Strategiekonzept für Ansiedlung von Rechenzentren liegt vor

Hanau
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Einem städtebaulichen Ansiedlungskonzept für Rechenzentren im Stadtgebiet von Hanau stimmte der Magistrat der Stadt Hanau in seiner letzten Sitzung zu.



Die Stadtverordnetenversammlung wird am 8. November abschließend über die Vorlage entscheiden. "Wir möchten unserem Gestaltungsanspruch gerecht werden, indem wir der erhöhten Nachfrage nach Standorten für Rechenzentren im Hanauer Stadtgebiet mit einer gut durchdachten proaktiven Planung und einem demokratisch legitimierten Beschluss Rechnung tragen. Dies ist ein wichtiger Baustein unserer Strategie, unseren starken Wirtschaftsstandort auch langfristig robust aufzustellen. Mit Rechenzentrumsanbietern siedeln wir Unternehmen an, die im Betrieb exportunabhängig sind und damit unsere Wirtschafsstruktur diversifizieren", erläuterte Oberbürgermeister Claus Kaminsky. Die städtebauliche Planung sei künftig bei der Aufstellung von Bebauungsplänen zu berücksichtigen. Darüber hinaus sollen jedoch keine weiteren Ansiedlungen von Rechenzentren im Stadtgebiet erfolgen, da zum einen deren Stromversorgung die vorhandenen Netzanschlusskapazitäten übersteige oder zum anderen bereits geplante gewerbliche Nutzungen den Vorrang hätten.

Hintergrund für das städtische Ansiedlungskonzept ist der boomende Rechenzentrumsmarkt in Deutschland, insbesondere im Rhein-Main-Gebiet. "Der Bedarf an Rechenleistung durch die fortschreitende Digitalisierung und immer mehr Endgeräte und Sensoren wächst stetig", erklärte Wirtschaftsförderin Erika Schulte. Die Bereitstellung von Rechenleistung als Basis der Digitalisierung habe sich daher in wenigen Jahren zu einer wichtigen Infrastruktur für die grundlegende Daseinsvorsorge entwickelt. "Die Corona-Pandemie hat dieser Entwicklung einen weiteren Schub verpasst. Zudem ist aufgrund des in Deutschland strengen Datenschutzes für viele Unternehmen bei der Nutzung von Cloud-Diensten eine zwingende Voraussetzung, dass die Rechenzentren in Deutschland betrieben werden", so Schulte.

Die Stadt Hanau ist Teil einer Region, in der durch den in nur 20 Kilometer Entfernung in Frankfurt befindlichen größten Internetknoten der Welt (DE-CIX) eine besondere Standortgunst für die Ansiedlung von Rechenzentren besteht. Über die Nähe zum DECIX hinaus, sind weitere Standortfaktoren wie eine leistungsfähige Energieversorgung, Flächenverfügbarkeit und ein hohes Maß an Sicherheit bezüglich der Netzstabilität maßgeblich für die Ansiedlung von Rechenzentren. Ausgehend von Frankfurt hat sich die Nachfrage nach Standorten für Rechenzentren daher auch in umliegenden Städten und Gemeinden extrem verstärkt.

"Ziel der Stadt ist es, dieses Potential zu heben und aktiv zu begleiten, denn die Ansiedlung von Rechenzentren bietet Chancen für Hanau", verdeutlichte Oberbürgermeister Kaminsky: So könnten Altstandorte einer Verwertung zugeführt werden, die ansonsten eventuell dauerhaft brachliegen würden, weil die Aufbereitung nicht finanzierbar wäre. Des Weiteren erzeuge die Nutzung keine nennenswerte (Schwer-)Verkehrsbelastung. "Gerade bei größeren Flächen, die ansonsten vor allem von Logistikern nachgefragt werden, bietet sich so eine Nutzungsalternative mit sehr geringer Verkehrsbelastung", erklärt die Leiterin des Stadtplanungsamtes Anja Batke. Zudem erhöhe sich im Umfeld von Rechenzentren die Chance von weiteren attraktiven Unternehmensansiedlungen aus der IT-Branche sowie für weiteres Auftragsvolumen für lokale Dienstleistungsanbieter. "Auch das Gewerbesteueraufkommen ist attraktiv und nicht exportabhängig; zudem bieten sich Ertrags- und Nutzenpotentiale für die kommunalen Stadtwerke und Netzdienstleister", ergänzt die Wirtschaftsförderin Erika Schulte.

"Auf der anderen Seite bestehen im Zusammenhang mit der Ansiedlung von Rechenzentren Herausforderungen, die es zu berücksichtigen gilt", räumte der Oberbürgermeister ein. Die Realisierbarkeit von Rechenzentren werde von der Bereitstellung der Anschlusskapazität für die Stromversorgung maßgeblich bestimmt. Auch die Zahl der Arbeitsplätze sei im Verhältnis zur Flächeninanspruchnahme relativ gering. Der Preisdruck auf den Gewerbeflächenmarkt könne zur Verdrängung von klassischen Gewerbebetrieben führen, die nicht mit den Rechenzentren konkurrieren können. "Natürlich stellt auch der hohe Stromverbrauch einen Zielkonflikt zu dem Ziel der Klimaneutralität bis 2040 dar", so Kaminsky. Die Kühlsysteme, die für den Betrieb der Rechenzentren erforderlich seien, hätten bislang entweder einen hohen Trinkwasserverbrauch insbesondere in der heißen Jahreszeit zur Folge, oder sie funktionierten mit Kühlflüssigkeiten, die bei Austritt klimaschädliche Wirkungen haben könnten.

"Die technischen Gebäude mit ihren massigen Baukörpern, geschlossenen Fassaden, technischen Aufbauten und Schornsteinen sowie baulichen Sicherheitsmaßnahmen sind städtebaulich schwer mit anderen Nutzungen in Einklang zu bringen", ergänzt Batke. Aus Sicht der Stadt seien daher geeignete Standorte zu identifizieren und alle Spielräume auszuschöpfen, um eine ressourcenschonende und klimaverträgliche sowie städtebaulich verträgliche Steuerung der Gesamtentwicklung der Branche in Hanau zu gewährleisten.

In Vorbereitung für den Beschluss zum Ansiedlungskonzept für Rechenzentren habe die Stadt Hanau genau dies getan, erklärt Kaminsky: Mit dem Ziel in Hanau geeignete Flächen für die Ansiedlung von Rechenzentren zu identifizieren und diese proaktiv zu vermarkten, habe das Stadtplanungsamt und die Wirtschaftsförderung alle Flächen betrachtet, die sich aufgrund ihrer Größe grundsätzlich anbieten. Diese Flächen wurden mit der Hanau Netz GmbH bezogen auf die vorhandene beziehungsweise zu schaffende Netzanschlusskapazität der bestehenden oder geplanten Umspannwerke abgeglichen, da die Stromversorgung den maßgeblichen Faktor für die Realisierbarkeit darstellt. Des Weiteren wurden die Flächen bezogen auf andere wirtschaftlich mögliche und städtischerseits angestrebte gewerbliche Nutzungen zur Schaffung von Arbeitsplätzen und der Stärkung der lokalen Wirtschaftsstruktur sowie hinsichtlich der Vereinbarkeit mit städtebaulichen Zielsetzungen der Stadt beurteilt.

Das Fazit der detaillierten Betrachtung: Für eine kurz- bis mittelfristige Realisierung sind die Großauheim-Kaserne, das ehemalige Bunkerareal im Technologiepark Wolfgang sowie eine Teilfläche auf dem Goodyear-Dunlop-Areal im Südosten der Stadt für Rechenzentren mit den städtebaulichen Zielsetzungen der Stadt Hanau vereinbar und mit Blick auf die Stromversorgung machbar.

Das ehemalige Telekom-Areal im Stadtteil Nordwest sowie das ehemalige Schwab Areal im Kinzigheimer Weg sind aus städtebaulichen Gesichtspunkten einer näheren Prüfung zugänglich, jedoch aufgrund nicht vorhandener Anschlussleistung für die Stromversorgung ohne weiterreichende Investitionen in die Netzinfrastruktur voraussichtlich nicht realisierbar.

Nicht geeignet für eine Ansiedlung von Rechenzentren sind der Industriepark/Fraunhofer Science Park in Wolfgang, der ehemalige ABB-Standort und die Underwood-Kaserne in Großauheim. "Mit diesem im gesamtstädtischen Interesse durchdachten, gut begründeten und demokratisch legitimierten Beschluss zur Rechenzentrumsstrategie der Stadt sind wir bestens aufgestellt und können Diskussionen mit Investoren über in Frage kommende Flächen im Sinne unserer Ansiedlungsstrategie zielorientiert führen", sind sich alle Akteure einig.


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