Kaminsky fordert Rücktritt von Innenminister Beuth

Hanau
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"Wenn die am Donnerstag bekannt gewordenen Recherchen des Hessischen Rundfunks, des ARD-Magazins Monitor und des Magazins Der Spiegel zu den Abläufen des Tatgeschehens in der Nacht des Attentats zutreffen, ist es eine Frage des politischen Anstands, endlich die Öffentlichkeit aufzuklären und politische Verantwortung zu übernehmen", fordert Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky. Daneben sieht er auch die Justiz gefordert, zur Aufklärung beizutragen und Ermittlungen aufzunehmen.



In den späten Abendstunden des 19. Februars 2020 waren neun Menschen mit ausländischen Wurzeln Opfer eines rassistisch motivierten Attentats geworden. Danach tötete der Täter seine Mutter und sich selbst. Auch nach fast einem Jahr sind viele Fragen über die Ereignisse der Schreckensnacht ungeklärt.

Kaminsky, der schon mehrfach lückenlose Aufklärung gefordert hat, sich aber mit Kritik zurückgehalten und immer auf das abschließende Ergebnis der Ermittlungen verwiesen hat, kann nach eigenen Worten angesichts der jetzt mutmaßlich bekanntgewordenen Umstände allerdings nicht länger hinnehmen, dass der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) im Innenausschuss die Polizeiarbeit im Zusammenhang mit dem rassistischen Anschlag uneingeschränkt lobt, andererseits die durch seriöse Medien recherchierten Vorgänge ein anderes Bild zeichnen. "Was stimmt denn nun", fragt sich Kaminsky. Wie der Oberbürgermeister sagt, untermauern die neuesten Erkenntnisse auch die schon früh geäußerten Vorwürfe der Angehörigen des Getöteten Vili-Viorel Păun, wonach ihr Sohn vergeblich versucht hatte, die Polizei zu alarmieren.

Dass der Notruf nach den Recherchen der Medien in der fraglichen Nacht ungenügend besetzt gewesen sei, macht auch Fachleute fassungslos. Der Hanauer OB verweist dabei auf den Vorsitzenden des Bundes deutscher Kriminalbeamter, Sebastian Fiedler, der vom HR mit den Worten zitiert wird, dass, hätte Vili-Viorel Păun die Polizei erreicht, die ihm aller Wahrscheinlichkeit nach geraten hätte, sich in Sicherheit zu bringen und den Attentäter nicht zu verfolgen. Wie die Eltern kommt der OB nach diesen Worten zu dem Schluss: "Wäre Vili-Viorel Păun mit seinem Notruf erfolgreich gewesen, könnte er vielleicht noch leben."

Vor diesem Hintergrund erinnert Kaminsky auch an die Sitzung des Innenausschusses im Sommer, an der die Angehörigen der Opfer teilnehmen durften, und sich anhören mussten, wie der Innenminister für das Einsatzgeschehen noch lobende Worte ohne Wenn und Aber gefunden hat. Auch ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass Rettungskräfte und Polizei in dieser grauenvollen Ausnahmesituation ihr Bestes gegeben haben. Wenn dieses Beste aber aufgrund von mangelnder personeller Ausstattung oder organisatorischer Mängel an eine Grenze kommt, die dann im Zweifelsfall Menschenleben in Gefahr bringt, weil Hilfesuchende mit ihrem Notruf nicht durchkommen, muss das bei dem politisch Verantwortlichen nicht nur Nachdenklichkeiten auslösen. "Im Beisein der Familien war nach deren Aussage sogar die Rede von exzellenter Arbeit", greift Hanaus OB die Berichte der Angehörigen auf, die schon damals mit großem Unverständnis auf diese Interpretation der Ereignisse durch den Innenminister reagiert hatten. "Nach den Berichten der Medien von heute muss es wie Hohn in ihren Ohren klingen," sagt Kaminsky und ergänzt, dass durch die schleppende Aufklärung und die vielen ungeklärten Fragen das Vertrauen der Angehörigen und vieler Bürgerinnen und Bürger in das Handeln unseres Staats in Zweifel gezogen wird.

"Die Übernahme der politischen Verantwortung durch den hessischen Innenminister als Reaktion auf die vorgelegten Recherchen wäre nicht nur adäquat, sondern könnte auch einen Teil des verloren gegangenen Vertrauens zurückbringen", erinnert Hanaus OB an den früheren Bundesinnenminister Rudolf Seiters, der nach einem umstrittenen Einsatz der GSG9 zurückgetreten war, obwohl er sich persönlich nichts hat zuschulden kommen lassen. Seiters hatte seinen Schritt als einen doppelten Akt der Schadensbegrenzung bezeichnet, der das Vertrauen der Bevölkerung in die Ermittlungsarbeit stärken sowie einen "langwierigen und unwürdigen Prozess der gegenseitigen Schuldzuweisungen" unterbinden sollte. "Daran sollte sich der hessischen Innenminister ein Vorbild nehmen", so Kaminsky abschließend.


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