GEW: "Herr Bouffier, Schluss mit den Lippenbekenntnissen!"

Hanau
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Angesichts der unfassbaren und grauenvollen Gewalttaten, die Hanau und die gesamte Republik in der vergangenen Woche erschüttert haben, sind am Folgetag Bundespräsident Steinmeier und der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier nach Hanau gekommen, um den Angehörigen der Opfer ihr Mitgefühl auszusprechen und die Zivilgesellschaft zu einem Zusammenstehen gegen den rechten Terror aufzurufen.



"Beiden gilt unser Dank dafür. Doch im Falle des Ministerpräsidenten stellt sich uns die Frage, ob dieser Ministerpräsident, der in Hanau rechte Gewalt verurteilt, nicht der selbe Ministerpräsident ist, der seit Jahren nach Kräften die Aufklärung der NSU-Morde und die Verstrickung des hessischen Verfassungsschutzes darin behindert? Beabsichtigte Sperrung der Verfassungsschutz-Akten auf 120 (!!!) Jahre, widerwillige Verkürzung auf 30 Jahre und standhafte Weigerung, sie sofort offenzulegen! Es stellt sich uns die Frage, ob es der selbe Ministerpräsident ist, unter dessen Innenminister sich rechtsradikale Netzwerke in der Polizei haben ausbilden und ausbreiten können? Es stellt sich uns die Frage, ob es der selbe Ministerpräsident ist, dessen politischer Freund und Vorgänger im Amt, Roland Koch, mit der Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft gezielt Wahlkampf am rechten Rand betrieben und damit den Diskurs in Hessen stark nach rechts gerückt hat? Und der dafür wiederum von diesem Ministerpräsidenten Bouffier die Wilhelm-Leuschner-Medallie erhalten hat, was den Grundsätzen der höchsten hessischen Auszeichnung und dem Andenken an den Antifaschisten Leuschner Hohn spricht! Es stellt sich uns die Frage, ob es der selbe Ministerpräsident ist, dessen Kultusminister gemeinsam mit dem Innenministerium kürzlich eine die Realitäten verzerrende Kampagne gegen Linksextremismus in die Schulen getragen und damit auf fahrlässige Weise die Gefahren des Rechtsextremismus verharmlost hat? Dessen Kultusminister sich bis heute nicht in der Lage dazu sieht, den Faschisten Björn Höcke, einen verbeamteten hessischen Geschichtslehrer, aus dem hessischen Staatsdienst zu entfernen?", heißt es in einer Pressemitteilung des Kreisverbandes Hanau der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).

Und weiter: "Das sind die Fragen, die wir uns angesichts der Worte 'unseres' Ministerpräsidenten stellen. Die Fragen, die er sich stellen sollte, sind allerdings noch viel gewichtiger: Welchen Anteil er und seine Regierung an der Situation haben, die solche Gewalttaten in Hessen möglich gemacht haben? Wolfhagen, Wächtersbach, Hanau in der jüngsten Vergangenheit, Kassel vor knapp 15 Jahren! Welchen Anteil er und seine Regierung daran haben, dass die hessische Polizei nicht nur Mitbürgerinnen und Mitbürger beschützt, sondern einige der Polizisten als 'NSU 2.0' Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Migrationsbiographie und deren Kinder mit dem Tod bedrohen? Welchen Anteil er und seine Regierung am Erstarken fremdenfeindlicher Parteien auch in unserem Bundesland haben? Wohl nicht von Ungefähr hatte die AfD bei der letzten hessischen Landtagswahl die höchsten Zugewinne in einem westdeutschen Bundesland! Leider erkennen wir an den Worten des Ministerpräsidenten nicht, dass er seine Verantwortung zu all dem hinterfragt. Wir stehen als Lehrerinnen und Lehrer, Beamte wie Angestellte, für unsere Verfassung ein, die zu achten und zu schützen wir gelobt haben. Wir erziehen unsere Schülerinnen und Schüler zu staatsbürgerlicher Verantwortung, wie es das Hessische Schulgesetz von uns verlangt. Wir verteidigen die freiheitliche pluralistische Gesellschaft, indem wir unseren Schülerinnen und Schülern humanistische Werte wie Vielfalt, Toleranz und Wertschätzung vorleben und vermitteln. Herr Bouffier, ergreifen auch Sie Ihre Verantwortung! Schluss mit den Lippenbekenntnissen! Lassen Sie Ihre Worte ehrliche Worte werden und sorgen Sie dafür, dass die Menschen in unserem Land unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihrer Religion, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung frei von Angst sicher leben können und eine solche Tragödie wie die der vergangenen Tage nicht noch einmal erleben müssen!"


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