Hanauer Stadtgeschichte in wiederentdeckten Filmen der Vorkriegszeit

Hanau
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Das Hanauer Bildarchiv birgt nicht nur viele historische Fotografien der Stadt, sondern als besonderen Schatz zwei 10minütige Dokumentarfilme aus dem Jahr 1938, die das unzerstörte Hanau zeigen. Die Filme stammen vom ehemaligen Stadtfotografen Franz Weber und waren lange Jahre nicht zu sehen. Roland v. Gottschalck, heutzutage Fotograf im Bildarchiv Hanau, gibt Auskunft über diese beiden Filme und macht neugierig auf ihre Vorführung im Januar im KINOPOLIS HANAU.



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Die Matinee KINO VARIETE RheinMain – eine Region entdeckt ihre lokale Filmgeschichte - findet am Sonntag, 20. Januar, um 11.30 Uhr statt und ist eine Koproduktion des Kulturfonds FrankfurtRheinMain mit der ARTE-Filmredaktion im ZDF sowie dem Fachbereich Kultur, Stadtidentität und Internationale Beziehungen der Stadt Hanau. Unterstützt wird die Veranstaltung vom Kinopolis Hanau und der Stiftung der Sparkasse Hanau. Karten zu 15 Euro sind an der Kinokasse oder via Internet www.kinopolis.de erhältlich.

Was weiß man vom Stadtfotografen Franz Weber? Er starb 1984 hochbetagt mit 90 Jahren.
Roland v. Gottschalck: "Was ich über Franz Weber weiß, liegt jeden Tag zu meinen Händen. Er war es, der unser Archiv begründet hat, der es jahrelang bis zu seiner Pensionierung führte und es vorbildlich seinen Nachfolgern hinterließ. Man muss bedenken, dass  fast die ganze Positivkartei im Krieg 1945 vernichtet wurde. Die Negative waren sicher ausgelagert und so konnte Weber mit seiner Mitarbeiterinnen, Photographenmeisterin  Elisabeth Schmincke und Bianca Müller,  recht zügig die neue Kartei ausarbeiten. Ein Riesenaufwand,  jede einzelne Belichtung neu als Kontakt zu belichten, auf eine Karteikarte aufzukleben und noch zu beschriften. Grandios – diese Drei!  Lehrer ist er gewesen und scheinbar sehr beliebt, weil oft Besucher bei uns Gast sind, die noch von ihm als ihrem Pädagogen zu berichten wissen.  Die allgemeinen Lebensdaten unseres Gründers sind ansonsten bekannt."

Warum hat sich Franz Weber wohl diese beiden Ereignisse im Jahre 1938 herausgesucht: das Lamboywald-Fest und die Herbstmesse?
Roland v. Gottschalck: "Darüber kann man nur spekulieren. Ich nehme an, dass Weber damals erste Versuche mit der Filmerei unternahm und da er die beiden Feste in 1938  ohnehin fotografisch dokumentierte, lag es nah, auch mal mit der 16mm Kamera die Feste aufzusuchen. Unbekannt ist, ob ihm jemand zur Hand ging. Die filmische Qualität zeugt hier von gutem und solidem Handwerk."

Als Fotograf und Archivar des großen Hanauer Bildarchivs kennen Sie sich ja bestens mit der Hanauer Stadtgeschichte aus. Bieten diese Filme mehr als Fotos, die vor 80 Jahren entstanden?
Roland v. Gottschalck: "Gefilmte Bilder sind fast immer aussagekräftiger, weil sie nicht als eingefrorene Konstante daherkommen. In der Halbtotalen oder der Totalen kann das bewegte Bild viel mehr zeigen und Schwenks lassen den Betrachter unmittelbar in das Geschehen eintauchen. Im Detail sind dann vielleicht  Fotos wieder besser. Wie dem auch sei, beide Formate ergänzen sich hier vorzüglich. Leider hat Franz Weber das Medium Film nachher wieder vernachlässigt."

Von ihm sind bei uns wohl nur vier Filme erhalten Ist bekannt, wo und wie diese Filme vorgeführt wurden? Sollten sie das Foto-Archiv ergänzen?
Roland v. Gottschalck: "Natürlich dienten die Filme zur Ergänzung des Bildarchives und sicherlich wurden sie nach ihrem Schnitt vorgeführt, wo und wann ist leider nicht dokumentiert."

Mit welchem Auftrag wurde die Stadtbildstelle von der NS Behörden eingerichtet: war das eine Art Heimatschutz?
Roland v. Gottschalck: "Im Juni 1934 gab es einen Reichserlass des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, der die reichsweite Einrichtung  von Landes-, Kreis- und Stadtbildstellen anordnete. Unser Haus wurde dann sehr schnell am 27. Oktober 1934, also genau vor 85 Jahren, eben durch Franz Weber begründet. Weber war Parteimitglied, wie fast alle Beamte im Schuldienst und erkannte die Zeichen der Zeit. Eine fotografische Eigensammlung hatte er sich schon erarbeitet, teilweise auch mit seinen Schülern, die ihre Stadt oder das Umland mit der Kamera auch heimatkundlich erkundeten. Sein leidenschaftliches Interesse für die ‚neuen Unterrichtsmedien‘  war wohl die treibende Kraft seines Schaffens und er bediente sich der damaligen Möglichkeiten, sein ‚Hobby zum Nebenberuf‘ zu machen. Seine Parteimitgliedschaft war da sicher hilfreich, aber nicht vordergründig.  Seine Dienststellung als Leiter einer Stadtbildstelle - und nicht das Parteiabzeichen - half ihm beim Überleben, weil diese Dienststellen-Leiter nicht zum aktiven Kriegsdienst eingezogen wurden.  Er war da wohl, wir würden heute sagen, pragmatisch."

Die Filme wurden original auf 16mm gedreht.  Sind sie noch in gutem Zustand oder sind sie restaurierungsbedürftig? Das Material hält ja nur ca. 60 Jahre.
Roland v. Gottschalck: "Ja, ich habe selbst gestaunt, sehr gut erhalten. Außer einer dicken Schicht Staub auf den Filmdosen, lagen die beiden Filme fast unberührt in unseren Regalen. Vielleicht liegt es daran, dass die nach 1945 wahrscheinlich nur noch ganz selten herausgeholt und gezeigt worden sind. Trotz des relativ guten Zustandes würde ich eine Restaurierung trotzdem empfehlen. Wir werden das mit unseren Leitern bestimmt noch besprechen."

Wie oft wurden diese Filme schon angefragt? War für Sie die Digitalisierung ein Anlass, die Filmkopien für die Aufführung zur Verfügung zu stellen?
Roland v. Gottschalck: "Meines Wissens, seitdem ich im Hause bin, noch nie.  Selbstverständlich war das Projekt KINO VARIETÉ RheinMain jetzt ein Anlass die Filme rauszuholen. Eine professionelle digitale Abtastung und Aufbereitung der analogen Vorlagen und gleichzeitig mit den neuen digitalen Daten eine öffentliche Aufführung mitzugestalten, da wollten wir natürlich dabei sein. Zudem bekommen wir hochaufgelöste Files unserer beiden Filme zurück. Dafür allen Beteiligten des Projektes schon jetzt mal ein dickes Lob."

Planen Sie eine Präsentation im Medienzentrum, oder wo kann sich die interessierte Öffentlichkeit die Filme in Zukunft ansehen?
Roland v. Gottschalck: "Wir feiern ja in 2019 unseren 85. Gründungstag. Da gibt es eine kleine aber feine Ausstellung bei uns und wir werden beide Filme sicher nochmals hier im Kulturforum aufführen. Die Termine werden rechtzeitig bekannt gegeben."


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