Terroranschlag: Opferangehörige gedenken auch der Mutter des Attentäters

Hanau
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Mit einer bewegenden Geste setzten am Montagnachmittag Angehörige der Opferfamilien des 19. Februar zu Füßen des Brüder Grimm-Denkmals ein Zeichen für ein friedliches Miteinander. Acht Monate nach dem rassistisch motivierten Attentat beim dem der Täter Tobias R. in Hanau neun junge Menschen und später auch seine Mutter erschoss, legten sie – gemeinsam mit Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) - weiße Rosen im Gedenken für alle zehn Getöteten nieder und bekundeten damit Respekt auch gegenüber der Mutter des Täters, die ebenfalls gewaltsam ihr Leben verlor.



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„Ich danke Ihnen sehr für diese große Geste! Der heutige Weg für Sie hierher war schwer, aber Sie sind ihn gegangen und das zeugt von Größe und davon, dass Sie – trotz Ihres großen Verlustes – Willens sind, unsere Zukunft friedlich miteinander zu gestalten und viel dafür zu tun!“, sagt Kaminsky. „Mit Ihrer Anwesenheit setzen Sie ein gemeinschaftliches und kraftvolles Zeichen gegen Gewalt und für eine gemeinsame Zukunft in Frieden!“ Im Lichte des islamistisch motivierten Attentats auf den Lehrer in Hanaus Partnerstadt Conflans, sei dieses Zeichen von umso größerer Bedeutung, so das Stadtoberhaupt. „Terror und Gewalt – egal ob aus rassistischen oder religiösen Gründen – ob in Hanau, Halle, in Paris oder Conflans – sind absolut inakzeptabel und haben in unserer Gesellschaft keinen Platz!“, sagte Kaminsky. Die Zivilgesellschaft und der Staat müssten sich gegen solche Entwicklungen mit aller Kraft wehren!

Im Gespräch mit den Familienangehörigen, die sieben der Opfer repräsentierten, betonte Kaminsky, dass es keinerlei Hinweise gäbe, dass die Mutter des Attentäters jemals rechtextremes oder rassistisches Gedankengut verbreitet habe. „Sie hat acht Jahre lang ehrenamtlich in einer Kita gearbeitet und dort benachteiligte Kinder in der Hausaufgabenhilfe unterstützt“, berichtete er. Nachbarn und Bekannte hätten nur Gutes über sie zu berichteten. „Ich bin mir der Verantwortung bewusst, die ich übernommen habe, als ich Sie zu diesem Termin eingeladen habe“, sagte der OB, doch ich denke auch diese Frau hat unser Mitgefühl und Gedenken verdient.“ Kaminsky zeigte allerdings auch Verständnis für die beiden Familien, die inzwischen in Bulgarien (Velkow) und Regensburg (Saracoglu) wohnen und nicht erschienen waren. „Ich würde mir nie anmaßen zu urteilen!“ bekundete er.

Die Angehörigen der Terroropfer dankten dem Oberbürgermeister für seine unablässige Unterstützung seit der Tatnacht und seine Rolle als Ansprechpartner und Vermittler sowie für seine Einladung zu diesem Termin: „Ich bin froh, dass Sie diesen Impuls gesetzt haben und uns so die Möglichkeit geben, als Angehörige Menschlichkeit zu zeigen und ein Zeichen zu setzten“ sagte Cetin Gültekin, Bruder von Gökhan Gültekin. „Wir erwarten Solidarität von Menschen in Berlin, Halle oder Köln. Da ist es nur richtig, dass auch wir Solidarität mit einem Menschen zeigen, der auch ums Leben gekommen ist.“ Es sei jedoch aus seiner Sicht besser, von neun plus einem Opfer zu sprechen, da die Mutter des Täters aus einem völlig anderen Motiv heraus getötet wurde.

Diese Ansicht vertrat auch Niculescu Paun, Vater des ermordeten Vili Viorel Paun, der darauf hinwies, dass die Mutter nach Angaben der Polizei erst am 20. Februar gestorben sei, und nicht am 19. Februar, wie die anderen neun Opfer. Auch Etris Hashemi, dessen Bruder Said Nesar in der Terrornacht starb, erklärte: „Nach allem was wir wissen, war die Mutter des Täters auch ein Opfer, aber es ist trotzdem wichtig, dass differenziert wird.“ Armin Kurtovic, Vater von Hamza Kurtovic, betonte, dass es richtig sei, auch die Mutter des Täters als Opfer anzuerkennen, aber ebenso wichtig sei, die Motive des Täters für die Morde zu unterscheiden. „Unsere Kinder, Brüder, Schwester, Nichte und Neffen wurden aus rassistischen Gründen umgebracht, warum der Täter seine bettlägerige Mutter tötete, wissen wir jedoch nicht!“, sagte er. Vielleicht würden die Ermittlungen das ergeben, doch noch seien viele Fragen offen, die auch die Familien der Opfer weiterhin sehr beschäftigten. „Jeder 19. Kalendertag fällt uns schwer!“, sagte Serpil Unvar, deren Sohn Ferhat beim Anschlag getötet wurde, „aber wir wollen heute ein Zeichen setzen, dass wir weltoffen sind und nicht für Spaltung, sondern Gemeinsamkeit und Respekt stehen – ungeachtet der Hautfarbe oder Religion.“

„Ich bin ihnen allen sehr dankbar!“, sagte Kaminsky. „Wir dürfen nicht aufgeben zu versuchen die Zukunft und das Leben miteinander zu gestalten. Mit dem gemeinsamen Gedenken für alle zehn Opfer haben wir heute ein wichtiges Zeichen gesetzt!“


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