Disko-Archiv geöffnet: Peter Maffay in Neuenhaßlau

Neuenhaßlau
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„Immer, wenn ich in diese Kiste hineingreife, finde ich etwas Neues“, hält Heinrich, genannt „Hennes“, Stichel einen kleinen Schatz in seinen Händen. Am 14. Februar 2018, im Alter von 75 Jahren, starb der Hanauer Günter Stein, der mit seinen Diskotheken und Theatern jahrzehntelang seine Spuren in der heimischen Tanz- und Unterhaltungsszene hinterlassen hat. Und ein Teil seines Nachlasses bewahrt jetzt Hennes Stichel in Neuenhaßlau auf, der in den 1970er-Jahren Discjockey im legendären Renaissance-Club von Günter Stein war.



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„Nach seinem Tod habe ich die Angehörigen gefragt, ob ich die noch vorhandenen Unterlagen aus den gemeinsamen Jahren bekommen könnte und tatsächlich kam dann irgendwann ein Anruf“, freute sich Stichel sehr darüber, dass er nun einen Teil des Nachlasses von Günter Stein aufbewahren darf. Mit 22 Jahren legte er erstmals Platten in der Diskothek in Neuenhaßlau auf, erlebte die spannenden Jahre mit vielen prominenten Gästen mit und verlor über die Jahrzehnte hinweg nie den Kontakt zu Günter Stein. Der hatte nach dem Verkauf des Renaissance-Clubs im Jahr 1982 unter anderem den „Eulenspiegel“ am Großkrotzenburger See eröffnet, bevor er dann mit Varieté-Theatern in Hanau und Rodenbach viele Menschen unterhielt. „Er war ein Macher“, erinnert sich Stichel an einen Mann, der mindestens genauso laut wie rührig gewesen sei und sich vor keinem Risiko gescheut habe.

Zum 1. März 1969 meldete Stein seine erste Diskothek in Neuenhaßlau an, die Bescheinigung war vom damaligen Bürgermeister Bodo Käppel unterschrieben worden. Stichel hält das Dokument in seinen Händen, zwei D-Mark kostete damals die Anmeldung für das Gebäude in der Hanauer Landstraße 4. Die Räumlichkeiten gehörten zur Gaststätte „Zum Adler“. Der Neuenhaßlauer Willi Blügel hatte Stein in seinem Lebensmittelladen in Kesselstadt kennengelernt und den Kontakt vermittelt. „Er wollte damals unbedingt eine Diskothek eröffnen, zur Auswahl stand neben der Gaststätte von Fritz Wagner auch das Gasthaus ‚Zur Eisenbahn’“, erinnerte sich Stichel mit Blick auf den Anmeldebogen von damals. Am 15. März 1969 eröffnete Stein das „Keyhole“, das auch großen Zuspruch bei amerikanischen Soldaten fand. Und dies brachte Probleme mit sich, die Diskothek wurde zu einem Drogenumschlagplatz, die Schließung nach nur zwei Jahren war die Folge. Stein renovierte das Lokal und eröffnete am 4. Februar 1972, an seinem 29. Geburtstag, den Renaissance-Club.

Das wohl wertvollste Schriftstück in der kleinen „Schatzkiste“ von Stein: Der „Engagementsvertrag“, wie es damals hieß, mit einem Schlagersänger. Der hatte sich durchaus schon einen Namen in der Republik gemacht und gehörte mit einer Gage von 3.000 D-Mark schon zu den teureren Künstlern. Sein Name: Peter Maffay. „Damals mussten sich alle in einem Kellerraum unter der Bühne umziehen“, habe sich auch der inzwischen zu einem deutschlandweit gefeierten Star aufgestiegene Maffay dort mit Band auf seine zwei Auftritte am Abend des 15. Januars 1976 vorbereitet. Stein hatte die Veranstaltung akribisch geplant, wie der Blick auf den Sitzplan zeigt. Und auch die Abrechnung funktionierte: Maffay bekam sein Honorar in bar und unterzeichnete die Quittung höchstpersönlich. Fotos sind aus dieser Zeit nur wenige vorhanden, eines ist mit Aufnahmen von anderen Künstlern in einer Collage eingerahmt. In der Kiste befinden sich auch allerdings sehr kleine Kontaktabzüge von Negativen, die im Original bislang nicht wieder aufgetaucht sind. Den Auftritt in Neuenhaßlau hat übrigens auch Maffay nicht vergessen: Auf seinem Album „heute vor dreissig Jahren“, das 2001 erschienen ist, wurde der Vertrag von damals auf dem Cover abgedruckt.

Aber Maffay, der am 30. August übrigens seinen 70. Geburtstag feierte, war längst nicht der einzige Künstler im Renaissance-Club, der im Anschluss einen großen Bekanntheitsgrad erreichte. Stichel zieht aus der Kiste den Vertrag mit Juliane Werding, späterer Hitparaden-Star, heraus, die mit 2500 D-Mark entlohnt wurde. Auch Marianne Rosenberg, deren Hit „Er gehört zu mir“ noch heute auf vielen Partys gespielt wird, gehörte zu den Stargästen in Neuenhaßlau. Ihr Vertrag wies ein Honorar von 2800 D-Mark auf. „Warum Karl Mildenberger da war, weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr“, existieren vom Auftritt der Boxer-Legende, dessen Kampf im Frankfurter Waldstadion 1966 gegen Muhammad Ali bis heute unvergessen ist, nur wenige Fotos. Ebenfalls auf der Bühne in Neuenhaßlau: Manuela, Jürgen Marcus, Paola, Joy Flemming und Wolfgang Petry, alle wenig später ebenfalls aus Funk und Fernsehen nicht mehr wegzudenken. Stichels Favorit ist allerdings bis heute der Auftritt der Gruppe „The Manhattans“ aus Amerika, die damals in ihrer Heimat die Soul-Charts bestimmten.

Dann kommt ein großes, gelbes Plakat aus der Kiste zum Vorschein: „Sonderveranstaltung“ steht in großen Buchstaben darauf, ein „Bunter Abend“ fand am 15. März 1979 zum zehnjährigen Bestehen von Steins Tätigkeit als Diskotheken-Betreiber in der damaligen Mehrzweckhalle, jetzt Friedrich-Hofacker-Halle, in Niedermittlau statt. Die Stargäste damals: Peggy March, die 15 Jahre zuvor mit „I will follow him“ bereits einen Nummer-Eins-Hit in den USA hatte, und Michael Cretu, später einer der erfolgreichsten Musikproduzenten in Deutschland. Auch diesen Abend hatte Stein akribisch geplant, lud unter anderem politische Prominenz ein und sorgte mit einem penibel ausgetüftelten Sitzplan dafür, dass alle circa 800 Besucher zufrieden waren.

„Aus dem Inhalt dieser Kiste könnte man eine ganze Serie machen“, schließt Stichel nicht aus, dass noch weitere Überraschungen zum Vorschein kommen. Über die wird er dann spätestens bei der nächsten Revival-Party plaudern, die er seit 2009 jährlich mit seinem Bruder Peter veranstaltet und bei der immer hunderte Besucher in alte Zeiten eintauchen. Denn nicht nur „Hennes“ erinnerte sich gerne an die 1970er-Jahre zurück: „Es waren verrückte Jahre, aber auch unvergessliche.“

Foto: Hennes Stichel mit dem Plakat zum großen Disco-Jubiläum am 15. März 1979 in Niedermittlau.

Foto: Der Sitzplan beim Auftritt von Peter Maffay.

Foto: Der Vertrag mit Peter Maffay: Am 15. Januar 1976 trat er im Renaissance-Club in Neuenhaßlau auf.

Foto: Dieses Fotos zeigt Peter Maffay umrahmt von Fans bei seinem Gastspiel in der Diskothek von Günter Stein.


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