Über diese Entscheidung zeigte sich Bürgermeister und Sozialdezernent Axel Weiss-Thiel sehr erleichtert: "Dafür haben wir uns von Anfang an eingesetzt. Es ist nicht verständlich, dass dies in Hessen als einzigem Bundesland bisher nicht erfolgt ist!" Das Jugendamt arbeite seit Anbeginn der Coronakrise in Notbesetzung weiter, doch Kinderschutz müsse rund um die Uhr sichergestellt werden, so der Bürgermeister. "Hierfür benötigen wir auch das Personal, dass zur Kinderbetreuung in Homeoffice arbeitet. Je weniger Kollegen und Kolleginnen vor Ort im Dienst sind, umso schwieriger ist es, den Kinderschutz sicher zu stellen. Das geht auch nicht über Videokonferenzen zu regeln."
In der Tat zeigt sich mittlerweile ein Fallzahlenanstieg im Bereich der Krisenintervention des KSD. "Seit Ostern erhalten wir vermehrt Gefährdungsmeldungen, die überprüft werden. Je länger das Kontaktverbot in Hessen andauert, umso schwieriger wird die Situation für Familien", berichtet Andrea Knips-Profeld, Leiterin des Amts für Soziale Prävention. Erschwerend komme hinzu, dass die freien Träger der Erziehungshilfe ihrem Betreuungsumfang in Familien (sozialpädagogische Familienhilfen, Einzelbetreuungen) ebenfalls nicht mehr in Gänze nachkommen könnten. Die Gründe dafür seien vielfältig: "Manche Familien schränken aus Angst vor Infizierung den Kontakt ein; auch haben freien Träger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zur Risikogruppe zählen oder aber die zur Kinderbetreuung in Homeoffice arbeiten", berichtet die Amtsleiterin, denn auch diese Berufsgruppe (ambulante Erziehungshilfe) zähle nicht zu den systemrelevanten Berufsgruppen in Hessen, die Anspruch auf Kinderbetreuung hätten.
Ein Lichtblick in diesen stürmischen Zeiten sieht der Bürgermeister Weiss-Thiel in der guten und engen Kooperation zwischen den freien Trägern der Erziehungshilfe mit dem Jugendamt. "Wir haben starke Kooperationspartner. Daher ist es uns gelungen mit zwei stationären Trägern Inobhutnahmestellen zu konzeptionieren, die infizierte oder unter Quarantäne stehende Kinder und Jugendliche in Obhut nehmen können. Das ist nicht selbstverständlich und hat in Hessen Seltenheitswert", vermutet Weiss-Thiel.
Das Albert-Schweitzer-Kinderdorf sieht eine Inobhutnahmestelle für bis zu neun Minderjährige vor. Das Haus in Hammersbach ist gezweiteilt, so dass in einer Etage infizierte Kinder aufgenommen werden können und in einer anderen Etage unter Quarantäne stehende Kinder Aufnahme finden. "Das nimmt Druck aus dem Kessel" sagt Knips-Profeld, denn hier hätten die Jugendämter in den vergangenen Wochen die Luft angehalten und sich gefragt, wo sie betroffene Kinder im Fall der Fälle zur Inobhutnahme unterbringen können. "Die Situation ist derzeit insgesamt sehr angespannt", berichtet die Amtsleiterin. "Es ist extrem schwierig, ein Kind oder einen Jugendlichen in stationärer Erziehungshilfe unterzubringen, wenn keine Negativtestung vorliegt. Manche Einrichtungen wollen wegen der Coronakrise auch in Notsituationen keine Vorstellungsgespräche mit Kindern oder Jugendlichen vereinbaren."
Ebenfalls eine Seltenheit in Hessen und bundesweit angefragt ist die Inobhutnahmestelle des Behindertenwerkes Main-Kinzig-Kreis. Hier können auch schwer- und mehrfachbehinderte Kinder in Obhut aufgenommen werden, die in einer regelhaften Inobhutnahmestelle der Jugendhilfe aufgrund des pflegerischen Bedarfes nicht versorgt werden können. "Auch BWMK erklärte sich spontan bereit, eine Inobhutnahmmöglichkeit für infizierte, teilhabebeeinträchtigte Kinder zu schaffen, als das Jugendamt darum bat", berichtet Knips-Profeld. "Hiervor haben wir großen Respekt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Inobhutnahmestellen setzen sich natürlich somit auch einem gesundheitlichen Risiko aus, ähnlich wie Ärzte und Pflegepersonal, die infizierten Menschen versorgen und pflegen." In den vergangenen Wochen habe es Grenzsituationen gegeben, in denen eine Inobhutnahme durch das Jugendamt - bei bestehendem Verdacht auf Coronainfizierung - geprüft worden sei, berichtet die Amtsleiterin, doch "bisher wurde noch keine Unterbringung notwendig".
"Wir sind sehr froh, dass wir in Hanau so ein gutes Netzwerk und so verlässliche Kooperationspartner haben", sagt Weiss-Thiel. "Wir können nicht erst auf die Suche nach Plätzen gehen, wenn der erste Fall da ist. Wir müssen vorbereitet sein!", so der Bürgermeister. Umso dankbarer sei man den Kooperationspartnern Albert-Schweitzer-Kinderdorf und dem Behindertenwerk des Main-Kinzig-Kreises, dass sie im Interesse der Kinder der Seite des Jugendamts Seite stünden.
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