Auf Tuchfühlung mit Richtern und Staatsanwälten

Knapp 70 Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare des Landgerichtsbezirkes trafen sich im Innenhof des Gerichts mit über 30 Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten und diskutierten mehrere Stunden bis in den Abend. Auch Justizminister Prof. Dr. Roman Poseck (CDU) war dabei und hatte nicht nur viel Zeit, sondern auch gute Nachrichten für Berufsanfänger in Hessen mitgebracht.

„Wir bilden unsere jungen Kolleginnen und Kollegen mit großer Leidenschaft aus“, stellte der derzeitige kommissarische Leiter des Landgerichts Hanau, Vizepräsident Dr. Mirko Schulte, in seiner Begrüßung fest. „Dann sollten wir ihnen in aber auch bestmöglich zeigen, warum es sich ein Berufsleben lang lohnt, an unserer Seite für die Menschen in unserem Land zu arbeiten.“ Dieser Blick auf staatliche Justizberufe sei gerade durch Corona zwangsläufig zu kurz gekommen. Es sei deshalb wichtig, im persönlichen Gespräch zu zeigen: Warum braucht der Rechtsstaat überall gute Leute mit jeder Menge Individualität, Neugier, Kreativität, Entscheidungsfreude und Verantwortungsbereitschaft? Und was macht die Berufe in der Justiz so einzigartig? Darauf wussten vier seiner Kolleginnen und Kollegen mit Impulsvorträgen aus unterschiedlichstem Werdegang griffige Antworten zu liefern.

Und Justizminister Roman Poseck stellte gleich an den Beginn: „Ich habe mich sehr über die Einladung und über die Initiative gefreut, die das Landgericht Hanau mit dieser Veranstaltung zur Nachwuchsgewinnung ergriffen hat. Wir brauchen qualifizierte Juristinnen und Juristen für eine zukunfts- und leistungsfähige Justiz. Die hessische Justiz investiert dafür kräftig in den juristischen Nachwuchs. Konkret sollen im Doppelhaushalt 2023/2024 zusätzliche richterliche und nichtrichterliche Stellen geschaffen werden. Zudem sollen für Richterinnen und Richter sowie für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte zum 1. April 2023 die ersten beiden Erfahrungsstufen entfallen, was sich positiv auf das Gehalt auswirken wird. Ein weiterer Schritt sind Veranstaltungen zur Nachwuchsgewinnung, wie es das Landgericht Hanau ausgerichtet hat. So gelingt es, die Vielfalt der Justizberufe vorzustellen und für einen Einstieg in die Justiz zu werben. Auch ich möchte in den nächsten Wochen alle hessischen Landgerichtsbezirke besuchen, um mit Referendarinnen und Referendaren sowie Assessorinnen und Assessoren ins Gespräch zu kommen. Dabei geht es in erster Linie darum, für die hessische Justiz zu werben, um auch in Zukunft hochqualifiziertes Personal begrüßen zu können.“

Georgina Gudzik, geboren in Polen und als Richterin am Landgericht Hanau zuständig für einen bestmöglichen Start der Berufsanfänger, betonte: „Es sind die Menschen, ihre Geschichten und Schicksale, die diesen Beruf prägen und so besonders machen." Justiz zeichne sich deshalb durch Menschen aus, die mit Enthusiasmus und Leidenschaft und ausgeprägter Kollegialität arbeiten möchten. „Dass die Justiz keineswegs so altbacken ist und schwerfällig agiert, wie sie oftmals öffentlich wahrgenommen wird, kann ich aus eigener Erfahrung berichten“ ergänzte Andreas May. Der Leitende Oberstaatsanwalt ist Chef und gleichsam einer der Erfinder der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität bei der Generalstaatswanwaltschaft Frankfurt am Main. Sie bekämpft in enger Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt Kinderpornographie, Hass im Netz und jede Art von Cyberkriminalität – in fast täglich wechselnden Phänomen. „Was wir vor 20 Jahren an technisch-juristischen Ermittlungsmethoden entwickelt haben, ist heute Standard. Aber es geht täglich weiter. Wir werden immer besser. Und wir brauchen flexible und kreative Fahnder, die für ihre Sache brennen und jederzeit bereit sind, mit großem Teamgeist außergewöhnlichen Einsatz zu bringen." Die Leitende Oberstaatsanwältin und Chefin der Staatsanwaltschaft Hanau, Anette von Schmiedeberg, brachte diese Herausforderungen in ihrer weiteren Begrüßung auf den Punkt: „Ich würde jeden Tag wieder Staatsanwältin werden. Wir arbeiten vom ersten Tag an im Team und sind alle mit Leib und Seele Ermittler.“

Und die in Brandenburg geborene Richterin Jacqueline Kempfer hat nicht nur erfolgreich Jura, sondern auch Theologie studiert und fügt an: „Sie ahnen, wofür ich mich entschieden habe.“ Sie hat Langstreckenschwimmen als perfekten Ausgleich zum anspruchsvollen Richterberuf entdeckt und 2015 als erste Frau den kompletten Edersee in Längsrichtung durchschwommen. Sie sagt nach Stationen an einem kriminologischen Institut, an einem Strafsenat des Bundesgerichtshofs und bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main über sich: "Unabhängig und nur nach Gesetz, besten Wissen und Gewissen über das Schicksal von Menschen zu entscheiden, das ist eine große Verantwortung. Sie ermöglicht es aber, Menschen an entscheidenden Wegpunkten ihres Lebens zu begegnen und mit guten Entscheidungen dazu beizutragen, dass Rechtsstaat und Gesellschaft funktionieren."

Die über 100 Gäste waren sich einig: Das passt und sollte wiederholt werden. Denn es lohnt sich, was eigentlich einfach und selbstverständlich klingt: In lockerem Gespräch einmal auf Tuchfühlung mit vielen Richtern und Staatsanwälten gehen zu können – und nicht nur auf den Kontakt zum eigenen Ausbilder beschränkt zu sein. „Das davon so viele da waren und sogar der Justizminister mit seinen Kolleginnen aus Wiesbaden – das ist für uns wirklich wertschätzend und motivierend“, sagen Laura Linke und Nico Zeiske, beide Landessprecher der Referendare aus Hanau. „Die Veranstaltung hat mich wirklich abgeholt. Ich hätte nicht gedacht, dass man bei Gerichten und Staatsanwaltschaften in Hessen so viele Sachen machen kann. Da passt so viel für mich“, freut sich June Weisner, derzeit Referendarin bei einer Zivilrichterin.