Naturschutzprojekt am Hässeler Weiher voll in der Spur

Neuenhaßlau
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Nach etwas mehr als zwei Jahren Projektlaufzeit im Naturschutzgebiet (NSG) „Hässeler Weiher von Neuenhaßlau“ und dessen Umfeld, zieht die Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) eine positive Bilanz.



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Vorausgesagte Probleme von Kritikern des Projektes sind bisher nicht aufgetreten und es zeigen sich deutliche Erfolge.

Nach dem Beginn des Naturschutzprojektes im November 2016, in dem eine ganzjährige und extensive Multispeziesbeweidung im Fokus des Pflegemanagements steht, lebten sich die fünf Heckrinder und drei Konik-Pferde gut in ihrem neuen Revier ein und eroberten dieses Zug um Zug. Bereits im Frühling 2017 gab es sowohl bei den Rindern als auch bei den Pferden Nachwuchs, da alle weiblichen Tiere bei ihrer Ankunft in Neuenhaßlau trächtig waren. „Die Geburt der Kälber und Fohlen erfreute uns zwar einerseits, andererseits wuchs aber die Herde schneller als geplant, so dass die Gefahr bestand, dass es im folgenden Winter zu Futterengpässen kommen könnte“, so der HGON-Arbeitskreissprecher und Landwirt Andreas Höfler. Dies war jedoch nicht der Fall, da wie auch im jetzigen Winter moderat Heu zugefüttert wurde und die Tiere genau das taten, was sie tun sollten: sie verbissen die standortfremden und mittlerweile bis zu fünf Meter hohen Jungpappeln. Dazu bogen sie die dünnen Bäume um und fraßen die Zweige und Äste bis Daumenstärke ab. So hatten die damals neun Rinder bereits im ersten ganzen Weide-Winter diesen unerwünschten Jungwuchs um mehr als die Hälfte reduziert. Ein fortlaufendes Pflegeziel ist es nämlich, dass die wertvollen Offenlandflächen, wie z. B. die dortige Binnendüne, von Gehölzen freigehalten werden.

Da Heckrinder wie auch ihre Vorfahren, die bis 1627 wild in Europa lebenden Auerochsen sehr genügsam sind, können sie auch dieses Futter ohne weiteres verdauen und sind nicht auf so hochwertiges Kraft-Futter angewiesen, wie die in der konventionellen Landwirtschaft heute üblichen Hochleistungsrinder, die darauf gezüchtet sind, binnen möglichst kurzer Zeit ein Maximum an Muskelmasse aufzubauen oder so viel Milch wie möglich zu produzieren. Deshalb verwunderte es auch nicht, dass eine Anzeige beim Veterinäramt im Frühjahr 2018 ins leere lief. Das Amt führte eine Vorortkontrolle durch und stellte fest, dass die Tiere in einem ordnungsgemäßen Ernährungszustand waren. Aufgrund des extrem trockenen Sommers 2018 entschloss sich das Projektteam ab Herbst 2018 dennoch einen erheblichen Teil der Rinder zu schlachten um den Futterbedarf im Winter zu reduzieren.“Wir betonen stets, auch auf unseren regelmäßigen Führungen an die Weide, dass das Wohl der Tiere oberste Priorität für uns hat, dies ist auch im Winter so, auch wenn die Tiere dann natürlicher Weise etwas an Gewicht verlieren, leiden sie entgegen aktueller Gerüchte niemals und das würden wir auch nie zulassen“, betont der stellvertretende HGON-Landesvorsitzende und Biologe Dr. Ralf Sauerbrei. Ein Nährstoffeintrag in die Gesamtfläche entsteht durch die Zufütterung laut Sauerbrei dadurch aber trotzdem nicht, da die Menge an Heu, die alljährlich innerhalb der Weide durch zwei Landwirte gewonnen wird, auch unter den derzeitigen Bedingungen bedeutend höher ist, als die Menge, die zur Fütterung wieder auf die Fläche zurück gelangt.

Das Projekt kann mittlerweile auch beachtliche botanische und faunistische Erfolge verzeichnen. Denn wesentlich erfolgreicher als erwartet bekämpften die Weidetiere die eingeschleppten Pflanzenarten, wie die Kanadische Goldrute, die bereits im ersten Sommer nicht mehr zur Blüte kam und somit auch keine Samen ausbilden konnte. Die verbliebenen Pflanzen, die normalerweise bis zu eineinhalb Meter hoch werden, erreichen kaum zwanzig Zentimeter bevor sie abgefressen werden. Auch das Indische Springkraut, dessen Samen erst vor wenigen Jahren in das Gebiet gelangt waren, ist in weiten Teilen der Fläche wieder zurückgedrängt. An einigen wenigen versteckten Standorten in der Weide kommt es noch zur Blüte, es ist aber nach Meinung der HGON nur eine Frage der Zeit bis auch hier die Beweidung ihre Wirkung zeigt. Das in Teilflächen blühende Breitblättrige Knabenkraut, eine heimische Orchideenart, konnte hingegen seinen Bestand im Jahr 2018 gegenüber dem Vorjahr erfreulicher Weise annähernd verdoppeln. Dies ist zumindest teilweise darauf zurückzuführen, dass durch den nicht zu stark ausgedehnten Tritt der Tiere kleine Rohbodenstellen entstanden sind, auf denen die Samen der Orchidee keimen können, was bei einer geschlossenen Pflanzendecke heutiger Mähwiesen nur begrenzt möglich ist. Ein noch stärker angestrebtes Ziel der Beweidung ist es, die auf Randflächen der Weide noch vorhandene Sandmagerrasen-Vegetation wieder in Bereiche entlang der Bahn zurückkehren zu lassen, in denen sie durch jahrzehntelange, mangelnde Pflege verschwunden war. Im vergangenen Jahr zeigte sich hier aber erstmals wieder die Heidenelke an einzelnen Standorten in dem Bereich. Auch das unscheinbare Silbergras beginnt sich wieder dort zu etablieren.

Auch neue Arten aus der Vogelwelt entdecken die Weidefläche für sich. Im Dezember 2018 konnte erstmals mehrfach ein Steinkauz innerhalb des Projektgebietes beobachtet werden. Laut roter Liste gilt die kleine Eule in Deutschland als gefährdet. Die durch die HGON ausgebrachten Nisthilfen für die Art werden bereits von den Eulen angenommen, sodass in diesem Jahr auf eine Brut gehofft werden darf. Der Steinkauz, der auch auf der Rückseite der griechischen Ein-Euro-Münze dargestellt ist, profitiert von der Beweidung, da durch die winterliche Kurzrasigkeit seine Beute, wie z. B. Mäuse, leichter zu entdecken sind und so die Jagd erleichtert wird. Außerdem bietet das durch die Weidetiere erzeugte Biotopmosaik einer Vielzahl von potenziellen Beutetieren des Steinkauzes einen geeigneten Lebensraum. Fast verdoppelt habe sich nach Aussage der HGON auch die Anzahl an Brutpaaren des Neuntöters und auch Braunkehlchen treten während der Zugzeit vermehrt im Gebiet auf. Grauspecht, Kuckuck, Wasserralle oder Blaukehlchen seien unter anderen Arten weiterhin erfolgreiche Brutvögel. Auch zahlreiche bedrohte Wildbienen und andere Insektenarten konnten die Experten der HGON entdecken.

Eigentlich hat die HGON vor Projektstart eine langsamere Wirkung der Beweidung auf die Fläche prognostiziert. Vor diesem Hintergrund seien die beschriebenen ersten Erfolge daher durchaus beachtenswert. Dies Erkannte auch die für Eingriffsausgleich zuständige Abteilung von Hessen Mobil. Bereits zum Projektstart hatte die Behörde der HGON Flächen zur Verfügung gestellt und so die ganzjährige Beweidung des Gebietes mit mehreren Tierarten erst möglich gemacht. Jetzt entschloss sich Hessen Mobil eine weitere angrenzende Fläche durch die Weidetiere pflegen zu lassen. Es handelt sich um ein Grundstück außerhalb des NSG, das die Gemeinde Hasselroth vor Jahren dem damaligen Straßenbauamt für eine Ausgleichsmaßnahme für den Bau der A66 überlassen hat. Nach wie vor trägt Hessen Mobil die Pflegeverpflichtung für das im Eigentum der Gemeinde befindliche Grundstück. Hier möchte man maschinelle Pflegemaßnahmen künftig vermeiden und entschloss sich zur behutsamen, effektiven und natürlichen Pflege durch die Weidetiere. Die Erweiterung der Weide wird auch durch die Untere

Naturschutzbehörde (UNB) des Main-Kinzig-Kreises, die in diesem Bereich zuständig ist, befürwortet. „Es handelt sich bei der ganzjährigen Multispeziesbeweidung um eine zukunftsgerichtete und in einer Vielzahl von Projekten deutschland- und europaweit erfolgreichen Pflegemethode, mit deren Hilfe die Artenvielfalt deutlich gesteigert werden kann. Dies ist umso erfolgreicher, je größer die beweidete Fläche ist“, verdeutlicht Bernd Leutnant der Leiter der UNB. Hessen Mobil und die HGON setzen hierbei nun auf die Zustimmung der Gemeinde Hasselroth, um die Biodiversität in der Region weiter zu fördern.

Wenn auch Sie die Arbeit der HGON und das Beweidungsprojekt unterstützen wollen, können Sie dies durch eine Spende auf das Konto der VR-Bank Rodenbach IBAN: DE80 5066 3699 0000 0871 30 tun. Beachten Sie bitte: Wenn Sie Ihren Namen und Ihre vollständige Adresse angeben kann eine Spendenbescheinigung ausgestellt werden. Mehr Infos unter www.hgon-mkk.de

Foto: Ein Steinkauz hat sich am Hässeler Weiher nach langer Zeit wieder angesiedelt. (Foto: Herbert Zettel)

Foto: Die Heidenelke kam in 2018 erstmals wieder im Projektgebiet zur Blüte. (Foto: Jakob Höfler)

Foto: Einheimische Orchideen gedeihen prächtig in der Weide des Naturschutzprojektes. (Foto: Dr. Ralf Sauerbrei)


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