Thermo Fisher: Jetzt geht es noch um 60 Arbeitsplätze

Langenselbold
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Dr. Thorsten Lieb, Spitzenkandidat der hessischen FDP zur Europawahl begleitete den Vorsitzender FDP Langenselbold, Christof Sack, und den Fraktionsvorsitzenden der FDP in der Gründau-Stadt, Reiner Lamprecht.

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Neben der Standortbesichtigung nutzten die Liberalen die Möglichkeit zum Austausch mit Betriebsrat und Geschäftsleitung zu den Themen Standortsicherung, Stellenabbau und Gewerbesteuer. Produktionsleiter Andreas Schöchte führte die Delegation durch die Produktion. Auf einer Fläche von ca 15.000m2 werden Zellkultur- und mikrobiologische Brutschränke (Inkubatoren), automatisierte Kubatoren, mikrobiologische Sicherheitswerkbänke, Trockenschränke und Hochtemperaturöfen für Kunden in der ganzen Welt hergestellt. Die Entwicklungsabteilung bildet das Kompetenzzentrum für die Entwicklung in den Bereichen Reinluft, Inkubation und Wärmetechnik. Der Konzern werde eine einstellige Millionensumme in die Modernisierung der Produktion in der Gründaustadt investieren, berichtet er auf dem Rundgang. Unermüdlich läuft die große Stanz-Lasermaschine in der Produktionshalle, gleich daneben rattert eine Stanzmaschine. Beide schneiden Metallplatten zurecht, die dann zu Industrieöfen, Sicherheitswerkbänken und CO2-Inkubatoren weiterverarbeitet werden. Letztere werden ausschließlich in Langenselbold hergestellt und an Labore in der ganzen Welt verkauft.

Im Gespräch mit dem Geschäftsführer der Langenselbolder Thermo-Fisher-Niederlassung, Dipl. Ing. Elmar Rübsam, gingen die Liberalen auf die Themen ein, die sie viel mehr interessierten. Dr. Thorsten Lieb ging gleich auf die Frage der Stellenverlagerung und der Standortsicherheit ein. Am 11. April 2018 erhielt die Belegschaft von Thermo Fisher in Langenselbold die Nachricht, dass 102 Arbeitsplätze aus dem Bereichen Finanzen und Kundenbetreuung nach Budapest/Ungarn und ins schottische Paisley nahe Glasgow verlagert werden sollen. Wohl aber nicht aus wirtschaftlicher Not, der US-amerikanische Konzern will diese Maßnahme trotz Milliardengewinnen, wovon jährlich allein 500 Millionen Euro am Standort Langenselbold umgesetzt werden, durchführen. Laut Geschäftsführer sei man in einem guten Austausch mit dem Betriebsrat, von den ursprünglich 102 geplanten Stellen sei man schon seitens des Konzerns nach den Gesprächen auf 80 herunter gegangen und aktuell handele es sich nur noch um 60 Positionen.

„Das sind noch 60 zu viel“, so erwiderte der FDP-Ortsvorsitzende Christof Sack an dieser Stelle. Auf der anderen Seite ständen auch stätige Neueinstellungen, die den Stellenabbau fast übertreffen. Der Standort habe nun ca. 1050 Mitarbeiter (ca. 40 aus Langenselbold), von denen 600 in der Produktion und 450 im Office Bereich tätig sind. Die Verlagerung der Stellen nach Schottland und Ungarn erfolge in erster Linie wegen dem „besseren Verfügbarkeitsgrad von mehrsprachigen Mitarbeitern, nicht wegen der dort günstigeren Personalkosten", so Rübsam.

Zur Frage der Standortsicherheit sagte Rübsam, dass für Langenselbold keine Änderungen geplant seien. Das Werk sei weiterhin eine wichtige Produktionsstätte mit einer konzernbedeutenden Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Auch die Wartung vieler Geräte erfolge in Langenselbold. Für die Zukunft des Standorts spreche zudem die Expansionsmöglichkeit im Vergleich zum Werk im niedersächsischen Osterode. Für die Politiker aus Langenselbold war das Thema der Gewerbesteuer bzw. der Gewerbesteuer-Rückzahlung noch ein wichtiges und daher kam auch dieses noch mal zum Gespräch. Da die Gewerbesteuer im Voraus bezahlt wird, können Unternehmen die Zahlungen zurückfordern, wenn der erwartete und im Vorfeld bereits besteuerte Gewinn ausbleibt oder niedriger ausfällt als erwartet. Dies traf im Fall von Thermo Fisher für die Jahre 2015 bis 2018 zu. Insgesamt 23,3 Millionen Euro Gewerbesteuerrückzahlung, inklusive den hohen Zinsen von 6 %.

Der Geschäftsführer bestätigte noch einmal die Gründe, die zu den Gewinneinbußen am Standort geführt hatten. So hätten Steuerprüfer des Thermo-Fisher-Werks in Dänemark moniert, dass der Hersteller Produkte zu billig nach Langenselbold geliefert hatte, die von hier aus ebenfalls mit zu niedrigen Preisen weiterverkauft wurden. Folglich habe die Niederlassung in der Gründaustadt ihre Preise anpassen müssen und so weniger Umsatz gemacht. Von Seiten der FDP bemerkte Dr. Thorsten Lieb dazu, dass sich die FDP auf europäischer Ebene für ein faireres und transparenteres Steuersystem durch Einführung einer einheitlichen Bemessungsgrundlage für Gewinnsteuern einsetze. Reiner Lamprecht: „Thermo Fisher muss sich im Klaren sein, dass in erster Linie mit jeder Kündigung Einzelschicksale auf dem Spiel stehen, aber auch ein gravierender Imageschaden für das Unternehmen. Stellenabbau bei gleichzeitig hohen Unternehmensgewinnen, dazu die Gewerbesteuer-Rückerstattung von über 23 Millionen Euro durch die Stadt Langenselbold haben die Firma in der öffentlichen Wahrnehmung in ein schlechtes Licht gerückt."

Es folgte noch ein Treffen mit dem Betriebsratsvorsitzenden Walter Heidenfelder und seinem Team, in dem der geplante Stellenabbau noch mal aus der Sicht der Belegschaft beleuchtet wurden. Laut Betriebsrat sei man im stätigen Gespräch mit der Geschäftsleitung und noch zuversichtlich, eine gemeinsame Lösung zu finden, aber zu dem geplanten Stellenabbau habe man eine ganz andere Meinung. Der Betriebsrat fürchtet einen Effizienzverlust zwischen der ausgelagerten Auftragsverwaltung und der Produktion, was Konsequenzen für den Gesamtstandort haben könnte. Die nun aktuellen Zahlen von ca. 60 Mitarbeitern seien weniger einem entgegenkommen als der Tatsache geschuldet, dass einige aus diesem Bereich bereits jetzt gegangen sind und die Entscheidung nicht abgewartet haben. „Nicht jeder wollte sich dem Druck aussetzten“, so der Betriebsratsvorsitzende.

Die FDP-Politiker waren sich nach ihrem Besuch bei Thermo Fisher letztlich einig, dass es darum gehe, Überzeugungsarbeit bei der Konzernmutter in den USA zu leisten und dass die Gespräche zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung weiter gehen. „Wir werden den Kontakt zur Geschäftsführung und dem Betriebsrat aufrechterhalten“, so die Liberalen.

Foto: FDP-Vorsitzender Christof Sack, Geschäftsführer Elmar Rübsam, FDP Europawahl Spitzenkandidat für Hessen Dr. Thorsten Lieb und Fraktionsvorsitzender Reiner Lamprecht.


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