„Eine neue Phase des Trauerns und Gedenkens beginnt“

Hanau
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"Ein halbes Jahr nach dem rassistischen Attentat vom 19. Februar weiß ich, dass wir mit unserer Haltung gegenüber den Angehörigen der Opfer sowie den Hanauer Bürgerinnen und Bürger auf dem richtigen Weg sind. Jetzt gehen wir in eine neue Phase der Trauerarbeit und des Gedenkens über", so Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD): "Das Schicksal der Opfer wird auf alle Zeiten im kollektiven Gedächtnis der Hanauer Stadtgesellschaft verankert bleiben. Wir stehen den Angehörigen der Opfer im persönlichen Austausch bei der Trauer- und Gedenkarbeit zur Seite und helfen ganz konkret, wo wir können."



So seien die nächsten Schritte der Erinnerungskultur an öffentlichen Plätzen in der Stadt in Planung. Kaminsky: "Der 19. Februar 2020 ist der dunkelste Tag für Hanau in Friedenszeiten. Diesen Frieden in der Stadtgesellschaft zu erhalten, fordert uns alle gemeinsam"

Am Mittwoch ist das rassistisch motivierte Attentat genau ein halbes Jahr her. "In dieser Woche", weiß OB Kaminsky, "wird Hanau wieder besonders im öffentlichen Fokus stehen – und das ist auch richtig und wichtig. Denn diese abscheuliche Tat erfordert in diesen Zeiten die klare Erinnerung, dass in Hanau kein Platz für Rassismus und Gewalt ist, dass wir hier für Respekt, Toleranz und Zivilcourage stehen. Hanau steht zusammen. Das ist vom Tag nach den Gräueltaten an das in Solidarität und Nächstenliebe gelebte Motto der Hanauerinnen und Hanauer." In den späten Abendstunden des 19. Februar waren neun Menschen mit ausländische Wurzeln Opfer des rassistisch motivierten Attentats geworden. Danach tötete der Täter seine Mutter und sich selbst.

Ihre Betroffenheit und Anteilnahme zeigte die Hanauer Stadtgesellschaft vom Tag nach der Tat an mit Mahnwachen, Kundgebungen gegen Rassismus und Totengebeten. Als sichtbares Zeichen dokumentierte die Stadt an der Fassade des Historischen Neustädter Rathauses auf dem Marktplatz mit dem großen Gedenkbanner "Die Opfer waren keine Fremden". Vom 19. August an wird an dieser Stelle ein neues Banner zu sehen sein, auf dem steht: "Kein Platz für Rassismus und Gewalt. Hanau steht zusammen. Für Respekt, Toleranz und Zivilcourage." Kaminsky: "Unsere Position ist eindeutig, ist unumstößlich. Es erfüllt mich mit Dankbarkeit, dass viele Bürgerinnen und Bürger in den Tagen und Wochen nach dem rassistischen Attentat ihrer Trauer und ihrem Gedenken an die Opfer mit Blumen, Bildern und Kerzen rund um das Brüder Grimm Denkmal öffentlich gemacht haben. Im Gespräch mit den Angehörigen der Opfer habe ich vereinbart, dass dieser Platz, dem traurigen Anlass entsprechend würdevoll gestaltet, bis zur Fertigstellung eines zentralen Mahnmals erhalten bleibt." Kaminsky erinnert an die Bedeutung des Nationaldenkmals, das den verheerenden Luftangriff am 19. März 1945 auf Hanau kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges fast unbeschadet überstanden hat und das literarische, wissenschaftliche, künstlerische, politische und gesellschaftliche Erbe ehrt. Kaminsky: "Die Brüder Grimm standen für eine weltoffene Gesellschaft – ihr Denkmal ist und bleibt ein guter Platz, um innezuhalten, es stellt ein wichtiges Symbol städtischer Erinnerung und Identität dar."

In den vergangenen Wochen hat Oberbürgermeister Kaminsky mit den Angehörigen der Opfer und der von ihm eingesetzten Lenkungsgruppe die Gedenk- und Erinnerungskultur besprochen und auf den Weg gebracht. Neben der Umgestaltung des Brüder Grimm Denkmals und dem neuen Banner wird es Namenstafeln an den Tatorten an Heumarkt und Kurt-Schumacher-Platz geben sowie einen Gedenkort auf dem Hauptfriedhof. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten für Gedenkkultur wird die Gestaltung des Mahnmals beraten. In den kommenden Wochen startet dann ein Gestaltungswettbewerb, über den eine Jury entscheidet, der die Angehörigen der Opfer gemeinsam mit Oberbürgermeister Kaminsky vorsitzen. Kaminsky: "Die Verarbeitung der Geschehnisse in die Zukunft gerichtet öffentlich zu verarbeiten ist ein wichtiger Prozess – sowohl für die Opfer-Angehörigen als auch die Stadtgesellschaft. Hier gilt aber, dass wir uns weder inhaltlich noch zeitlich unter Druck setzen, sondern uns die Zeit nehmen, die es braucht. Wir dürfen da nicht zu kurz springen und wollen gut überlegen, wie ein solcher Ort des Gedenkens geschaffen werden kann, der sich mit den Themen Rassismus, Gewalt, Extremismus und Einsatz für unsere Demokratie auseinandersetzt. Denn klar ist, dass das Attentat vom 19. Februar eine Zäsur für unsere Stadt, aber auch für Hessen und ganz Deutschland darstellt."

Bei der Zentralen Trauerfeiern am 4. März hatte Oberbürgermeister Kaminsky gesagt, dass die Namen der Opfer unauslöschbar zum kollektiven Gedächtnis Hanaus gehören werden: "Ich verspreche Ihnen, dass wir für die Toten des 19. Februar eine Gedenkstätte errichten werden. Damit deren Namen, damit deren Leiden, damit Ihr Leiden, liebe Angehörigen, niemals vergessen wird. Ihnen allen werden wir posthum die goldene Ehrenplakette der Stadt Hanau verleihen. Denn sie starben für alle, die eine freie, offene und vielfältige Gesellschaft wollen." Die Verleihung hatte der Magistrat der Stadt Hanau am 15. Juni einstimmig, über Parteigrenzen hinaus, beschlossen. Kaminsky zu der derzeit auch öffentlich geführten Diskussion um die Ehrenplaketten-Verleihung: "Hanau ist schon immer bunt und vielfältig – dazu gehören neben Dialog auch Diskurs.

Kaminsky erinnert: "Direkt nach der Trauerfeier haben die durch die Corona-Pandemie bedingten Umstände die persönliche und öffentliche Auf- und Verarbeitung erschwert." Anrufe und Video-Konferenzen gab es, auch nichtöffentliche Zusammenkünfte in kleinem Rahmen. Der persönliche Kontakt zu den Opfer-Angehörigen sei nie abgebrochen. Einen Tag nach der Tat hat Kaminsky mit der Opferberatungsstelle eine koordinierende und neutrale Anlaufstelle geschaffen, die die Bedarfe der Opferfamilien erfasst. So half die Opferberatungsstelle etwa in den Tagen nach dem Attentat bei der Organisation von Familienzusammenkünften, Totengebeten und Bestattungen, in den vergangenen Wochen bei vielen unterschiedlichen Behördengängen, Versicherungsfragen sowie bei psychotherapeutischer Anbindung, Wohnungssuche und auch finanziell. In enger Abstimmung mit den Angehörigen der Opfer stand und steht die Hanauer Opferberatungsstelle im Austausch mit Fachbereichen in der Stadtverwaltung, der Opfer- und Angehörigenhilfe des Main-Kinzig-Kreises, dem Opferbeauftragen der Bundesregierung und der Landesregierung, Hilfsorganisationen, Instituten, Initiativen und Gruppen. Kaminsky: "Es gibt viele Beispiele für konkrete Hilfen für die Opfer-Angehörigen und auch Engagement von Gruppen aus und für die Stadtgesellschaft," wie etwa die geplanten Workshops der neugeschaffenen Fachstelle zur Demokratieförderung und Extremismusprävention DEXT für Jugendliche in der Weststadt oder dem Beratungsangebot bei Fragen zu den Themenbereichen Diskriminierung und Rechtsextremismus. Die "Familien- und Jugendarbeit" Hanau bot mit Weststadtbüro und dem Jugendzentrum "JUZ k-town" in Kesselstadt direkt nach dem Attentat Therapeuten an, die mit den Jugendlichen sprachen, in Planung sind "spielerische Therapien" für Kinder von 6 bis 12 Jahren. Die städtische Opferberatungsstelle hilft auch den Verletzten und Augenzeugen des Attentats. Kaminsky: "Besonders bedanke ich mich bei Robert Erkan, der vom ersten Tag an als wichtiger Teil unserer Opferberatungsstelle entschlossen, besonnen und unbürokratisch geholfen hat. Dafür gilt ihm mein herzlicher Dank. Klar war, dass dies keine Dauerlösung sein wird – vielen Dank daher, dass er auch in der Übergangsphase den Mitgliedern der Lenkungsgruppe und der Opferberatungsstelle, die sich um die konkreten Hilfen für die Opferfamilien sorgt, zur Seite gestanden hat." Robert Erkan, der nun nicht mehr der Opferberatungsstelle angehört, aber sich weiterhin engagiert: "Es war ein schmaler Grat zwischen den Bedürfnissen der Opfer, zweier sprachloser Stadtteile und einer getroffenen Stadt und auf der anderen Seite der koordinierenden Kommunikation mit Politik und Verwaltung. Eine Balance, die mir nahezu aussichtslos erschien und dennoch gestaltbar war. Letztendlich trug die Teamleistung maßgeblich dazu bei, es überhaupt meistern zu können. Es war für mich Erfüllung und Ehre zugleich, als mich meine Stadt gebraucht hat." Die Aufgaben der Opferberatungsstelle sind nun, unter direkter Führung von OB Kaminsky, in innerstädtische Strukturen übergegangen.

Oberbürgermeister Kaminsky, der sich regelmäßig persönlich mit den Angehörigen der Opfer austauscht: "Wir helfen konkret und entschlossen, wo wir das als Unternehmung Stadt können. Zu diesem Beistand gehört auch das Zuhören. Besonders liegt mir am Herzen: Die Familien der Opfer fordern die lückenlose Aufklärung der Hintergründe der Tat und der Begleitumstände des Attentats – ich erinnere an die Absprache, dass die Opferfamilien als Erste über die Ermittlungsergebnisse informiert werden. Die zuständigen Ermittlungsbehörden bei Bund und Land sind hier in der Pflicht. Daher unterstütze ich die Angehörigen der Opfer auch bei der Demonstration am Samstag, in der sie ein Zeichen gegen Rassismus und Gewalt setzen, aber gleichzeitig auch ihrer Forderung nach Antworten Nachdruck verleihen wollen. Dass die Aufklärung so schleppend verläuft, stellt ihr Vertrauen zu den Ermittlungsbehörden auf eine harte Probe."

Neben der direkten Aufarbeitung des schrecklichen Attentats vom 19. Februar mit den Angehörigen der Opfer ist ein weiteres Ziel der Stadt Hanau, ein "Zentrum für Demokratie und Vielfalt" zu schaffen. Kaminsky: "Die Hanauerinnen und Hanauer haben in großer Solidarität und Nächstenliebe direkt nach den rassistischen Anschlägen ihre Trauer und Anteilnahme gezeigt. In Hanau gibt es viele, auch neue Akteure, die helfen möchten, unser Zusammenleben friedlich und frei von Intoleranz zu gestalten," In den vergangenen Wochen hatten sich der Ausländerbeirat, die "Initiative 19. Februar", das "Institut für Toleranz und Zivilcourage – 19. Februar Hanau" und viele weitere Bürgerinnen und Bürger und relevante Gruppen für die Belange der Opfer-Angehörigen, der Verletzten und Augenzeugen eingesetzt und tun dies weiterhin. Nun arbeite die Stadt an einem Konzept, bei dem verschiedene Gruppen und Institutionen unter einem Dach die Möglichkeit gegeben werden könne, sich in kleineren und größeren Veranstaltungen und persönlichen Gesprächen mit den Themen auseinanderzusetzen, "die uns alle angehen. Hanau steht zusammen und Hanau steht zusammen gegen Rassismus und Gewalt – dem folgen wir auch mit konkreten Angeboten".

Während es seit Februar an jedem 19. eines Monats bisher kleinere Mahnwachen und Zusammenkünfte der Familien gab, wird "Hanau in dieser Woche besonders, auch medial, in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt", so Oberbürgermeister Claus Kaminsky: "Auch hier sind wir als Stadtgesellschaft aufgefordert zu zeigen, dass wir eine offene, tolerante, lebensbejahende und lernende Stadt sind." Abschließend blickt Kaminsky nach vorne auf den 19. Februar 2021: "Wie wir den ersten Jahrestag begehen, bespreche ich zurzeit mit den Familienangehörigen der Opfer. Ihnen gilt immer unsere besondere und erste Aufmerksamkeit."


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