Hanauer Friedensplattform empört über militaristische Ausstellung

Hanau
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Acht Mitglieder der Hanauer Friedensplattform haben gemeinsam die Ausstellung „Hanau in feldgrauer Zeit“ im Schloss Philippsruhe besucht. Alle Teilnehmer waren sich einig, dass sie diese Geschichtsdarstellung als Skandal betrachten. Diese Kritik wurde in der Jahresabschlusssitzung der Friedensplattform einstimmig unterstützt.



Von einer „differenzierten Betrachtung“, wie sie die Ausstellungsmacher für sich beanspruchen, könne keine Rede sein. "Von Deutschland gingen zwei furchtbare Weltkriege aus, die 70 Millionen Tote forderten. Hier wäre eine kritische Darstellung der preußisch-militaristischen Staats- und Gesellschaftsstrukturen, die vor 1914 ähnlich wie später der Nazi-Faschismus auf Eroberungskriege zielten, unerlässlich gewesen. Zum Beispiel hätte der lange geheim gehaltene Schlieffen-Plan von 1905 erwähnt werden müssen, der auf einen Weltkrieg hinauslief. Die Ausstellung strotzt von Militaria, die jedoch in keinen gesellschaftlich-politischen Zusammenhang gestellt werden. Unwichtige Einzelheiten wie eine Aufstellung der Standorte verschiedener Bataillone nehmen den größten Raum ein. Einzelne Bataillone werden lobend erwähnt: 'Hier gelang es den Reserve-88ern, allen schweren Angriffen der Franzosen zu trotzen und ihrerseits über gut geplante Unternehmungen ihre eigene Stellung umfassend umzubauen.' Auf einem Plakat ist ein siebzehnjähriger Junge in Uniform abgebildet. Warum enthält die Ausstellung keine Kritik daran, dass solche halben Kinder für deutsche Großmachtinteressen abgeschlachtet wurden? Dass sie missbraucht wurden? Kein Wort auch darüber, dass französische, deutsche und andere europäische Arbeiter z. B. auf Friedenskongressen der Sozialistischen Internationale sich bis 1912 geschworen hatten, nicht aufeinander zu schießen. Ungeheuerlich: Der Errichtung eines Kriegerdenkmals mit einem Soldaten in aggressiv-heroischer Pose ist ein eigener Ausstellungsraum gewidmet. Während der Nazizeit, 1938, konnte ein Kriegerverein die furchtbare Vergangenheit als Heldentum darstellen. Ein Jahr später begann das neue Schlachten. Dürfen wir eine solche Haltung heute hinnehmen?", heißt es in einer Pressemitteilung.

Die größte Kritik hat die Friedensplattform jedoch an der Darstellung der Novemberrevolution von 1918. Die Freikorps, die Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordeten, würden verharmlosend als „teilweise reaktionär“ bezeichnet. Sie seien jedoch direkte Vorläufer späterer faschistischer Verbrecherformationen gewesen. Auch in Hanau seien Freikorps zur Niederschlagung der Revolution eingesetzt worden. Die Ausstellungsmacher würden dazu sagen, „Ruhe und Ordnung“ seien wiederhergestellt worden. "

Worum es den Hanauer Revolutionären ging, wird in der Ausstellung nicht erwähnt. Auch nicht, dass sie auf eine große revolutionär-demokratische und sozialistische Tradition aufbauen konnten. Die große Mehrheit der Soldaten und Arbeiter hatte 1918 endgültig genug vom Krieg. Sie forderte ein sofortiges Kriegsende und die Abschaffung des Kaiserreiches, das dieses Verbrechen zu verantworten hatte. Wichtige Dokumente wie den Zeitzeugenbericht von Friedrich Schnellbacher über die Novemberrevolution in Hanau, das Buch der Historikerin Judit Pákh oder die Untersuchung der lokalen Ereignisse von Hartfried Krause (1977) haben die Ausstellungsmacher offensichtlich nicht beachtet. Hanau war eine starke Bastion der Arbeiterbewegung. Andere Städte wie Kiel, Braunschweig, Berlin würdigen zum 100. Jahrestag die revolutionäre Geschichte ihrer Stadt, indem sie das hervorheben, was von der Revolution übrigblieb: die Errichtung einer parlamentarischen Republik, das Frauenwahlrecht, die Abschaffung des Dreiklassen-Wahlrechts, der Achtstundentag, die Anerkennung der Gewerkschaften, die Betriebsräte. Ja, selbst das das lippische Landesmuseum in Detmold feiert mit der Ausstellung “Revolution! Lippe 1918“ den Aufbruch in die Demokratie. Und Hanau? Hanau leistet sich eine zutiefst provinzielle, rückwärtsgewandte und den Militarismus verherrlichende Ausstellung. Wir erwarten von der Stadt Hanau, dass sie diese einseitige Darstellung nicht so stehen lässt. Wir wünschen uns eine Ausstellung, die die Geschichte der Hanauer Arbeiterbewegung und auch der Friedensbewegung würdigt. Die Dauerausstellung im Schloss Philippsruhe sollte den reichen Schatz an Material dazu endlich öffentlich zeigen. Es darf nicht sein, dass die Stadt Hanau einer solchen Geschichtsverzerrung Geld und Räume zur Verfügung stellt. Das geplante Militärmuseum lehnt die Friedensplattform daher entschieden ab", erklären Doris Werder (Hanau), Erich Ehmes (Hanau) und Heinz Leipold (Erlensee) für die Hanauer Friedensplattform.


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