„Der neue Koalitionsvertrag stützt unsere Position zur Kreisfreiheit“

Hanau
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"Äpfel und Birnen lassen sich nicht vergleichen, auch wenn beides Kernobst ist und auf einem Baum wächst," mahnt Oberbürgermeister Claus Kaminsky, die Entscheidung des baden-württembergischen Landtags, die Stadt Reutlingen nicht in die Kreisfreiheit zu entlassen, nicht auf Hanau zu übertragen.



Die Ausgangsvoraussetzungen und Rahmenbedingungen seien in der bisherigen Kreisstadt völlig andere als in Hanau, insofern tauge die Ablehnung dort nicht als Vorhersage für den Ausgang des Verfahrens in der Brüder-Grimm-Stadt.

Die Kommune in Baden-Württemberg hatte im Juli 2015 den Antrag gestellt, den gleichnamigen Landkreis Reutlingen zu verlassen zu dürfen, um künftig als sogenannter Stadtkreis zu agieren. "Ähnlich wie auch bei uns gab es dafür kein Vorbild für diesen Prozess." Deshalb habe man die Entwicklung zum Thema Kreisfreiheit dort aufmerksam verfolgt, allerdings mit dem eindeutigen Ergebnis, dass sich die Verhältnisse nicht vergleichen ließen.

Einer der augenfälligsten Unterschiede zwischen den beiden Verfahren sei die Tatsache, dass es sich bei Reutlingen um die Kreisstadt des gleichnamigen Landkreises handele. "Im Main-Kinzig-Kreis ist eben nicht die einwohnerstärkste Kommune der Sitz der Kreisverwaltung, sondern der befindet sich im 30 Kilometer entfernten Gelnhausen." Auch der Blick auf den Anteil der Gesamtbevölkerung an dem Landkreis legt nach den Worten des OB einen deutlichen Unterschied offen. Während dem Main-Kinzig-Kreis bei einer Auskreisung von Hanau rund 23 Prozent der Bevölkerung entzogen würden, liegt die Quote in Reutlingen bei rund 40 Prozent. "Das heißt konkret, dass in einem Main-Kinzig-Kreis ohne Hanau rund 320.000 Menschen leben. Der Landkreis Reutlingen hat in seiner jetzigen Ausgestaltung rund 278.000 Einwohnern, so dass nach einer Auskreisung nur rund 160.000 Einwohner verbleiben würden." Dass ein solcher Einschnitt durchaus nachteilige Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des Kreises haben könne, sei angesichts dieser Zahlen durchaus vorstellbar, so der OB. "Die Kosteneffizienz des Main-Kinzig-Kreises verschlechtert sich dagegen durch das Ausscheiden der Stadt Hanau nicht."

Weitere Unterschiede ergeben sich bei einer genaueren Betrachtung der kommunalen Struktur. So habe die Stadt Reutlingen kein eigenständiges Krankenhaus. Es gebe nur eine Kreissparkasse und sie sei nicht Schulträger für die Berufsschulen. "Hanau hat dagegen ein eigenes Klinikum. Wir haben eine berufliche Schule und zudem die die Geschäftsführung eines Zweckverbandes für zwei weitere berufliche Schulen." Anders als die baden-württembergische Kommune sieht Hanau seine Verantwortung auch im Bereich des ÖPNV, was sich unter anderem darin widerspiegelt, dass die Stadt Gesellschafterin der Rhein Main Verkehrsverbund (RMV) GmbH ist, die den regionalen Nahverkehr regelt.

Auch dass die Stadt Reutlingen nicht alle Aufgaben des Landkreises in eigene Regie übernehmen wolle, unterscheidet die beiden Verfahren nach Ansicht des Hanauer Oberbürgermeisters ganz erheblich. "Für uns ist genau dieser Aspekt eine ganz wesentliche Triebfeder", erinnert Kaminsky daran, dass die Stadt schon heute Leistungen erbringe, die üblicherweise bei den Landkreisen angesiedelt seien. Als Beispiele seien hier die Bauaufsicht, die Schulträgerschaft sowie die Jugendhilfeträgerschaft genannt. "Da wir der festen Überzeugung sind, dass die Qualität steigt, je näher wir die Entscheidungen an den Ort bringen, an dem die Leute leben, wollen wir als kreisfreie Stadt für alle denkbaren Bereiche die Verantwortung übernehmen." Das bedeute mehr Bürgernähe, nicht nur im Sinne von erfreulich kurzen Wegen für die Bürgerschaft, sondern auch bezogen auf eine bessere, weil unmittelbarere Wahrnehmung von Bürgerinteressen. Im Übrigen untermauere der in Hessen gerade geschlossene Koalitionsvertrag zwischen CDU und Grüne die Hanauer Haltung in dieser Frage aufs Beste. Dort ist, verweist OB Kaminsky, in Ziffer 135 festgehalten: "Wir stehen zur kommunalen Selbstverwaltung. Für uns hat das Subsidiaritätsprinzip hohe Bedeutung: Aufgaben, die vor Ort in den Kommunen am besten erledigt werden können, sollen dort angesiedelt sein und weitestgehend eigenverantwortlich gestaltet werden." Vor diesem Hintergrund gehe er davon aus, dass das Land den Prozess und Weg in die Kreisfreiheit konstruktiv und zielführend begleiten werde.

Ganz in diesem Sinne werden die jetzt vom Main-Kinzig-Kreis angestoßenen Erhebungen und Betrachtungen ausdrücklich begrüßt. "Wir haben von Anfang an auf konstruktive Gespräche gesetzt." Auch die frühzeitige Festlegung, wie die künftige Aufgabenverteilung zwischen Stadt und Kreis aussehen solle, oder die klare Ansage, dass es selbstverständlich eine gute Regelung im Interesse der Mitarbeiterschaft geben müsse, dokumentieren nach Ansicht des Hanauer Oberbürgermeisters klar das Bestreben der Stadt, den Schritt in die Kreisfreiheit verträglich zu gestalten. "Wir sind gespannt, welche Ergebnisse das vom Kreis in Auftrag gegebene Gutachten bringt, und hoffen, dass uns dies auch zeitnah mit allen Zahlen zugänglich gemacht wird." Die Hoffnung des Landrats, die bilateralen Gespräche zwischen Stadt und Kreis in der ersten Jahreshälfte 2019 mit einer Einigung abzuschließen, könne er nur unterstützen, so OB Kaminsky. "Es gibt ausdrücklich keinen Dissens in der Frage, dass die Auskreisung fair und verträglich für alle Beteiligten stattfinden soll und wird."


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