Klippel bei Gedenkfeier zum Aussiger Massaker von 1945

Bernd Klippel aus Eidengesäß (rechts) mit Ústi nad Labems Oberbürgermeister PhDr.Ing. Petr Nedvèdicky während der Gedenkfeier zum Massaker von Aussig Ende Juli 1945 auf der Dr-.Edvard-Benesch-Brücke. Mit Rosen erinnern sie an die Opfer des Pogroms, die von der Brücke in die Elbe gestürzt wurden.

Linsengericht
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Vor 77 Jahren, zwischen März und November 1946, erreichten 9.330 aus ihrer Heimat vertriebene Sudetendeutsche, zumeist Frauen, Kinder und alte Menschen, in Vertriebenenzügen das Flüchtlingslager auf der Wegscheide oberhalb von Bad Orb.

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In anderen Teilen Hessens strandeten Flüchtlinge aus dem Sudetenland. Sie stammten unter anderem aus Aussig an der Elbe (Ústi nad Labem), wo am 31. Juli 1945 ein bis heute nicht vergessenes Massaker der Tschechen an den seit Jahrhunderten dort ansässigen Sudetendeutschen stattfand.

An die rund 200 Opfer erinnern alljährlich deutschstämmige Aussiger, die als Kinder das Geschehen miterlebten, ihre Nachkommen sowie Vertreter der katholischen Kirche, der jüdischen Gemeinde Leitmeritz sowie VertreterInnen der Stadt Ústi nad Labem; dieses Jahr allen voran Oberbürgermeister PhDr.Ing. Petr Nedvèdicky. Auch für den Eidengesäßer Bernd Klippel, gewähltes Mitglied der Sudetendeutschen Bundesversammlung für die Heimatlandschaft Elbetal sowie der Seliger-Gemeinde, dem Zusammenschluss der sudetendeutschen Sozialdemokraten und Obmann im Altkreis Gelnhausen ist das Treffen in der Industriestadt am Rande des Böhmischen Mittelgebirges fester Bestandteil in seinem Terminkalender.

Nach heutiger Lesart war Auslöser des Pogroms gegen die deutsche Zivilbevölkerung von Aussig eine von Tschechen fingierte Explosion eines Munitionslagers, die den Deutschen untergeschoben wurde, um sie restlos aus dem Sudetenland zu vertreiben. Schauplatz war unter anderem die Dr.-Edvard-Benesch-Brücke, benannt nach dem damaligen tschechischen Staatspräsidenten. Unzählige Menschen wurden während des Massakers von der Brücke in die Elbe gestürzt. Wie viele Opfer es dort gegeben hat, ist bis heute ungewiss.

So traumatisch die Ereignisse vom 31. Juli 1945 für die sudetendeutschen Aussiger damals auch waren: Bis heute bewahren sie ihre Erinnerungskultur an die alte Heimat, die mittlerweile geprägt wird von einer engen Verbundenheit mit den Tschechinnen und Tschechen in der nordböhmischen Region. In den Ansprachen während der Gedenkfeier, die stets auf der Dr.-Edvard-Benesch-Brücke stattfindet, stehen die gegenseitige Achtung und echte Freundschaft im Mittelpunkt.

Bernd Klippel, dessen Mutter aus Aussig stammte und aus deren Familie drei Mitglieder seit dem Tag des Massakers vermisst werden: „Das Sudetenland galt stets als Bindeglied zwischen Deutschland und der damaligen Tschecholslowakei, jetzt Tschechien. Heute eint uns mehr denn je – angesichts des Kriegs in der Ukraine – das Bewusstsein, als Kernländer in der Mitte Europas gemeinsam für ein freies, einiges Europa einzutreten. Gemeinsame Begegnungen und Gespräche sind hier von unschätzbarem Wert. Deshalb hat auch unser jährliches Treffen auf der Brücke eine ganz besondere Bedeutung.“

Doch trotz der weithin gelungenen Versöhnung zwischen Tschechen und Sudetendeutschen übt Klippel auch Kritik. Im Artikel Nr. 115 der im Oktober 1945 erlassenen Benesch-Dekrete – dem so genannten Amnestiegesetz, besser Straffreiheitsgesetz – wurde festgeschrieben, dass Verbrechen an Vertriebenen, die bis zum 28. Oktober 1945 verübt wurden, nicht verfolgt werden; die damaligen Täter also nie strafrechtlich belangt wurden. Klippel: „Für mich völlig unverständlich ist die Tatsache, dass dieses Gesetz vom tschechoslowakischen Parlament noch im Jahre 2004 bestätigt wurde und damit bis heute rechtskräftig ist. Es gab also in der Vergangenheit keine rechtliche Aufarbeitung des Massakers von Aussig und wird es wohl auch in naher Zukunft nicht geben.“

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Bernd Klippel aus Eidengesäß (rechts) mit Ústi nad Labems Oberbürgermeister  PhDr.Ing. Petr Nedvèdicky während der Gedenkfeier zum Massaker von Aussig Ende Juli 1945 auf der Dr-.Edvard-Benesch-Brücke. Mit Rosen erinnern sie an die Opfer des Pogroms, die von der Brücke in die Elbe gestürzt wurden.


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