Um neue Plätze zu schaffen: Hanau kürzt Betreuungszeiten in Kitas

Hanau
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In Hanau als Stadt, die sich dynamisch entwickelt und stetig wächst, steht die Kindertagesbetreuung seit geraumer Zeit vor einer besonderen Herausforderung: Der bundesweit eklatante Mangel an qualifizierten Erzieherinnen und Erziehern sorgt dafür, dass auch in der Brüder-Grimm-Stadt bis zu 1.000 Kindern kein Betreuungsplatz angeboten werden kann. Dies gefährdet nicht nur die frühkindliche Bildung der Kinder, sondern schränkt auch die beruflichen Möglichkeiten der Eltern ein.



"Um dieser Situation entschlossen zu begegnen, hat der städtische Eigenbetrieb Hanau Kindertagesbetreuung jetzt ein innovatives Konzept entwickelt, das von Sommer 2024 an umgesetzt werden soll", erläutert Bürgermeister Dr. Maximilian Bieri (SPD) das jüngste Projekt, das am Ende für mehr Betreuungsplätze sorgen soll. Im Mittelpunkt stehen dabei die Betreuungszeiten, die optimiert werden sollen, sowie die Nutzungsmöglichkeiten der Kita-Räume durch externe Kooperationspartner. "Durch einen effizienteren Einsatz unserer Fachkräfte schaffen wir damit weitere Betreuungsplätze im Umfang einer zusätzlichen Kita", so Bieri.

Für die neue Konzeption wurden die herkömmlichen Betreuungszeiten von 7 bis 17 Uhr mit dem Ziel überdacht, die begrenzte Ressource "Fachkraftstunden" effizienter zu nutzen. Wie Astrid Weiermann, Leiterin des Eigenbetriebs, sagt, ist es bisher so, dass die Betreuungszeit zwar um 17 Uhr endet, die meisten Eltern ihre Kinder aber schon deutlich früher abholen. Das Personal muss dennoch für die maximal mögliche Kinderzahl bis zum späten Nachmittag vor Ort sein, was zu einer wenig effizienten Verteilung der Fachkraftstunden führt. Die entscheidende Veränderung besteht nun darin, dass die Betreuungszeiten um eine Stunde verkürzt werden sollen und künftig nur noch von 7 bis 16 Uhr reichen. Eltern haben zudem die Möglichkeit, verschiedene Betreuungspakete zu wählen, die sich flexibel auf die Tage der Woche verteilen lassen und eine maximale wöchentliche Betreuungsdauer von 40 Stunden ermöglichen. Mit der Flexibilität des Angebots soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass Eltern die gebuchten Betreuungszeiten für ihre Kinder nicht an allen Tagen gleichmäßig nutzen.

Diese Anpassungen haben einen dreifachen Effekt, so Bürgermeister Dr. Bieri. Zum einen werden auf diese Weise ausreichend Fachkraftstunden frei, um sechs neue Betreuungsgruppen ins Leben zu rufen, was bedeutet, dass etwa 120 Kinder, die zuvor vergeblich auf einen Kita-Platz gewartet haben, jetzt in die Obhut qualifizierter Fachkräfte kommen können. Zum anderen schaffen die veränderten Öffnungszeiten Raum für neue Kooperationen und Angebote, die direkt an die Kita-Zeiten anschließen können. Sportvereine und Musikschulen können nun ihre Programme in den Einrichtungen anbieten, was nicht nur den Kindern zusätzliche betreute Zeit bietet, sondern auch den Eltern den Alltag erleichtert, da sie ihre Kinder direkt von der Betreuung abholen können.

Erste Gespräche mit den Verantwortlichen in den Vereinen haben gezeigt, dass diese offen für eine solche Zusammenarbeit sind, von der alle Beteiligten profitieren. "Nachdem die Grundsatzentscheidungen gefallen sind, gehen wir jetzt in die konkrete Ausgestaltung solcher Freizeitangebote in den Räumen der Kindertageseinrichtungen."

Die Veränderungen haben nicht nur kurzfristige Auswirkungen auf die Betreuungsarbeit, sondern könnten als dritten Effekt auch langfristig die Personalgewinnung für die Einrichtungen erleichtern. Astrid Weiermann betont, dass diese neue Regelung den Beschäftigten Sicherheit und klare Arbeitszeiten bietet, was langfristig zu einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit führen könnte. Insbesondere im Werben um die raren Fachkräfte, die sich zu knapp 60 Prozent eine Teilzeitbeschäftigung wünschen, kann dies ein Vorteil bedeuten, der am Ende zu noch mehr Betreuungskapazitäten führt.

Dem Entschluss zur geplanten Anpassung war eine umfassende Erfassung der Nutzung von Betreuungszeiten vorausgegangen. Wie die Eigenbetriebsleiterin erläutert, zeigten die eingehenden Analysen durchaus auch überraschende Ergebnisse: Beispielsweise besuchten im Durchschnitt 23 Prozent der Kinder ihre jeweilige Kita überhaupt nicht. Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen von Krankheit bis zu Urlaub. Auch die Belegung der Randzeiten wurde durch die Elternumfrage präzise ermittelt. Dabei stellte sich heraus, dass von 16 Uhr an die Kitas noch von acht Prozent der Kinder besucht wurden, in der letzten halben Stunde vor 17 Uhr waren es nur noch drei Prozent. Über alle 31 städtischen Einrichtungen hinweg betrachtet gab es tatsächlich nur ein Kind, das regelmäßig eine Betreuung an allen Wochentagen bis 17 Uhr in der Kita benötigt. "Diese Erkenntnisse ermöglichten uns ganz neue Überlegungen und eine gezielte Umstrukturierung der Betreuungszeiten, um einerseits den tatsächlichen Bedarf der Familien besser zu decken, aber andererseits unsere Personalplanung feiner zu differenzieren." Vom Ende her gedacht gehe es schließlich auch darum, eine Entwicklung nicht tatenlos auf sich zukommen zu lassen. Der effizienteste Einsatz der nun mal leider knappen Fachkräfte sei hier angezeigt. Zudem gehe es auch darum, den Eltern die gebuchten Betreuungszeiten auch planbar und zuverlässig anbieten zu können und nicht schon bei geringen Krankenständen kurzfristig mitteilen zu müssen, dass Kinder früher abzuholen sind.

Trotz dieser innovativen Schritte bleibt die Herausforderung bestehen, genügend qualifiziertes Personal für die Kinderbetreuung zu finden. Hanau hat auch hierzu kreative Lösungen gefunden. In einer wegweisenden Entscheidung wurde beschlossen, Fachkräfte aus Nicht-EU-Ländern zu rekrutieren. In Zusammenarbeit mit einer darauf spezialisierten Agentur wurde im Jahr 2022 erstmals pädagogisches Fachpersonal aus Kolumbien angeworben. Diese Erfahrung war so erfolgreich, dass im Herbst 2023 vier weitere Fachkräfte ihre Arbeit in den Hanauer Einrichtungen aufnehmen werden. "Dieser Schritt zeigt, wie wir wirklich jede Chance nutzen, um in der Summe eine wirksame Lösung gegen den Fachkräftemangel zu finden", unterstreicht der Bürgermeister.

Die Bedeutung dieser Aufgabe liege auf der Hand, so Bieri weiter, und betont, dass die Schaffung von Betreuungsplätzen nicht nur eine Frage des Zugangs zur Bildung sei, sondern auch einen entscheidenden Einfluss auf die Gesellschaft als Ganzes habe. Kinder, die nicht die notwendige Betreuung, frühkindliche Bildung und frühzeitige Integration in unseren Bildungseinrichtungen erhalten, stünden vor erheblichen Hürden in ihrer persönlichen Entwicklung. Gleichzeitig können Eltern, die keine sichere Betreuung für ihre Kinder haben, nur begrenzt am Arbeitsmarkt teilnehmen. "Die damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen sind bedeutend und können die Gesellschaft in vielerlei Hinsicht belasten."

Der städtische Eigenbetrieb Kindertagesbetreuung Hanau ist sich dieser Verantwortung bewusst und arbeitet mit Nachdruck daran, allen Kindern Zugang zu hochwertiger frühkindlicher Bildung zu ermöglichen. Neben den bereits genannten Maßnahmen wurden auch innovative Lernspielgruppen eingeführt. Diese Gruppen bieten Kindern, die noch keinen Kita-Platz erhalten haben und fehlende Deutschkenntnissen aufweisen, im letzten Kindergartenjahr eine gezielte Förderung. In Zusammenarbeit mit der Volkshochschule Hanau werden spielerische Aktivitäten angeboten, die nicht nur die Sprachkenntnisse vertiefen, sondern auch wichtige soziale Kompetenzen wie die für den späteren Schulbesuch wichtigen Gruppenerfahrungen fördern.

Die Entscheidungsträger betonen jedoch auch, dass die Schaffung von Betreuungsplätzen nicht auf Kosten der Qualität gehen darf. Eine sorgfältige Balance zwischen Quantität und Qualität ist entscheidend, um sicherzustellen, dass jede Betreuungseinrichtung den hohen Bildungsstandards entspricht. Diese Herausforderung erfordert nicht nur kreative Lösungen, sondern auch eine kontinuierliche Überprüfung und Anpassung der Strategien, um sicherzustellen, dass möglichst alle Kinder in Hanau die bestmögliche Bildung erhalten.

"Mit unserem Maßnahmen-Bündel setzen wir ein Zeichen, wie Bildungschancen geschaffen und die Grundlage für eine prosperierende, inklusive Gesellschaft gelegt werden können. Durch diese entschlossenen Schritte wird nicht nur das Leben vieler Kinder, die bislang vergeblich auf einen Kita-Platz warten müssen, entschieden verbessert, sondern auch die Zukunft der gesamten Gemeinschaft positiv beeinflusst", so Dr. Bieri.


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