserwerk an, dessen Einweihung sein Nachfolger feiern durfte.

Als Hanauer Oberbürgermeister führte Gebeschus die aufstrebende Kleinstadt an Main und Kinzig in die Moderne und wirkte in dieser Funktion bis zu seinem krankheitsbedingten Ausscheiden 1916. Aufgrund seiner Verdienste folgte noch im selben Jahr die Ernennung zum Ehrenbürger. "Die Hanauer Körperschaften hatten Gebeschus für insgesamt 32 Jahre gewählt – eine heute unvorstellbar lange Schaffenszeit", stellte Michael H. Sprenger, 1. Vorsitzender des Hanauer Geschichtsvereins 1844 e.V., fest. Während seiner dritten Amtszeit zog sich Gebeschus 1916 nach 23 ½ Jahren freiwillig aus dem Amt zurück. Er blieb Hanau verbunden, verstarb zwei Jahrzehnte später am 11. November 1936 und wurde auf dem Hanauer Hauptfriedhof beigesetzt. An seiner Berufswahl hegte Gebeschus keinerlei Zweifel und er ging vollends in seiner Tätigkeit als Stadtoberhaupt auf: "Ich war mit Leib und Seele Verwaltungsbeamter und habe oft scherzweise zu meiner Frau gesagt, ich danke jeden Morgen meinem Herrgott auf den Knien, daß ich Verwaltungsmann geworden bin", schreibt er rückblickend in seinen Lebenserinnerungen.

"Seine Position als Stadtoberhaupt nutzte Gebeschus, um die Versorgung mit Gas und Elektrizität zu sichern, hygienischere Bedingungen durch den Ausbau der Wasserversorgung, der Kanalisation, des Krankenhauswesens und der Sanierung der Altstadt zu erreichen, wirtschaftskräftige Industrien und Garnisonen anzuwerben sowie mit dem Straßenbahnbetrieb und dem Zusammenschluss mit Kesselstadt Hanaus Weg in die Zukunft zu ebnen", fasst Häfner Gebeschus‘ Wirken zusammen.

In seine Amtszeiten fallen zahlreiche Maßnahmen für eine Verbesserung der hygienischen Bedingungen durch den Ausbau der Wasserversorgung mit der Errichtung der beiden Wasserwerke II und III, die Vollendung des Kanalisationsnetzes, den Bau der Kläranlage, zweier Kanalpumpstationen am Kanaltor und auf der Bleiche in Kesselstadt, einer Badeanstalt am Steinheimer Tor sowie den Ausbau des Schlachthofes mit Kühlhaus. Weiterhin stellte er die Strom- und Gasbelieferung durch den Aufbau eines elektrischen Leitungsnetzes und die Errichtung eines Elektrizitätswerkes sowie eine Erweiterung des Gaswerkes mit einem Neubau eines Verwaltungsgebäudes sicher. Im Schulwesen konnte die neu errichtete Eberhardschule einweihen und durfte der 1914 eröffneten Bezirksschule V seit 1925 seinen Namen geben. Ferner stieß er Maßnahmen zur Sanierung der Altstadt an, ließ das Stadttheater umbauen und vermittelte beim Bau des Landgerichts.

Erfolgreiche Verhandlungen waren Gebeschus‘ Markenzeichen. So prägten neben einer Vielzahl von Einzelvorhaben vier wegweisende Entwicklungen seine Amtszeiten: Auf den im Osten der Stadt ausgewiesenen Industrieflächen errichteten die Großunternehmen Dunlop, Heraeus und Brüning (später Degussa) ihre Produktionsstätten. Den Hanauer Verantwortlichen gelang es dabei, das britische Unternehmen Dunlop 1893 zu bewegen, in Hanau die erste Betriebsstätte auf dem Kontinent zu bauen. Nach den großen Brandschäden forcierte Gebeschus 1903 den Neubau des Unternehmens im Freigerichtviertel und kämpfte während des Ersten Weltkrieges um den Erhalt der Arbeitsplätze. Zudem gelang es Gebeschus mit Verhandlungsgeschick die Stationierung zweier Eisenbahnregimenter im Lamboy zu erreichen, die 1910 und 1913 die Kasernen bezogen. Damit festigte er die Stellung Hanaus als Garnisonsstandort.

Industrieansiedlungen und Kasernenbauten stießen die Errichtung neuer Wohngebäude an, woraus sich die heutigen Stadtviertel Freigericht und Lamboy entwickelten. Die steigenden Bevölkerungszahlen und größere Distanzen zwischen den Stadtvierteln führten zur Schaffung eines ÖPNV. So fuhr 1908 die erste Straßenbahn durch Hanau. Doch die freien Bauflächen im stürmisch wachsenden Hanau waren begrenzt. So verhandelte Gebeschus in weiser Voraussicht mit dem Kesselstädter Bürgermeister Wilhelm Geibel über die Eingemeindung der westlich von Hanau liegenden Gemeinde. Die 1907 getroffene Vereinbarung zum Zusammenschluss war für beide Kommunen eine "Win-Win-Situation": Kesselstadt erhielt einen Anschluss an die städtische Kanalisation und Energieversorgung, Hanau große Bauflächen im Westen.

Auch das Mainhafenprojekt hätte Gebeschus gerne vollendet, riet seinen städtischen Körperschaften jedoch 1914 wegen der hohen Kosten für den Grunderwerb davon ab. Diese folgten seiner Fachkenntnis, sodass der Hafen erst 1924 Eröffnung feiern konnte. Obwohl er nicht alle seiner Vorhaben umsetzen konnte, führte er Hanau gegen alle Widerstände mit ruhiger, sachlicher und gewissenhafter Art in die Moderne. "Im beruflichen Leben war Gebeschus zielstrebig, er bereitete Entscheidungen sorgsam vor und prüfte stets die Rechtssicherheit, vielleicht war er etwas pedantisch. Er war ein Macher, ein Alleinentscheider, ein Gestalter, gewiss auch ein ‚Workaholic‘, jemand der auch aneckte: bei seinen Untergebenen, weil er alle Vorgänge genau wissen wollte, bei Vertretern anderer Gemeinden, weil er zum Vorteil Hanaus verhandelte. Stets war er auf der Suche nach dem Besten für das Gemeinwohl seiner Stadt", charakterisiert Häfner Gebeschus in seinem Fazit.

Gefördert durch Stadthistorikerstipendium Häfners Forschungen ermöglichten das seit 2010 in der Brüder-Grimm-Stadt vergebene Stadthistorikerstipendium der Stadt Hanau. Die Ernennung erfolgt auf Vorschlag einer Jury unter Vorsitz des Oberbürgermeisters, die sich aus Vertretern der Geschichtsvereine in Hanau, der Historischen Kommission für Hessen, des Hessischen Staatsarchivs Marburg, des Landesamts für geschichtliche Landeskunde Hessen und des Hanauer Stadtarchivs zusammensetzt. "Die Geehrten behandeln in ihrer zweijährigen Amtszeit ausgesuchte Aspekte der hanauischen Historie von der Vor- und Früh- bis zur Zeitgeschichte und stellen ihrer Erkenntnisse in Vorträgen, Ausstellungen und Publikationen der Öffentlichkeit vor", erläuterte Martin Hoppe, Fachbereichsleiter Kultur, Stadtidentität und internationale Beziehungen der Stadt Hanau, bei dem die Geschäftsführung liegt.

Nachdem 2010/11 sich die beiden renommierten Wissenschaftler Prof. Dr. Gerhard und seine Ehefrau Dr. Katharina Bott verschiedenen kunsthistorischen Themen, wie der Hanauer Stilllebenmalerei, dem Leben und Werk des Grafen Friedrich Casimir von Hanau-Lichtenberg (1623–1685) und der Hanauer Zeichenakademie, dabei Friedrich Bury (1763–1823) im Besonderen, zugewandt hatten, erforschte Dr. Christian Ottersbach (Stadthistoriker für die Jahre 2012/13) in einer großangelegten Studie die Burgen der Herren und Grafen von Hanau in dem Zeitraum von 1166 bis 1642.

Als 3. Hanauer Stadthistoriker, berufen für die Periode 2014/15, wertete Häfner für seine biographisch angelegte Studie bislang noch nicht erschlossene Quellen aus: besonders die autobiographischen Selbstzeugnisse von Eugen Gebeschus, aber auch seines jüngeren Sohnes Kurt, welche sich einerseits im Hanauer Stadtarchiv, andererseits im Besitz der Nachfahren befinden. Gerade auch viele, bisher unveröffentlichte Fotos aus Familienbesitz konnten so im Zuge seiner Forschungstätigkeit entdeckt werden. "Hierfür gebührt der Familie ein herzliches Dankeschön, denn es ist nicht selbstverständlich, einen Forscher derart tief in der Familiengeschichte graben zu lassen", bedankte sich Häfner für die Einsicht in die Unterlagen und die Abdruckerlaubnis der Bilder aus Familienbesitz.

Neben zahlreichen Archivalien aus den Beständen das Hanauer Stadtarchivs basiert seine Studie zudem auf den Verwaltungsberichten der Hanauer Stadtverwaltung der Jahre 1880 bis 1930, die er in der Staatsbibliothek zu Berlin fand. "Die Berichte sind für alle Historiker, die sich mit der Hanauer Geschichte des Kaiserreichs befassen wollen, eine Quelle von unschätzbarem Wert und bieten eine Fülle von Informationen für weitere Forschungen zur Stadthistorie", erläuterte er.

Aus Hanau stammender Autor

Häfner, gebürtiger Hanauer und mit der Hanauer Geschichte gerade des 20. Jahrhunderts bestens vertraut, stellte in der vom 15. September 2016 bis 29. Januar 2017 im Stadtladen/Rathaus Hanau zu sehenden Tafelausstellung "Dr. Eugen Gebeschus (1855-1936) – Leben und Wirken in Hanau" erste Erkenntnisse seiner Forschungen vor. Im Vorfeld der Staffelübergabe an den 4. Stadthistoriker, Dr. Torben Giese, der sich der Hessischen Verwaltungs- und Gebietsreform widmet, präsentierte er in seinem Vortrag den Zuhörerinnen und Zuhörern die Charakterzüge von Eugen Gebeschus.

Mit der aktuellen Veröffentlichung legt er nun ein maßgebliches Werk zur Hanauer Geschichte an der Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert vor. "Abschließend erforscht ist diese Phase damit keineswegs. Zahlreiche Aspekte hätten noch vertieft werden können, aber der Fokus lag auf Gebeschus‘ Wirken und nicht auf einer allumfassenden Darstellung", so Häfner.

Häfner verfasste zahlreiche Aufsätze zur Hanauer Historie und publizierte mehrere Werke zur Hanauer Stadtgeschichte, u.a. seine als Hanauer Geschichtsblätter Band 49 veröffentlichte und mit dem Otto-Borst-Preis ausgezeichnete Dissertation "»Jede Stadt braucht ihr Gesicht«. Der Wiederaufbau der Stadt Hanau nach 1945 – Zwei Dekaden zwischen Zerstörung und Urbanität". Seit 2013 gibt er zusammen mit den Vorsitzenden des Hanauer Geschichtsvereins 1844 e.V. das "Neue Magazin für Hanauische Geschichte" heraus.

Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Stadtgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts sowie in didaktischen Abhandlungen zum Lernen mit digitalen Medien und im Archiv. Zusammen mit Klaus Janke legte Häfner 2018 die Publikation "Banker, Bordelle & Bohème: Die Geschichte des Frankfurter Bahnhofsviertels" vor. Die gleichnamige Ausstellung und bis 7. April 2019 im Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main zu sehende Schau kuratierte Häfner ebenfalls. Der 3. Hanauer Stadthistoriker leitet seit 2016 die Abteilung Public Relations im Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main und arbeitet gegenwärtig an einer Ausstellung zur Historie der Mainmetropole in den 1960er Jahren. "Zwar sind mit seiner Gebeschus-Biographie seine Hanau-Forschungen vorerst abgeschlossen, als Mitarbeiter im Frankfurter Kommunalarchiv bleibt sein Fokus weiter auf das Rhein-Main-Gebiet und so sicher auch auf die Brüder-Grimm-Stadt gerichtet", erhofft sich Martin Hoppe weitere Impulse zur Hanauer Stadtgeschichte.

Bezugsquellen

Markus Häfner, Stadtoberhaupt aus Leidenschaft. Leben und Wirken von Eugen Gebeschus – Hanauer Oberbürgermeister 1893-1916 (= Hanauer Geschichtsblätter 52), Hanau 2018. 356 S., zahlr. farbige und s/w-Abbildungen, ISBN 978-3-935395-31-1. Erhältlich im Hanauer Stadtarchiv und über den Hanauer Geschichtsverein 1844 e.V. Preis: 25 Euro, Vereinsmitglieder zahlen 10 Euro.

Foto: Dr. Eugen Gebeschus im Jahr 1927. Damals war er 72 Jahre alt.
Foto: Verband die Hanauer Stadtteile miteinander: Straßenbahn in der Frankfurter Landstraße, um 1915-1920 © Stadtarchiv Hanau
Foto: Postkarte mit Motiven der Kasernenbauten für das Eisenbahnregiment Nr. 3, um 1910-1915 © Stadtarchiv Hanau
© Magistrat der Stadt Hanau / Hanauer Geschichtsverein 1844 e.V.
© Foto: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main


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